Politics | Fischerei

Gekaufte Saiblinge

Fischerei-Skandal, Folge 2: Die Landesfischzucht sollte autochthone Seesaiblinge züchten. Jetzt kam heraus, dass Peter Gasser die Fische in Belluno zugekauft hat.

Das ist eine Riesensauerei, wenn es jetzt nicht klare Konsequenzen gibt, dann können wir gleich einpacken“, ärgert sich der Präsident eines Südtiroler Fischereivereins. Der Mann steht beileibe nicht allein da. Ein prominenter Südtiroler Fischer assistiert: „Man verkauft uns hier anscheinend für blöd“.
Luigi Spagnolli kennt die explosive Stimmung. Der neue Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei versucht deshalb nicht noch zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen: „Mein Amt und ich haben umgehend reagiert, als wir von diese Sachlage in Kenntnis gesetzt wurden“, sagt er zu salto.bz. Spagnolli ist kategorisch: „In Zukunft wird es diese Vorgänge ganz sicher nicht mehr geben.“
In einem offiziellen Schreiben vom 1. Juli 2016, das an den Landesfischereiverband, dessen italienisches Pedant FIPSAS und an die Südtiroler Fischbewirtschafter ging, hat Luigi Spagnolli einen Vorfall öffentlich gemacht, der ein handfester Skandal ist. Das Schreiben ging zu Kenntnis auch an Arnold Schulers Ressortdirektor Klaus Unterweger, den Direktor des Amtes für Domänenverwaltung Paul Profanter, den Direktor der Gutsverwaltung Günther Pertoll und auch an den Mann, der im Mittelpunkt der unbegreiflichen Vorgänge steht: Peter Gasser, Direktor der Landesfischzucht.
Peter Gasser, der erst vor wenigen Monaten im Zentrum des Skandals um die Aufzucht der marmorierten Forelle stand, will wie bereits damals, von einem Skandal nichts wissen. „Es geht nicht um die Fische, sondern hier will jemand an meinem Stuhl sägen“, sagt der Direktor der Landesfischereizucht, „und da ist jeder Vorwand gut genug“.

Peter Gasser mit Landesrat Arnold Schuler: "Es geht nicht um die Fische, sondern hier will jemand an meinem Stuhl sägen"
 

Der Seesaibling

Der Seesaibling (Salvelinus alpinus) ist eine besondere Fischart, die in Südtirol ausschließlich in Hochgebirgsseen vorkommt. Abstammend von den Saiblingen, die es auf der gesamten Nordhalbkugel gibt, lebt der Fisch in einem besonders kargen hochalpinen Lebensraum. In den Südtiroler Bergseen zwischen 1700 und 2500 Meter Meereshöhe lebt der Seesaibling absolut autochthon. In Wassertemperaturen, die kaum höher als 4 Grad sind, bei nur 40 Sonnentagen im Jahr und unter Bedingungen, in denen die meisten Fische kaum überleben können, gedeiht der Seesaibling überaus gut. Es gibt weder Fortpflanzungsprobleme noch ist der Bestand in Gefahr.
Der Seesaibling wird zwischen 40 und 70 Zentimeter lang. Doch unter diesen widrigen Bedingungen bleiben die Fische meistens eher kleiner. Weil in der europäischen Fischertradition aber immer noch die Größe eines Fisches zum wichtigsten Attribut zählt, hat man in Südtirol ein besonderes Aufzuchtprogramm in der Landesfischzucht eingeleitet.

Das Projekt

Die Landesfischzucht bei Meran untersucht die heimischen Fischbestände und entwickelt Methoden, um die Marmorierte Forelle, die Äsche, den Seesaibling sowie die See- und die Bachforelle zu vermehren, aufzuziehen und der Natur zurückzugeben“, heißt es im „Laimburg Report“ 2015.
Seit rund fünf Jahren arbeitet man am Projekt der Aufzucht der Seesaiblinge. Ziel war es, autochthone Saiblinge aus den Bergseen des Landes zu holen, sie in der Landesfischzucht zu vermehren und dann damit wieder die Seen mit den Fischen zu besetzen.
Genau das hat man seit 2013 auch gemacht. In drei Jahren wurden Tausende Fische in verschiedensten Südtiroler Bergseen ausgesetzt. Das Land finanzierte über das Budget der Laimburg das Seesailblingprojekt mit über 350.000 Euro.

