Society | Interview

Wie fake sind Fake News?

Am Freitag wird Silvia Bencivelli das Event „Non è vero ma ci credo!!!“ im Zuge der Veranstaltung Le Mille e una Scienza leiten. Im Interview bietet sie uns vorab einige Einblicke in die Thematik der Falschmeldungen.
Silvia Bencivelli
Foto: Master Cose
  • SALTO: Was verleitet Menschen Ihrer Meinung nach dazu, Falschmeldungen zu glauben?

    Silvia Bencivelli: Unser menschliches Gehirn ist keine perfekt rationale Maschine. Daher denken wir oft in Schemata, welche zwar nicht logisch, dafür aber von Emotionen geleitet sind. Somit sind wir sehr anfällig für Falschmeldungen. Unser Gehirn bildet sich durch gesammelte Eindrücke selbst Erklärungen und Schlüsse. Von Fake News sprechen wir bei Informationen, welche mit Fehlern behaftet sind und in der Gesellschaft zirkulieren. Ob wir Informationen aber von der Oma oder von Facebook erhalten haben, ändert für unser Gehirn relativ wenig. Das Problem ist unsere Unfähigkeit, rational zu sein.

  • Zur Person

    Silvia Bencivelli ist Wissenschaftsjournalistin, Schriftstellerin, Autorin und Rundfunksprecherin. Unter anderem kollaboriert sie mit Rai, Focus und Wired. Diverse Bücher stammen aus ihrer Feder, wobei sie sich erst kürzlich an einem Roman für Jugendliche versucht hat. Der Inhalt ihrer Werke besitzt meist wissenschaftlichen Charakter. Weiters war sie lange Zeit Radio- und Fernsehmoderatorin und ist Host des Podcasts „Ricercati“ von Chora Media. Silvia Bencivelli vermittelt ihr Wissen als Dozentin in den Bereichen Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation an den Universitäten Rom und Parma.

  • Handelt es sich demnach um eine Krankheit, an Fake News zu glauben?

    Die Entscheidungen rechtfertigt der Mensch immer a posteriori. Wir handeln, reflektieren und suchen uns dann eine passende Rechtfertigung aus. Somit beschließen wir erst später, dass es sich um eine Entscheidung gehandelt hat. Der Fakt, dass wir an falsche Dinge glauben, ist ein Resultat unserer Denkstruktur. Krankheiten sind Abweichungen der Realität, jedoch ist jeder von uns dazu geneigt, Falschmeldungen zu glauben. Es ist die Normalität. Zwar gibt es gewisse Persönlichkeiten, welche paranoid sind oder der Autorität missbilligen wollen, doch hierbei handelt es sich um eine Minderheit. Es ist aber klar, dass wir beispielsweise bei der Wahlwerbung gewisse Informationen anpassen, um mehr Stimmen zu erhalten. Ein wichtiger Aspekt für die Identifizierung von Falschwahrheiten ist die Bescheidenheit, sich nicht selbst für eine allwissende Instanz zu halten, sondern auch anderen Ansichten Gehör und Glauben zu schenken.

    Worin besteht nach Ihrem Ermessen die größte Gefahr?

    Fake News sind dann gefährlich, wenn sie falsche Ideen vermitteln und zu Aktionen aufrufen. Beispielsweise wäre die Information, Migranten würden Krankheiten mitbringen, sehr gefährlich. Vielleicht steckt auch ein Funken Wahrheit darin, jedoch ist sie generell gesprochen absolut falsch. Sie wäre deshalb gefährlich, weil dadurch Gesellschaftsgruppen ausgegrenzt würden und ihnen somit weniger Möglichkeiten zustünden. Auch in der Medizin kommt dies vor. Es ist völlig normal, Angst vor Injektionen zu haben, aber die Rechtfertigung und Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, entspringt einer anschließenden Reflexion der gesammelten Informationen zu der Thematik. Erneut a posteriori. Das Gehirn versucht so, seine Entscheidung für rational zu erklären. Man muss aber erwähnen, dass es durchaus Informationen gibt, welche bewusst in die Welt gestreut oder ohne faktische Überprüfung weitergetragen werden. Unter anderem gibt es alternative Therapien, welche nach eigener Aussage effektiver sein sollten, als eine ärztliche Behandlung. Es stecken Interessen dahinter, denen man akribisch nachgehen sollte und im Ernstfall muss man solche Falschmeldungen auch rechtlich verfolgen. Menschen haben inhärente Ängste und Bedürfnisse, welche unser Denken unabhängig der Informationslage beeinflussen. Wir suchen in erster Linie einen Sündenbock und dann nach konkreten Lösungen. Diese können auch außerhalb des konventionellen Rahmens liegen. Uns Menschen gefällt es zusätzlich sehr, ein Gefühl der Überlegenheit und Allwissenheit zu haben, weshalb wir gerne mit neuen Informationen prahlen.

  • „Die Entscheidungen rechtfertigt der Mensch immer a posteriori. Wir handeln, reflektieren und suchen uns dann eine passende Rechtfertigung aus.“ 

  • Gibt es nennenswerte Diskrepanzen, die uns dazu verleiten, Falschmeldungen zu glauben?

    Nein, es gibt keine klaren Diskrepanzen zwischen Alters- oder Geschlechtergruppen. Auch bei unterschiedlichen Stufen des Intellekts und der Bildung gibt es keine markanten Differenzen. Studien mit begünstigenden Ergebnissen gibt es für beide Positionen, aber Kultur kann sowohl schützen als auch prädestinieren. Unsere Großeltern glauben dem Arzt oft blind, jedoch haben wir Mediziner die Geisteshaltung, bereits über alles im Klaren zu sein. Beide Einstellungen bergen Risiken. Auch ich, die ich mich im Rahmen meines Studiums mit Fake News beschäftigt habe, kann mich davon nicht freisprechen. Es macht mich nicht zu einer „superdonna“. Mit Verlaub möchte ich jedoch hinzufügen, dass es genau dieser Aspekt ist, der das Thema so faszinierend macht. Das Problem ist mitnichten lösbar.

    Wie können wir der Verbreitung von Fake News entgegenwirken?

    Es gibt Medien, die für die Verbreitung von Falschmeldungen geeigneter sind als andere. Social-Media-Plattformen springen dabei besonders ins Auge. Wir haben es bei den russischen Trollen in Bezug auf Trump gesehen. Es gibt weniger Instanzen, welche die Informationen durchlaufen und das Volumen der Meldungen steigt immens. Parallel dazu natürlich auch die Zahl der fehlerbehafteten Meldungen. Eine Regulierung der Informationen durch eine staatliche Instanz sollten wir aber strikt ablehnen. Natürlich müssen wir bei Betrügern den Staatsapparat einschalten, aber es darf keine Kontrollen der Publikationen geben. Wir leben in einer Demokratie und sollten diese auch beibehalten. Was wir machen können, ist, nicht auf eine Korrektur zu warten, sondern uns selbst weiterzubilden und nicht alles zu schlucken, was uns vorgehalten wird. Als Informationsempfänger ziehen wir stets Informationen vor, die unser Denken und unsere Ideen bestätigen. Den einzigen tatsächlichen Schutz bietet die Bescheidenheit.