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Ahrntal: Energiegenossenschaft zieht sich von Ahrstufe 4 zurück

Wie realistisch ist das Ziel, möglichst viele BürgerInnen über Genossenschaften an vergünstigen Strom kommen zu lassen? Eine Antwort am Beispiel Ahrntal.

Die Entscheidung wird bereits seit Wochen erwartet: Mitte Februar hatte Josef Steinhauser von der privaten Gesellschaft Ahr Energie einen Rekurs zur Ablehnung des Konzessionsansuchens für die sogenannte Ahrstufe 4 eingereicht; seit mehr als einem Monat steht er nun auf der Tagesordnung der Landesregierung. Ein weiterer Brennpunkt der landesweiten Streits um Stromkonzessionen, in der die Front vor allem zwischen der Genossenschaft des Tals und Privaten verläuft.  Genauer gesagt, zwischen der Ahrntaler E-Werk-Genossenschaft, die nur einen Teil des Tals mit Strom versorgen kann und deshalb seit mehr als zehn Jahren versucht, mit einer weiteren Ableitung zu mehr Strom zu kommen., und der privaten Ahr Energie.

Die hatte dem Genossenschaftsprojekt insgesamt zwei Konkurrenzprojekte entgegengesetzt – eines davon ursprünglich über den Direktor des Südtiroler Energieverbandes Rudi Rienzner, der es nach heftiger Kritik an Ahr-Energie-Gesellschafter Josef Steinhauser weiterreichte. Genau dieses umstrittene und mit einer Jahresproduktion von 19 Millionen Kilowattstunden größte Projekt wurde schließlich nach langen Streitereien zwischen Gemeinde, den Privaten, der Genossenschaft und dem im Zuge der Diskussion gegründetem Ahrntaler Bürgerkomitee eingereicht. Damit diese Einigung erreicht und alle kleineren Projekte zurückgezogen wurden, warf sich die Gemeinde bzw. ihr Bürgermeister Helmut Klammer ins Zeug: Um den Verteilungsschlüssel (53 Prozent Genossenschaft, 40 Prozent Ahr Energie und sieben Prozent ein privater Besitzer von Wasserrechten) hinzubekommen, war die finanzschwache Gemeinde bereit, sogar ihre eigene Beteiligung an einer geplanten Stromproduktion am Hollenzbach abzutreten.

Explodierende Kosten

Doch zumindest bislang waren alle diese Bemühungen für die sprichwörtliche Katz. Das Projekt, dessen Auslaufstrecke mitten durch das Dorf verläuft, wurde von der UVP-Dienststellenkonferenz abgelehnt. Noch bevor die Landesregierung nun entscheidet, ob sie sich in der Causa gegen ihre eigenen Ämter stellt, ist aber bereits klar, dass die AhrntalerInnen auch in dem Fall nicht zu günstigerem Strom kommen werden. Denn wie auch ein Schreiben der Genossenschaft an Bürgermeister Klammer vom vergangenen März belegt, sind die Bedingungen dafür keineswegs gegeben. Einer der Hauptgründe? Die Kosten der Netzübernahme. Um die Versorgung im Gemeindegebiet auszuweiten, müsste die Stromverteilung von der SelNet übernommen worden. Die dabei entstehenden Gesamtkosten werden aber bei der Genossenschaft auf bis zu sieben Millionen Euro geschätzt - und sind „sicher nicht tragbar“, wie es im Schreiben heißt. Darüber hinaus, ist das Projekt „Oberhollenze“ mittlerweile gestorben. Das heißt , die von der Gemeinde abgetretene zusätzliche Strommenge von 1,2 Millionen Kilowattstunden entfällt ebenfalls. Und: Auch darüber hinaus ist klar geworden, dass das Projekt weit kostenintensiver würde als es zum Zeitpunkt der Einigung schien – unter anderem durch die Notwendigkeit einer Stollenlösung für einen Großteil der bereits stark verbauten Strecke.  

Eine Ausweitung der Verteilung ist in absehbarer Zeit sicher nicht möglich

Die Conclusio? „Eine Ausweitung der Verteilung ist in absehbarer Zeit sicher nicht möglich“, wie es von Seiten der Energiegenossenschaft heißt. Auch weil die Bemühungen gescheitert seien, die verschlechterten Bedingungen  durch eine Abtretung eines Teils der Quoten der Ahr Energie und des weiteren privaten Projektwerbers an die Genossenschaft auszugleichen.

Sprich: Selbst wenn die Landesregierung das Projekt doch genehmigen sollte, können nicht mehr Haushalte im Ahrntal beliefert werden. Denn, wie es in den Schreiben heißt: „Eine solche Ausweitung kommt nur in Frage, wenn unsere Mitglieder dabei keinerlei Nachteile in Kauf nehmen müssen bzw. es ohne Strompreiserhöhung möglich wäre.“ Dies wäre aber im konkreten Fall sicher nicht gegeben. Gemäß einer 2013 mit der Gemeinde geschlossenen Grundsatzvereinbarung wird in diesem Fall ein Großteil der Genossenschaftsquote an der  Ahrstufe 4 an die Gemeinde übertragen. Sprich: Die Genossenschaft zieht sich in weiten Teilen vom Projekt zurück und hält nur mehr etwa 13 Prozent daran; statt dessen würde bei Genehmigung die Gemeinde zu gleichen Teilen mit der Ahr Energie mitnaschen – oder, so wie die Bedingungen derzeit scheinen, mitzahlen.

Wie realistisch ist das Ziel, möglichst viele BürgerInnen über Genossenschaften an vergünstigten Strom kommen zu lassen? Die Antwort im Fall Ahrntal ist klar. Ob die Landesregierung daran etwas ändern kann? Die kommenden Monate werden es zeigen.  

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Sebastian Felderer Tue, 05/13/2014 - 06:35

Es ist schon lange klar, dass den Knackpunkt in der Stromproduktion die Verteilung darstellt. Nur beides in einer Hand oder eine ausgewogene Kooperation kann eine vernünftige Lösung darstellen. Bin nicht so im Bilde bei der Stromgeschichte an der Ahr. Doch bei der Ahrstufe 4 ist wohl die Beteiligungstaktik der wunde Punkt. Da werden alle Beteiligten solange gegeneinander ausgespielt, bis der Stärkere im Vorteil ist. Ein Wettbewerb unter mehreren Projekten wäre wohl die bessere Lösung. Kann die Landesregierung den Bürgern zu billigerem Strom verhelfen? Hat sie ja bisher getan, indem sie der SEL die Konzessionen zugesprochen hat, im nachweislich fairen Wettbewerb wohlgemerkt! Und die SEL glänzt doch durch Billigangebote, speziell für den Normalbürger, oder? Dafür sorgt schon die SELnet, dass die Möglichkeit der Strompreisreduzierung nicht zu luxuriös ausfällt. Da wird noch viel Wasser der Ahr entlang fließen, bis unser Strom billiger wird. Dazu ist das Stromgeschäft gerade wegen der Verteilung zu spannungsgeladen.

Tue, 05/13/2014 - 06:35 Permalink