Flashmob mit Zaungast
Den Aufstand von Südtirols Kindergärtnerinnen erleben die zuständigen Fachgewerkschaften vorerst als Zaungäste mit. An der Seite der Demonstrantinnen, die am gestrigen Mittwch auf dem Platz vor dem Landtag bei einem Flashmob Protestlieder sangen, fehlten die Vertreter von ASGB, AGB, GS und SGB/CISL. Oder besser gesagt: Sie waren zugegen, aber nicht auf Einladung der rebellierenden Kindergärtnerinnen, sondern als Beobachter.
War also der Flashmob von hunderten Kindergärtnerinnen, die in der Facebook-Gruppe „Kindergarten aktuell Südtirol“ (KaS) zusammengefunden haben, nicht nur ein Protestsignal an die Adresse der Landesregierung, sondern im Grunde auch eine Alarmglocke in Richtung Gewerkschaften? Spiegeln die von ASGB, AGB, GS und SGB/CISL vertretenen Positionen das wider, was die Basis wirklich will? Es geht um neue Stellen, es geht um eine realistische und gerechte Arbeitszeitregelung für die Kindergärtnerinnen, die sich überfordert fühlen und bis heute keinen Arbeitsvertrag haben. Die Arbeitszeit soll durch ein Übergangsvertrag geregelt werden, mit dem bisherigen Verhandlungsergebnis sind die rebellierenden Kindergärtnerinnen aber überhaupt nicht einverstanden.
„Wir haben im Februar landesweit Versammlungen abgehalten und uns ein Mandat der Kindergärtnerinnen für die Aushandlung eines Übergangsvertrages geholt. Die Alternative wäre gewesen, dass die Gewerkschaften sofort in die Verhandlungen zum Bereichsvertrag für die Kindergärtnerinnen gehen. Das wäre aber ein langer Prozess geworden. Daher gab es eine große Mehrheit für die Übergangsregelung. Mindestens 80 Prozent haben für diese Lösung gestimmt“, berichtet Karin Wellenzohn vom ASGB, der in den Verhandlungen mit dem Land die Mehrheit der deutschsprachigen Kindergärtnerinnen vertritt.
Mit dem Arbeitgeber Land wurde bisher vereinbart, dass die „Arbeit am Kind“ auf 33 Stunden die Woche reduziert wird und für die restlichen Aufgaben der Kindergärtnerinnen (Dokumentation, Teamsitzungen, Elternarbeit, Reinigung nach Ende des Kindergartenjahres und Vorbereitungsarbeit vor Beginn des Kindergartenjahres) fünf Stunden die Woche übrig bleiben. Dies, um die derzeitige Wochenarbeitszeit von 41,5 Stunden der Kindergärtnerinnen den 38 Wochenstunden des Landespersonals anzugleichen. In der KaS-Facebook-Gruppe gibt eine Kindergärtnerin zu bedenken: „Die 180 Stunden (im Jahr, Anm. der Red.) sind vorgesehen für Vorbereitung, Reflexion, Dokumentation, Teamgespräche, Sitzungen, Elternarbeit, Fortbildungen usw. Zudem ist in diesen 180 Stunden die Vorbereitungswoche und die Putzwoche enthalten. Sind diese beiden Wochen abgezogen und die 30 Stunden für Fortbildungen, bleiben noch 80 Stunden (!!!!) für den Rest. 80 Stunden geteilt durch 35 Wochen, da bleiben 2,2 Stunden die Woche übrig.“ Und das soll reichen?, lautet die daran anschließende Frage.
Es sei zugegebenermaßen ein erster kleiner Schritt, nicht mehr, sagt Wellenzohn.„Weitere Schritte müssen folgen“, erklärt sie und meint in erster Linie das Bereichsabkommen. „Es ist einfach eine Tatsache, dass die heutige Landesregierung das ausbaden muss, was von ihren Vorgängern versäumt wurde. Vor zehn Jahren gab es diesen Aufwärtstrend bei den Einschreibungen noch nicht, und es ist nicht vorgebaut worden.“ Ihre persönliche Empfehlung an die Kindergärtnerinnen: Dokumentationsarbeit und Teamsitzungen so weit wie möglich reduzieren, „wobei natürlich all jene Aufgaben zu erledigen sind, die es zur Funktionsfähigkeit eines Kindergartens braucht.“
Der Übergangsvertrag ist noch nicht ausverhandelt. Derzeit organisieren die Gewerkschaften eine weitere Versammlungsrunde, um der Basis die Vereinbarung zur Genehmigung vorzulegen. Die KaS-Grupe ihrerseits hat am vergangenen Montag im Hotel Sheraton in Bozen ihre eigene Versammlung abgehalten, ohne die Gewerkschaften dazu einzuladen. Wellenzohn und zwei Vertreterinnen des AGB/CGIL waren trotzdem dabei – wieder in der Rolle des Beobachters.
Das Problem, dass die Gewerkschaften in der gegenwärtigen Situatin sehen, ist schnell beschrieben: Sie müssen mit einem Mandat in die Verhandlungen mit dem Land gehen, und was die KAS-Gruppe fordert, stellt offiziell kein Mandat dar. „Gerade die, die man bei den Gewerkschaftsverhandlungen selten sieht, erheben nachher die lautesten Stimmen“, merkt sie kritisch an. „Wir Gewerkschaftsvertreter haben unsere Aufgabe ernst genommen. Die KAS-Gruppe kann uns nicht verbieten, im Namen der Kindergärtnerinnen zu verhandeln.“ Andererseits, räumt Wellenzohn ein,„müssen Zweifel in der Diskussion Platz haben. Deshalb sage ich: Wenn wir gebraucht werden, stehen wir diesen Kindergärtnerinnen zur Verfügung.“