Culture | Altstadt Theater

Geiselnahme gegen Einsamkeit

Frau Meier wird zur Straftäterin, um einen Mann in ihr Leben zu bringen. „Meier Müller Schulz“ von Marc Becker ist ein lustiges, aber auch gesellschaftskritisches Stück.
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Foto: Theater in der Altstadt
Das Stück beginnt mit heftigem Atmen. Frau Meier (Sabine Ladurner) und Herr Schulz (Stefan Marcello) befinden sich in einer Ausnahmesituation, soeben hat sie den Lehrer und Vater entführt, ihm eine Stofftasche über den Kopf gestülpt und ihm die Hände gefesselt. Jetzt atmen sie beide heftig, Schulz vor Angst – Meier vor Aufregung.
Frau Meier lebt in einer niedlichen, kleinen, engen Wohnung. Auf der Bühne (Ausstattung: Sara Burchia, Bühnenbau: Robert Reinstadler) ist ihr Reich klar abgegrenzt. Der vollgestopfte, bunte Wohnraum im Stil vergangener Jahre ist von schiefen Deckenbalken und einem Türrahmen mit Klingel umrahmt. Voller Stolz und Überzeugung brüllt Frau Meier ihre Geisel an, bedroht sie mit einer großen Küchengabel und freut sich insgeheim, endlich nicht mehr einsam zu sein. Herr Schulz ist indessen so verängstigt, dass er sich in die Hosen macht.
Seine Entführerin scheint es nicht darauf abgesehen zu haben, an Geld zu kommen und will ihn stattdessen mit Käsebrot füttern. Wenig später klingelt Frau Müller (Brigitte Knapp) erneut an der Tür, obwohl sie normalerweise nie an der Tür klingelt. Sichtlich darum bemüht ihren Ärger zu überspielen, öffnet die alleinstehende Entführerin ihre Wohnungstür. In „Meier Müller Schulz“ entwickelt sich eine absurde Dreiecksbeziehung, die gleichzeitig lebensnahe wirkt.
 
 
Unter der Regie von Dietmar Gamper widmen sich die Schauspieler:innen einem in westlichen Ländern vorherrschenden, gesellschaftlichen Massenphänomen: Sowohl die strenge Frau Meier als auch die überdrehte Frau Müller haben ihr Single-Dasein und die Stunden alleine satt. Herr Schulz hingegen entdeckt an seiner Geiselhaft angenehme Vorzüge und entwickelt sich zu einem gutherzigen Butler mit Fußfessel.
Das Stück des deutschen Autors und Theaterregisseurs Marc Becker liefert leichte und gelungene Unterhaltung, ohne in Gefühlsbädern zu schwelgen. Die Wut der Beteiligten schwindet, sobald Meinungsverschiedenheiten das Dreiecksgefüge zu zerstören drohen. Aus Furcht vor Einsamkeit und Langeweile wird nach Kompromissen gesucht. Gegen Ende des Stücks verschwimmen Realität und Phantasie und Frau Meier verliert zunehmend die Fähigkeit, ihr eigenes Handeln zu reflektieren.
Die stark geschminkten Gesichter der beiden Frauen (Maske: Ariane Menz), das Hintergrundrauschen von Radio und Fernsehen (Licht & Ton: Gregor Marini) und das etwas überladene Bühnenbild überfallen das Publikum mit Bravour. Der daraus sprühende Überdruss am Status quo parodiert gesellschaftliche Zustände, ohne zu moralisieren.