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Durch die Scharnitz

Die Korken fallen zur Tunneleröffnung, liest man in den Medien. Alles happy?
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Foto: Benno Kusstatscher

Der Volksmund sagt es schon richtig: Fielen damals, anno 1805 Franzosen und Baiern noch über die Scharnitz in Tirol ein, fuhren in den letzten Jahren an Spitzentagen bis angeblich achtzehn Tausend Autos durch Scharnitz, also durch die verkehrsgeplagte Nordtiroler Grenzortschaft, vorbei an den mit Reflektorwesten bekleideten Kindern, deren Schulweg unausweichlich der B177 entlang verläuft. Verlief vielmehr. Seit gestern verläuft die B177 im Tunnel. In Zukunft, werden wir wohl durch die Scharnitz reisen, wenn es mit Privatauto oder Flixbus nach München geht.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass nach Norden Reisende dank Luft-100er und den traurig stimmenden Grenzkontrollen bei Kiefersfelden die Autobahn durchs Inntal wenn immer möglich meiden und sich die alten Wege durch Lofer, übern Achensee oder eben den Zirler Berg suchen. Die Politik dankt es den Anrainern mit dem neuen Porta-Claudia-Tunnel, benannt nach Claudia de Medici, die damals in den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs den Tirolern eine extraterritoriale Befestigungsanlage zugestand und dermaßen Tatsachen für eine Grenzverschiebung zum heutigen Verlauf hin schuf.

Fast klingt der Name des Tunnels wie eine Entschuldigung dafür, dass das nordöstliche Portal ungeniert nahe an den wenigen, übriggebliebenen Mauern der gleichnamigen Befestigung aus dem Berg austritt und dessen Zufahrt die Ruine vom zugehörigen Denkmal entzweit. Beide Portale des Grenztunnels liegen also auf Tiroler Seite und schützen nicht etwa die B177 bzw. die B2 vor den Marchklamm-Lawinen gefährdeten Karwendel-Hängen. Der Schutz gilt vielmehr dem angrenzenden Mittenwalder Riedboden (Naturschutzgebiet) jenseits des Ahrnkamms, oder – dessen Eindrucks kann man sich kaum verwehren – den nachbarschaftlichen Beziehungen, deren Nichtbelastung sicherlich auch ihren Wert hat.

Natürlich ist Scharnitz nicht die einzige, verkehrsbelastete Ortschaft auf der Strecke und weder die erste noch die letzte, die einen Umfahrungstunnel bekommt. Im schönen Werdenfelser Land tut sich gar einiges: Der nördlich von Garmisch gelegene Ort Farchant bekam seinen Kurventunnel schon zur Jahrtausendwende. In der nächsten Ortschaft, Oberau, wird fleißig gebaut.

Die Oberauer gehören wohl zu den Wenigen, die Dobrindt als Verkehrsminister in guter Erinnerung behalten werden. Der Willkommenstunnel am Münchner Luise-Kieselbachplatz tut sein Übriges, um die Grenzwärter in Kiefersfelden zu entlasten.

Nur Partenkirchen teilt mit Bozen das Schicksal: Während jedes Kuhdorf irgendwann dank Umfahrung früher oder später zu besserer Lebensqualität kommt, bleibt dem Ostteil des Werdenfelser Hauptortes der Tunnel durch die Wank verwehrt.

Ohne jetzt auch noch die Projekte rund um den Fernpass abzuklappern, verbleibe ich mit dem nicht ganz selbstlosen, aber doch ehrlichen Wunsch, den ich Scharnitzern, Partenkirchnern, Oberauern aber auch Reithern und all den anderen wünsche: dass endlich ein attraktiver Eisenbahnfahrplan zwischen Verona und München diesen Wahnsinn von der Straße bringt – und zwar schon lange vor dem BBT-Nimmerleinstag.