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Novosibirsk-Bozen, einfache Fahrt

Die sibirische Forscherin Elena Botoeva beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz. Ihren russischen Lebensgefährten hat sie an der Uni Bozen kennengelernt.

Ulan Bator kennt man gerade noch. Aber Ulan Ude? Für die Wissenslücke zeigt Elena Botoeva mit einem nachsichtigen Lächeln Verständnis: "Es ist keine bedeutende Stadt, die man kennen muß." Die russische Teilrepublik Burjatien im Südosten Sibiriens ist größer als Italien und hat gerade mal 972.000 Einwohner, von denen fast die Hälfte in der Hauptstadt leben. Eine davon ist Elena, vor 29 Jahren in Ulan Ude geboren. Auf dem Hauptplatz steht die nach Guiness-Buch größte Leninbüste der Welt. Der 1600 Meter tiefe Baikalsee liegt in unmittelbarer Nachbarschaft. Elena spricht Russisch, Englisch, Italienisch, Deutsch und Spanisch, aber nicht burjatisch. "Mein Vater hat lange in Kasachstan gelebt , in den Schulen wird das dem Mogolischen verwandte Idiom mit wenigen Ausnahmen nicht unterrichtet". Ein Drittel der Teilrepublik  sind Burjaten. "Die auf der Ostseite des Baikalsees sind buddhistische Nomaden, die ihre Identität besser verteidigt haben. Jene im Westen des riesigen Sees orientieren sich an uralten schamanischen Traditionen", versichert Elena. Sie verehren Mutter Erde und Vater Himmel, pflegen eine Naturreligion, die jener der amerikanischen Indianer ähnelt.

Im Winter minus 35 Grad

Die Sommer sind in Ulan Ude warm, die Winter bitter kalt: "Bei meinem letzten Besuch zum Jahresende 2013 lag die Temperatur tagelang bei  Minus 35 Grad und als sie auf Minus 20 anstieg, waren alle glücklich
und gingen im Freien spazieren", erzählt Elena. In der Schule erwies sie sich als ausgezeichnete Mathematikerin. Eine Spitzenleistung bei der Schülerolympiade  brachte ihr einen Studienplatz an der Universität Novosibirsk ein - an dem von der russischen Akademie der Wissenschaften betreuten Institut für Informatik und Technologie. Hier wurde vor sieben Jahren für Elena Botoeva ein kleines Wunder wahr. Auf derAnschlagtafel entdeckte sie die Ausschreibung eines Stipendiums für ein Masterprogramm an der Universität Bozen. "Der Name Bolzano war mir nur vom mathematischen Theorem Bolzano-Weierstraß geläufig, aber mit der Stadt hatte das natürlich nichts zu tun" schmunzelt die Informatikerin. Also machte sie sich auf die weite Reise von Nowosibirsk nach Bozen - und gewann auf Anhieb das Stipendium.


 

Der Traum von Europa

"Ich war überglücklich", schildert Elena ihre Gefühle: "Ich habe immer von Europa geträumt, wollte ursprünglich nach Deutschland. Es war die Erfüllung eines Traums. Ich habe  oberhalb des Filmclubs in der Streitergasse gewohnt, vom Balkon sah man die Dolomiten. Die Stadt war gepflegt, sauber und ordentlich. Ein Paradies im Vergleich zu Novosibirsk." Im Vorjahr hat Elena an der Uni Bozen promoviert.
Titel ihrer Dissertation: "Description Logic Knowledge Base Exchange." Am Informatik-Institut der Uni beschäftigt sich die nunmehrige Forscherin in einer internationalen Projektgruppe  mit künstlicher Intelligenz:  "Unser  Ziel ist es, einen Roboter für medizinische Diagnosen zu entwickeln, der selbständig arbeitet und in der Lage ist, Symptome zu analysieren."

"Ich möchte in Tiers oder Villnöß leben"

In Bozen fühlt sie sich mittlerweile "fast zuhause", auch wenn man sie zuweilen auf Chinesisch grüßt. "Ich würde liebend gerne im Tierser Tal oder in Villnöß leben. Wegen des herrlichen Ausblicks," gesteht sie. Das dürfte ihr zumindest vorerst kaum vergönnt sein. Denn wenn ihr Forschungsauftrag endet, muß sie sich
nach einem neuen Arbeitspatz umsehen. "Hier sind die Fixplätze besetzt und für eine Professur bin ich noch zu jung. Die Universität drängt uns zudem, im Ausland weitere Erfahrungen zu sammeln", gesteht sie mit ein bißchen Wehmut." Elena, die gerne fotografiert, Tango tanzt und  auf ihren wöchentlichen Yoga-Abend nicht verzichten möchte,  wohnt mit ihrem russischen Lebensgefährten zusammen, der aus Baschkirien westlich des Ural stammt. Wo sie den kennengelernt hat?  Am Informatik-Institut der Freien Universität Bozen.

Baikalsee