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Neues aus der Welt

An der Seite von Tom Hanks begibt sich die junge Deutsche Helena Zengel auf eine Reise durch die wilden Landschaften von Texas.
Neues aus der Welt
Foto: Netflix

Das Land ist gespalten. Der Süden will an der Sklaverei festhalten, und an den konservativen Werten sowieso. Die Indianer stören, ebenso die Mexikaner und die Schwarzen. Wer nicht versklavt wird, soll möglichst ausgerottet werden. Ach ja, die glorreichen Zeiten des Wilden Westens, wer vermisst sie nicht? Die Menschen sind frustriert, man hetzt und hetzt sich gegeneinander auf, man streitet und sehnt sich doch gleichzeitig, oder gerade deshalb, nach Ablenkung. Nach etwas, das die eigenen Sorgen vergessen lässt. Gut, dass es Menschen wie Captain Jefferson Kyle Kidd gibt, einen „Nachrichtenmann“, wie ihn die Leute nennen. Er zieht von Stadt zu Stadt, quer durch den amerikanischen Süden, und er liest den Menschen aus der Zeitung vor. Was passiert gerade in Dallas, welche Dramen spielen sich hinter dem Horizont ab?

Tom Hanks ist der Captain, und auf seinem Weg durch Texas trifft er auf das Mädchen Johanna, dessen Eltern ermordet wurden, und die eine Weile mit dem Indianerstamm der Kiowa gelebt hat, ihre Sprache und Traditionen erlernt hat. Ihre Muttersprache, wohl Deutsch, hat sie größtenteils verlernt, Englisch, die einzige Sprache, der Captain Kidd voll mächtig ist, kann sie gar nicht. Der Captain entschließt sich, Johanna zu ihren nächsten Verwandten zu bringen. Damit nimmt er eine lange Reise auf sich. Rund 400 Meilen Landmasse liegen vor dem ungleichen Paar. Und die Gefahren des Wilden Westens lassen nicht lange auf sich warten. Banditen, Indianer, der rechtskonservative Mob, und nicht zuletzt, die Natur selbst, die mit Sandstürmen und Regen aufwartet.

Regisseur Paul Greengrass inszeniert die Romanverfilmung nach dem gleichnamigen Werk der Autorin Paulette Jiles mit ruhiger Hand, dabei aber wenig einfallsreich in der Regiearbeit. Elegische Aufnahmen der texanischen Landschaften, die verschwindend geringe Präsenz zweier Menschen, die auf einer Kutsche über einsame Straßen fahren, die Spannung angesichts drohender Gefahr, und die Schüsse, die begleitet von einem weiten Echo von kargen Felswänden hallen. Atmosphäre ist eine große Stärke des Films, der seit einiger Zeit im Programm von Netflix läuft. Die, und die Chemie zwischen den beiden Hauptdarsteller*innen, macht den Reiz von „Neues aus der Welt“ aus. Helene Zengel, als Johanna zu sehen, kennt man in erster Linie aus dem deutschen Drama „Systemsprenger“, wo sie sehr überzeugend bewiesen hat, dass sie die Rolle der außer Kontrolle geratenen Göre recht gut beherrscht. Nun wurde sie für die Rolle der Johanna nicht ohne Grund ausgewählt. Denn auch die hat mit Wutausbrüchen zu kämpfen, jedoch aus anderen Gründen als noch in „Systemsprenger“. Hier haben wir es mit einem Kind zu tun, das völlig entwurzelt ist. Die Familie ist tot, die Ersatzfamilie, nämlich die Indianer, fort, und nur ein fremder Mann fährt sie durch die Einsamkeit der Prärie. Zwischen den beiden entsteht trotz der sprachlichen Barriere, so etwas wie eine Vater-Tochter-Beziehung, und deren kleine Nuancen sind es, die Zengel den Raum geben zu zeigen, dass das laute Geschrei nicht das Einzige ist, was die junge Darstellerin beherrscht.

 

News of the World - Official Trailer

 

Abseits der Zweisamkeit der beiden Figuren ist vor allem die Darstellung der Welt, durch die sie sich bewegen, von großer Brisanz. Die Gespräche, die man in den kleinen, staubigen Westernstädten am Straßenrand hört, oder in den Saloons, die sich entfalten, nachdem Kidd seine Nachrichten verlesen hat, die erinnern nicht selten an die heutige Zeit, vor allem aber an das heutige Amerika. Ein gespaltenes Land, voll Fremdenhass, sozialer Missstände, Ungerechtigkeit, zunehmender Macht erzkonservativer Kräfte… Es scheint fast so, als hätte sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nicht viel getan. Oder vielleicht hat sich etwas getan, und nun ist die Menschheit dabei, wieder einen Schritt zurück zu machen. Zurück, zurück, zurück, und irgendwann erwachen wir in einer Zivilisation, die der einer von Moral befreiten Western-Welt nicht unähnlich ist, und wir verabscheuen alles, was nicht so denkt, wie wir, und wir verabscheuen auch unser Leben, und wir hoffen, dass jemand kommt, aus der Zeitung vorliest und von Problemen erzählt, die nicht die unseren sind, die weit weg sind, weit weg, wo sie uns selbst nicht betreffen. Dann wären wir wie die Menschen in diesem Film, die gerne von dem hören, was sie selbst nicht sind, aber wütend werden, wenn sie hören, was sie sind.