Leidenschaft Kino
Film und Kino in Südtirol: Das sind einerseits Geschichten, die ihre Anfänge vor rund 100 Jahren genommen haben – das erste Kino in Bozen gab es 1907 – und die, wie jede Kulturgeschichte, die Politik und Machtverhältnisse der Zeit wiedergeben; andererseits sind es Geschichten von Menschen aus nah und fern, die über Erinnerungen und Anekdoten ein sehr farbiges Bild vom Kino- und Filmgeschehen in Südtirol zeichnen. In Renate Mumelters neuem Buch „Cinema“, das in Zusammenarbeit mit Martin Kaufmann entstanden ist, sind beide Aspekte zu finden. Die Geschichtsschreibung des Südtiroler Kinos seit 1945, mit Ausflügen wo notwendig in die Zeit davor, aber auch eine Zusammenschau der Persönlichkeiten, die mit dem Kino zu tun haben, ehemalige und aktuelle Kinobetreiber, Kulturarbeiter im Umfeld des Films, Schauspieler, Regisseure, Produzenten die lokal und international tätig sind.
Ins-Kino-Gehen als Teil der Freizeitgestaltung
„Mir war vor allem wichtig, die sprachlichen Realitäten unseres Landes, also die deutsche und die italienische Filmkultur gleichermaßen zu beleuchten,“ betont die Autorin, die selbst eine Kinoleidenschaft pflegt, Filmkritiken schreibt und bei den Bozner Filmtagen mitorganisiert. Die italienische Kinowelt sei eine ganz andere als die deutsche. „Das italienische Kino war seit jeher nicht nur Unterhaltungs- sondern auch Bildungsträger vor allem für das Publikum aus der Stadt, es gehörte einfach dazu, dass man sonntags ins Kino ging und so auch den gesellschaftlichen Aspekt pflegte.“ Das deutsche Publikum habe sich erst allmählich geformt und im Kino seine Freizeitgestaltung gefunden. Ausgenommen die Autorenkinos des Filmclubs und des Cineforums, in diese Filme gingen seit jeher und gehen heute noch Filmliebhaber jeglicher Couleur.
Ein Buch über Film und Kino in Südtiroler zu schreiben sei länger schon als Idee im Raum gestanden, sagt Renate Mumelter. „Seit 2010 ist diese Idee dann auch gewachsen, mit einiger Zurückhaltung, denn ich habe bald gemerkt, was für eine Riesenarbeit das sein wird.“ Die Recherche gestaltete sich schwierig, weil kaum Aufzeichnungen zum Thema zu finden waren. „Vor allem die Forschung nach 1945 brachte kaum Ergebnisse, während die Zwischenkriegszeit recht gut dokumentiert ist." Das auch deshalb, weil das italienische Kulturassessorat vor allem unter Luigi Cigolla Publikationen des Filmgeschehens stark gefördert hatte und so die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg recht gut erforscht wurde. Autoren wie Paolo Caneppele seien für sie wertvolle Quellen gewesen, aber auch andere Personen, die sie im Lauf der Recherchen kennengelernt hat. „Von der Tochter des Ex-Corso-Betreibers, Carmen Bertolazzi, habe ich vieles erfahren, das mit dem italienischen Kino in Bozen zu tun hatte. Sie ist als Kind des Filmvorführers und Produzenten Walter Bertolazzi im Bozner Corso-Kino quasi großgeworden und hat die Tätigkeit des Vater sehr intensiv wahrgenommen“, erzählt Mumelter.
Kinoboom und Kinosterben
Bozen hatte einst 12 Kinosäle mit täglichen Filmvorführungen, aber auch in Brixen und Bruneck gab es reichlich Gelegenheiten, Filme im dunklen Saal zu sehen. Die Faszination für die bewegten Bilder sorgte auch in Südtirol bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts für die Einrichtung von sogenannten Theater-Kinematographen, doch der wirkliche Boom kam mit der Faschistenzeit, als auch in den Dörfern Kinosäle eröffnet wurden, zur ideologischen Belehrung der Bevölkerung.
Heute, so verzeichnet Renate Mumelter in ihrem Buch, gibt es 2 Kinos in Bozen und jeweils eines in Brixen, Bruneck, Kaltern, Meran und am Wochenende auch in Schlanders. Ein eigenes Kapitel im Buch ist den Landkinos gewidmet, von ihnen erzählen Martin Kaufmann, Ideator des Bozner Filmclubs, Hubert Prast vom Klobensteiner Kino oder Max Pörnbacher von seinem Kino in Sand in Taufers.
Sympathisch sind die eingestreuten Zitate von Persönlichkeiten aus Film und Cinema, in denen sie von ihren ersten Kinoerlebnissen berichten; aus ihnen wird ersichtlich, dass die Berufung zum Film nicht bei allen mit einem Erweckungserlebnis einherging, manchmal kam die Leidenschaft heimlich und leise an, und blieb. So wie bei Renate Mumelter. Sie hat mit dem Buch „Cinema“ eine längst fällige Lücke geschlossen, die zeigt welche Realitäten den Boden bereiteten für eine zunehmend aktivere Filmproduktionsszene in Südtirol, bzw. für die derzeitige Situation des Kinos selbst. Die Zukunft des Kinos sieht Mumelter allerdings wenig rosig: „Ich glaube, dass das Kino noch stärker als bisher zu einem reinen Event- und Unterhaltungsmedium werden wird und auch den Kulturfilm in den Kinos verdrängt.“ Schade wär's.
Das Buch „Cinema“ ist im Raetia Verlag erschienen und wird am 14. Dezember um 18 Uhr im Bozner Capitol Kino vorgestellt.