Bitte hab mich lieb!
Das Museion, das Museum für zeitgenössische Kunst, als Gradmesser der Aufgeschlossenheit des Südtiroler Kulturpublikums? Als Indikator, wie neugierig und offen die Bürger in unserem kleinen Land überhaupt sind? Oder als Hochburg des „Elitären“, einer Kunst, die als unzugänglich wahrgenommen wird und die nur wenige sehen wollen? Das waren einige der Fragen, die am Samstag, 11. Oktober im Museion gestellt wurden. Man nahm den „Tag der zeitgenössischen Kunst“ zum Anlass, um über das Museion der Zukunft nachzudenken: Besucher und Besucherinnen waren eingeladen, in einer „Ideensammlung“ Visionen, Meinungen und Kritik loszuwerden. Ideengeber des Brainstormings war Kulturlandesrat Philipp Achammer, der den ganzen Samstag-Nachmittag im Museion verbrachte und an der Abschlussdiskussion teilnahm: „Ich spüre immer noch eine eher abwehrende Haltung der breiten Öffentlichkeit dem Museion gegenüber, es muss im übrigen Land noch stärker wahrgenommen werden als Haus, wo man gerne hineingeht, und wo es erlaubt sein muss zu sagen: ich kann mit dem da drinnen nichts anfangen,“ sagte Achammer in der Diskussion.
Moderne und zeitgenössische Kunst ist für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln
Diese Angst vor dem Hineingehen, vor dem Nicht-Bekannten, der zeitgenössischen Kunst, ist einer der Gründe, warum sich das Museion seit Jahren um eine gute Kunstvermittlung und Museumspädagogik bemüht. Aus diesem Grund sind Angebote wie jenes erklärende „ABC der Kunst“ mit Andreas Hapkemeyer jedes Jahr im Veranstaltungsangebot, genauso wie die Erzähltreffs, die literarischen Begegnungen mit Kunst, die freien Samstage und die vielen Programme für Schulen, Kinder und Familien. „Wenn wir unsere Besucherzahlen auffrisieren wollen,“ bekannte der Hauptkurator am Medienmuseum im ZKM - Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, Bernhard Serexhe, "dann machen wir einen familiy day, und schon ist das Haus voll, aber das darf nicht unsere Hauptaufgabe sein.“ Wobei sich das Museion hier durchaus sehen lassen kann: 2011 kamen 38.000 Besucher ins Haus, im letzten Jahr, 2013 waren es 50.000.
„il piacere di capire e il piacere di non capire“
Solche Zahlen sind Statistiken, beruhigend für die Geschäftsführung und die Politik, meint Serexhe. Wie man ein Museum für zeitgenössische Kunst zu einem Anziehungspunkt macht, erklärt er anhand seines Medienmuseums: „Wir müssen und wollen immer wieder Ausstellungen für ein sogenanntes elitäres Publikum machen, Fragen stellen, die uns als Kunstakteure und eben nur einen kleinen Teil der Besucher interessieren, die aber für die Forschung und Recherche wichtig sind, denn diese Aufgabe soll Kunst ja auch vor allem haben, Neues herauszufinden und weiterzugeben.“ Andererseits sei es ebenso wichtig, Ausstellungen für ein sehr breites Publikum zu machen, in Köln so geschehen zum Thema „Licht und Kunst.“
„Es muss erlaubt sein zu sagen, ich kann mit dem da drinnen nichts anfangen.“
Dass sich Besucher auf ein Risiko einlassen, wenn sie bereit sind, Kultur zu konsumieren, lautete die These des Dozenten für Kultur-Ökonomie an der Freien Universität Bozen, Giorgio Tavano Blessi. „Niemand weiß vor einem Besuch im Museum, im Theater oder in einer Musikveranstaltung, ob sich das wirklich lohnt, diesem Risiko muss sich der Kulturkonsument aber aussetzen.“ Leichter sei es da gewiss, so Tavano Blessi, sich das „Telecommando“ zu schnappen und so die Kontrolle über sein Schauen, seine Sehgewohnheiten zu behalten.
Die Anregungen der Museion-Besucher rundeten die Diskussion ab und gaben Auskunft, was fehlt: Vermittlung und einen leichteren Zugang wünschen sich die meisten, weniger Konzeptuelles, Ausstellungen, die entspannen und inspirieren, einen Gegenpol zum Alltagsstress bilden, man möchte mehr Öffnung für andere Kultursparten, Verständnis ist jedoch auch da für die Museion-Betreiber, es brauche eben Geduld und Zeit.
Wo bleibt die Kritik?
Angenehm zu lesen seien die Vorschläge der Besucher auf den Pinnwand-Zetteln, meinte Tavano-Blessi, doch Kritisches sehe er nicht. Obwohl das Museion im letzten Jahr stark unter Beschuss geriet, die „Gruppe 30“ forderte mehr Transparenz in den Geschäftsgebaren und eine andere Besetzung des Stifterrates. Kein Thema bei der gestrigen Ideensammlung. Der weiteren Diskussion will sich Landesrat Achammer durchaus stellen, er hat die Kulturschaffenden und Künstler der Gruppe getroffen und sieht deren Anregungen sowie das „Brainstorming“ im Museion als Grundlage für ein Weiterdenken des Hauses. Insbesondere da jetzt die Überarbeitung der Stiftungssatzung ansteht sowie die Neuwahl des Stifterrates selbst.