Die Kritik

Dabei gibt es innerhalb des Südtiroler Fischereiverbandes seit langem kritische Stimmen gegen dieses Projekt. So erschien in der März-Ausgabe der Verbandszeitung „Die Fischerei in Südtirol“ ein Beitrag, der Sinn und Zweck des Seesaibling-Projekts äußerst kritisch hinterfragt. „Warum bilden wir uns ein, solches von Natur aus eingespieltes System noch besser machen zu können indem wir fangreife Zuchtfische besetzen? Nur weil wir einen großen Fisch fangen wollen, von dem wir wissen, dass er höchstwahrscheinlich nur besetzt wurde?“, fragt Autor Roland Borghi durchaus selbstkritisch.

Seesaibling: Überleben in karger Natur.

Einer der zentralen Punkte wird in dem Beitrag aber erst gar nicht angesprochen. Denn die Wahrheit ist, dass ein großer Teil der öffentlichen Gelder, die in das Projekt fliesen, nicht etwa in die Aufzucht und die Forschung an den Saiblingen fließt, sondern für Hubschrauberflüge ausgegeben wird.
Der Hintergrund ist einfach: Für das Projekt werden die Seesaiblinge in den Südtiroler Bergseen eingefangen, per Hubschrauber in die Landesfischzucht geflogen. Dort werden aus diesen Saiblingen dann neue Stämme gezüchtet, die dann per Hubschrauber wieder auf die Berge geflogen werden, um dort als Besatz für die Seen ausgesetzt zu werden. „Es ist ein perverser Kreislauf“, sagt ein Fischer. Nach Informationen von salto.bz hat die Landesfischzucht in den vergangenen Jahren rund 140.000 Euro für diese Flüge ausgegeben. 

Die Saiblinge werden per Hubschrauber in den Bergseen geholt und danach wieder dorthin zurückgeflogen. Nach Informationen von salto.bz hat die Landesfischzucht in den vergangenen Jahren rund 140.000 Euro für diese Flüge ausgegeben. 

Die Enthüllung

Doch diese Kritik ist nur ein laues Lüftchen, gegen die Bombe, die völlig unerwartet, Ende Juni 2016 geplatzt ist. Denn die Landesfischzucht hat noch deutlicher als beim Skandal um die marmorierte Forelle auch beim Projekt Seesaibling jahrelang Mist gebaut.
Sinn und Zweck des Projekts war die Aufzucht autochthoner Seesaiblinge, die aus dem Fischbestand der Südtiroler Bergseen gezüchtet werden. Doch davon kann keine Rede sein. Denn auch hier hat es mehr als eine genetische Verunreinigung gegeben.
Im Schreiben des Amtes für Jagd und Fischerei mit dem Betreff „Thematik Besätze Seesaiblinge 2016“ vom 1. Juli wird bereits im ersten Absatz die Katze aus dem Sack gelassen:

Im Klartext: Peter Gasser hat den Südtiroler Fischervereinen jahrelang Seesaiblinge serviert, die keineswegs autochthon in der Fischzucht aus den Südtiroler Wildsaiblingen gezüchtet worden sind, sondern die in der Nachbarprovinz zugekauft wurden. Nur durch einen zufälligen Versprecher des Leiters der Landesfischzucht kam jetzt diese Praxis zum Vorschein.
Der Vorgang sorgt sowohl in den Südtiroler Fischerkreisen, wie auch im Amt für Jagd und Fischerei für blankes Entsetzen. Amtsdirektor Luigi Spagnolli gibt in dem Schreiben vom 1. Juli eine klare Weisung aus. Weil die Bewirtschaftungspläne 2016 bereits genehmigt sind, wird man die Besatzung durch die Seesaiblinge mit Vorbehalt im laufenden Jahr für jene Seen, wo bereits solche Fische eingesetzt wurden, noch einmal zulassen.
Danach aber wird Schluss sein. „Ich gehe davon aus, dass es keinen Sinn mehr macht, das Programm unter diesen Vorzeichen fortzuführen“, sagt Spagnolli.

