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Foto: gov.it
Politics | Regierungsbilanz

Ein Halbjahr an der Regierung

Die Regierung hat ein halbes Jahr hinter sich. Mit welchem Ergebnis ?
Die Bilanz des ersten Halbjahres der neuen Regierung weist Licht- und Schattenseiten auf. Sie ist alles andere als erfolgreich - durchaus verständlich bei zwei Parteien, die als politische Gegner zur Parlamentswahl angetreten waren und die sich nach wie vor nicht als Koalition bezeichnen, sondern sich an einem gemeinsamen Programm orientieren.  Die Ausgangslage hat sich in sechs Monaten entscheidend verändert - zu Gunsten der Lega, die ihren Regierungspartner mittlerweile in allen Umfragen deutlich überholt hat. Die Fünf-Sterne.Bewegung ist unter die 30 Prozent-Marke abgerutscht, was den Gründer Beppe Grillo zu einer besorgten Stellungnahme veranlasst: "Non sappiamo dove andiamo, cosa facciamo e cosa stiamo pensando."

Die Lega hat in dieser Hinsicht keine Probleme. Ihr Parteichef Matteo Salvini und sein Hardlinerkurs werden von der Basis und von den Parlamentariern geschlossen unterstützt. Ihr kommt auch  zugute, dass sie sich auf lange Regierungserfahrung stützen kann - schliesslich ist Salvini länger in der Politik als Berlusconi. Was beide trennt, sind autoritäre Gesetze wie das decreto sicurezza oder jenes zur Selbstverteidigung.  Was sie zusammenhält, ist ihre EU-Gegnerschaft und ihre Abneigung gegenüber der Wirtschaftsmacht Deutschland. Eine zweifelsohne positive Rolle spielt Regierungschef Giuseppe Conte, der sich als politisch unerfahrener Universitätsprofessor zu einem geschickten und im Ausland angesehenen Vermittler entwickelt hat und mittlerweile die Verhandlungen mit Brüssel alleine führt. Doch das EU-Ultimatum naht und der Druck auf Rom wächst.

Wirtschaftlich hat diese Regierung kaum Erfolge aufzuweisen - im Gegenteil. Schon ihr erstes,  von der Fünf-Sterne-Bewegung gewünschtes decreto dignità war ganz klar gegen die Unternehmer gerichtet, die immer wieder als "prenditori" verunglimpft wurden. Erstes negatives Ergebnis:  in den kommenden Monaten werden über 50.000 vorwiegend jüngere Leute ihren Arbeitplatz verlieren, weil die Unternehmer ihnen sonst nach Di Maios Dekret einen unbefristeten Arbeitsplatz anbieten müssten. In unserer Region werden es nach Schätzungen fast 3000 sein.

Das hat dazu geführt, dass die Unternehmer des Landes erstmals eine Protestkundgebung gegen die Regierung inszenierten. Die Lega hat umgehend eingelenkt und Salvini hat sich mit einer Delegation verschiedener Unternehmerverbände getroffen. Am heutigen Dienstag will Arbeitsminister Di Maio nachziehen -  mit der doppelten Zahl an Verbänden. Was beiden einen Erfolg erschwert, ist das mittlerweile sinkende Sozialprodukt und die auf über 10 Prozent gestiegene Arbeitslosenzahl. Und was in beiden Lagern die Nervosität steigert, ist die Tatsache, dass ihre beiden Kernanliegen viel Geld verschlingen und bis zur Realisierung erhebliche Zeit notwendig ist. Sowohl die von Salvini gesponserte Rentenreform als auch das von Di Maio gewünschte reddito di cittadinanza können voraussichtlich erst im Frühsommer nächsten Jahres realisiert werden. Beide Reformen sind der EU wegen ihrer hohen Kosten ein Dorn im Auge, ihre Durchführung erfordert erheblichen bürokratischen Aufwand wie beispielsweise einen Umbau der besonders im Süden ineffizienten centri d'impiego. Die Rentenreform der quota 100 (Arbeitszeit plus Lebensalter = 100) birgt zusätzliche Risiken. So könnten auf einen Schlag bis zu 10.000 Krankenhausärzte die Frührente beanspruchen und das ohnedies marode Sanitätswesen tiefer ins Chaos stürzen.

 

Regierungsparteien als Konkurrenten

 

Längst haben die beiden Regierungsparteien jene Unsitten angenommen, die sie bei ihren Vorgängern scharf kritisiert hatten - etwa das Stellen der Vertrauensfrage, um Parlamentsdebatten abzuwürgen. Oder die Bildung von  Kommissionen und Arbeitsgruppen, um das Plenum des Parlaments zu umgehen. Und in die berüchtigten "Omnibus-Gesetze" platzieren nunmehr auch M5S-Vertreter ohne Hemmungen unnötige Investitionen im heimatlichen Wahlkreis.  Die Live-Übertragung der Fraktionssitzungen im Internet ist eine ferne Erinnerung. Alle wichtigen Entscheidungen liegen in den Händen zweier Vizepremiers. Während die Lega als Bollwerk erscheint, muss sich die weit weniger homogene Fünf-Sterne-Bewegung um ihre Einheit sorgen. Rund 15 Parlamentarier liebäugeln mit einem Parteiwechsel, der Abgeordnete Matteo Dell'Osso ist letzthin bereits zu Forza Italia abgewandert.

Beide Parteien müssen sich zudem um Verbündete für die bevorstehenden Europawahlen bemühen. Auch hier hat die Lega leichteres Spiel, denn von Le Pens Front National bis zu  Straches FPÖ verfügt sie bereits über Allierte im rechten Lager. Die Fünf-Sterne-Bewegung hat in Brüssel bereits mehrere Abgeordnete verloren und ihr britischer Partner UKIP will nicht mehr kandidieren.

Was die Arbeit erschwert, ist der Umstand, dass beide Regierungsparteien in einem steten Konkurrenzverhältnis agieren - keiner will vom anderen übertrumpft werden, keiner bei wichtigen Entscheidungen als Verlierer dastehen.

Aktionismus ist Trumpf - ein Musterbeispiel dafür ist die heutige Reise des Innenministers nach Israel. Wie lange dieses Konkurrenzverhältnis dauern kann, bleibt offen. Salvini kümmert sich nicht um die Grenzen seines Ressorts - etwa beim Vorschlag eines Referendums über die Tav-Hochgeschwindigkeitsstrecke. Die bisherigen Erfolge beziehen sich ausschliesslich auf die law and order- Politik gegenüber  Immigration und Kriminalität.

Doch der Druck auf die Regierungsparteien wächst: Um der EU-Forderung nach Kürzung des Haushalts um 12 Milliarden nachzukommen, bleiben nur noch zwei Tage. Für Conte die bisher schwierigste Bewährungsprobe.