Matteo Salvini Hundeasyl
Foto: Facebook/Matteo Salvini
Politics | Migranten

Staatsbürgerschaft für Einwanderer?

Lega-Chef Salvini attackiert Innenministerin Lamorgese wegen der Immigranten. Dabei hatte er in derselben Rolle ebenso versagt- ausser grossspuriger Erklärungen.

Es ist kein gewohntes Ferragosto, an dem sich Millionen Italiener an den Stränden der Halbinsel vergnügen können. Rekordtemperaturen von fast 50 Grad und ausgedehnte Brände, deren Löschung angesichts der Trockenheit und der heftigen Winde alles andere als einfach scheint, belasten die Ferienstimmung. Das Parlament bleibt bis 6. September geschlossen – auch die Politik ruht. Mit einer Ausnahme: Lega-Chef Matteo Salvini versucht, seine sinkenden Umfragewerte durch tägliche Auftritte in die Höhe zu treiben. Sein bevorzugtes Ziel ist derzeit Innenministerin Luciana Lamorgese: "Si dia una mossa, si dia una svegliata." Gerade so, als wäre er nicht selbst als Innenminister genau an jenem Problem gescheitert, das er stets auf seine Fahnen schreibt: "l'allarme migranti".

Alles wie gehabt: Im Hochsommer nimmt die Zahl der Flüchtligsboote an den Küsten Süditaliens zu – in diesem Jahr verstärkt durch den Sturz der tunesischen Regierung und die darauffolgenden Unruhen und Wirrnisse. Die Ministerin rechtfertigt sich: "È facile parlare, poi bisogna fare un bagno di realtà. Ci sono complicazioni geopolitiche complicatissime da considerare, come l'eterna precaria in Libia o la più recente crisi tunisina." Erst vor wenigen Wochen hat Lamorgese Libyen besucht und mit Premier Dabaiba und Innenminister Mazen Gespräche geführt. Der politische Einfluss beider reicht allerdings angesichts der innenpolitischen Wirrnisse kaum über die Haupstadt Tripolis hinaus. Lamorgese verweist darauf, dass die libysche Küstenwache im vergangenen Jahr 12.000 Flüchtlinge an der Überfahrt nach Italien gehindert habe. Regierungschef Mario Draghi kommt die Offensive gegen die Ministerin auch angesichts der Covid-Pandemie denkbar ungelegen. Er forderte den Lega-Chef auf, seine Kritik zu mässigen. Die Forderung nach einer Blockade im südlichen Mittelmeer lehnte er strikt ab: "È un atto di guerra."

 

Ungelegen kommt der Innenministerin und dem Regierungschef auch der Vorstoss des PD-Vorsitzenden Enrico Letta nach Einführung des ius soli: "A settembre si apra subito un tavolo in parlamento su una nuova legge di cittadinanza." Für Salvini ein rotes Tuch: "Si lasci perdere questo e si pensi agli sbarchi." Beflügelt wurde die Diskussion durch die vielen aus Übersee stammenden olympischen Medaillengewinner in Tokio. Das in den USA praktizierte ius soli sieht vor, dass jeder auf amerikanischem Boden Geborene automatisch die Staatsbürgerschaft erhält – eine durchaus umstrittene Massnahme, weile viele Einwanderer nach ihrer Pensionierung in ihre Heimatländer zurückkehren. Der doppelte Olympiasieger Marcell Jacobs – italienischer Staatsbürger von Geburt an – will in diesen Streit nicht hineingezogen werden: "Non voglio essere un simbolo. Io corro. Non mi interessa la politica."

Zum Thema liegen kaum empirische Daten vor. Nach einer von Innenminister Giuliano Amato 2008 initiierten Untersuchung äusserten 69 Prozent der Einwanderer die Absicht, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren. Um das Jahr 2000 kehrten 75.000 nach Italien ausgewanderte Polen in ihre Heimat zurück – mit einem zusätzlichen italienischen Pass.

Doch mittlerweile hat Lega-Chef Salvini bereits ein neues Thema für seine Propaganda entdeckt: die Misshandlung von Hunden. Im luxuriösen Hundeasyl in Valle Grande in Rom entdeckte er vor der Kamera sein Herz für die Vierbeiner: "Non dimentichiamoci di loro. Adottiamo, combattiamo i criminali – le vere bestie che maltrattano e uccidono."