Die Verantwortung

Die zentrale Frage lautet jetzt, wer trägt die Verantwortung für diesen Skandal? Peter Gasser, der Direktor der Landesfischzucht? Oder auch der Direktor des Versuchszentrums Laimburg, Michael Oberhuber, der zumindest die Kontrollfunktion vernachlässigt hat?
Peter Gasser will sich auf keinen Fall den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Er stellt die Sachlage völlig anders da. „Die Vorgangsweise war sehr vielen im Amt und auch in den Vereinen bekannt“, sagt er. Der Direktor der Landesfischzucht verweist darauf, dass man von Anfang an in Sachen Seesaiblinge zweigleisig gefahren sei. Eine Schiene sei der Versuch einer autochthone Aufzucht gewesen, die zweite Schiene der Saiblingsbesatz. Hier war allen klar, dass die Fische auch aus Belluno kommen.

Amtsidirektor Luigi Spagnolli: "Keinen Sinn mehr das Programm unter diesen Vorzeichen fortzuführen."

Wir hatten in den vergangenen Jahre 20 Sitzungen, wo das Amt für Jagd und Fischerei und auch der Verband dabei waren“, sagt Gasser. Dort wurde alles besprochen und genehmigt. Der Direktor der Fischzucht sagt, er habe alle Protokolle und könne das jederzeit beweisen. Zudem sei der Seesaiblingbestand in vielen Seen längst durch Saiblinge von außerhalb durchsetzt.
Peter Gasser besteht aber auch darauf, dass alle diese Projekte im wissenschaftlichen Beirat der Laimburg genehmigt und auch kontrolliert. Auch die Hubschrauberflüge. „Ich kann weder Fische zukaufen, noch Rechnungen bezahlen“, steckt Gasser seine Kompetenzen klar ab.

Der Preis?

Dabei gibt es ein brisantes Detail im Saibling-Skandal, das noch nicht genauer durchleuchtet worden ist. Die Fischereivereine musste bisher für den Besatz aus der Landesfischzucht bezahlen. So haben die Vereine auch jeden Seesaibling gezahlt, der in den Bergseen ausgesetzt wurde.
Dabei richtete sich der Preis nach dem autochthonen Seesaibling, der in der Fischzucht bei Meran angeblich gezüchtet worden ist. Jetzt kommt aber heraus, dass die Saiblinge in Wirklichkeit in einer Fischzucht aus Belluno zugekauft wurden.
Die Frage ist jetzt aber zu welchen Preis? Hat Gasser die Fische billiger eingekauft, wie er sie dann verkauft hat?
Auch hier widerspricht Peter Gasser. „Es gibt eine Vereinbarung mit einer landesähnlichen Fischzucht in Belluno“. Die Belluneser hätten Teile ihres Zuchtbestandes der marmorierten Forelle aus Sicherheitsgründen in der Südtiroler Fischzucht untergebracht. Als Gegenleistung geben sie die Saiblinge ab. Laut Gasser zahlen auch die Vereine für die Seesaiblinge nichts. „Es ist fast immer ein Tauschgeschäft“. Demnach gibt es weder ge- noch verkaufte Fische.
Auch diesen Vorbehalt tut Peter Gasser als gezielten Angriff auf seine Person ab. Einen Angriff, den er seit drei Wochen schon vorausgesehen hat. „Es geht hier um Geld und Macht“, meint der Leiter der Fischzucht.
Doch so einfach wird es nicht sein.