Society | Bürgerschreck

„An mir kommen’s nicht vorbei“

Hans Söllner in Mals. Der Tourneeabstecher des bayrischen Reggaemans war ein Aufruf zur Aktion und wenn man will, auch ein Wahlaufruf, mitten im Paradies-Festival.

In Mals war einiges los am Wochenende. Viel Musik und Kultur beim Paradies-Festival und eine mit besonderer Spannung erwartete Gemeindewahl, die der umstrittene Bürgermeister Ulrich Veith souverän für sich entscheiden hat können. Wer weiß, ob die kämpferischen Ansagen des bayrischen Musikrevoluzzers Hans Söllner nicht auch einen Teil dazu beigetragen haben. Denn Söllner kam – nach einem Konzert beim Hanfwandertag in Wien – mit Frau und Kindern nach Mals angereist, um dort beim zweitägigen Musik- und Kultur-Festival seinen Beitrag zu leisten. „Ja, klar komm ich her und unterstütze die Malser,“ sagte er vor seinem Auftritt am Samstag Nachmittag im Schulzentrum, „ich verfolg‘ die Geschichte mit den Pestiziden schon eine ganze Weile, bin zwar nicht im Detail informiert, aber mir gefällt, wie sich hier eine Gemeinde gegen die Landespolitiker auflehnt und deswegen mach ich hier mit.“

"Ich will einfach nur artgerecht gehalten werden!"

Wer den mittlerweile 60-jährigen Rastaman aus Bad Reichenhall ein wenig kennt, weiß, dass Söllner seine Konzerte gerne als Arena für politische Appelle nutzt: für die Legalisierung von Cannabis, gegen Bienensterben und Monokulturen, gegen TTIP, Monsanto und Bayer, gegen die CSU und die Willkür politisch-behördlicher Autoritäten schlechthin. Eine lange Liste von Widrigkeiten, die etwas beliebig scheint, doch Söllner bezieht seine Kraft genau daraus: aus dem Dagegen-Sein. „Ein bisserl Widerstand geht immer“, lautet seine Devise und er grinst, wenn er das sagt. „Ich lass mir den Mund nicht verbieten, und ich weiß auch, dass ich das stellvertretend für jene mach‘, die das eben nicht so gut können, sich auflehnen und denen da oben die Meinung sagen. Ich werd‘ auch nicht müde zu sagen, wie ich leben möchte, ich will einfach nur artgerecht gehalten werden, denn nur dann kann ich auch andere artgerecht halten, meine Kühe, meine Schweine, das ist mein Plan. Da gehört dazu, dass ich weiß, was ich esse, ich mag nicht mehr fragen müssen, ist das jetzt Bio? Dafür kämpf‘ ich, aber auf meine Art, ich geh‘ ja nicht mit Steinen los oder zünde irgendwas an, aber ich sage ihnen, dass sie mich am Arsch lecken können.“ Letzeres sagt er oft und deutlich, auch auf der Bühne am Malser Open Air.

Ehrenbeleidigungen, Hausdurchsuchungen, Razzien im Verlag, alles, weil Söllner sagt, was er denkt.

Söllner ist gewiss keiner, der sich versteckt, im Gegenteil, er provoziert mit seinen Liedtexten, Briefen und öffentlichen Aussagen, bis wieder eine Klage ins Haus flattert. Doch das passiert nicht mehr so häufig wie früher. „Zur Zeit ist es mal recht ruhig,“ meint er diesbezüglich, „und das ist auch einmal gut.“ Die ersten Ermittlungsverfahren gegen ihn gab es wegen Beleidigung der CSU-Politiker Gauweiler, Strauß und Stoiber in den 1980er Jahren; es folgten Strafbescheide wegen Ehrenbeleidigung, Haus- und Tourbus-Durchsuchungen wegen Marihuana-Besitzes und Razzien bei Trikont, seinem Verlag. Nicht immer blieb Söllner dabei ungeschoren: Auf etwa 300.000 Euro summieren sich die Strafgelder, die der Liedermacher wegen ungebührlicher Liedtexte zahlen musste, dafür hat er sogar sein Elternhaus verkaufen müssen. Doch Söllner bereut das genausowenig, wie seinen Hang zum verbalen Hinlangen.

"Scheiß auf einen schönen Apfel - Ich will einen gesunden!"

Für die Malser hat er ebenfalls einen Ratschlag: „Wenn ich in dieser Gegend wohnen würde, dann tät‘ ich ganz rigoros mit meinen Leuten mobil machen und kein gespritztes Obst und Gemüse mehr kaufen. Ich würde ab Hof kaufen, mir die Biolandwirte hier anschauen, das machen wir in Bayern ja auch nicht anders. Wir holen unsere Kartoffeln und das Gemüse doch auch bei dem einen oder anderen Hof und fahren halt auch ein Stückweit dafür. Äpfel haben wir selber im Garten, auch Zwiebeln und Karotten. Du kannst es nur übers Geld kaputt machen, in dem Moment, wo du ihnen die Lebensgrundlage entziehst, müssen sie einlenken. Scheiß auf einen schönen Apfel – ich will einen gesunden!“

Das sind die Botschaften, die Hans Söllner, der Rebell und Rasta (mittlerweile ohne Dreadlocks) dem Malser Festivalpublikum mitgibt, und diese nehmen‘s dankbar mit. Noch dankbarer aber sind die Fans, wenn Söllner seinen „Voda mit Marihuanabam“ erklingen lässt oder den „Hey Staat“-Song. Und „der Hons“ ringt dem Publikum zum Schluss ein Versprechen ab: dass alle, wirklich alle, für ein ganzes Jahr lang darauf verzichten, Hühnchen zu essen, wegen der Tierquälerei. So könnte man, könnte jeder einzelne ganz viel erreichen, deswegen: „Bittschön, kauft's keine Hendln mehr!“

Fotos: Martin Ruepp, Paradies Festival Obervinschgau