Politics | Energie

"Erschwindelt bleibt erschwindelt"

400 Millionen Euro für erschwindelte Konzessionen? Laut SVP-Abgeordnetem Sepp Noggler gibt es nur einen Gewinner des Enel-Deals - und zu wenig Mitsprache des Landtags.

Herr Noggler, Sie sind einer der wenigen, der dem Landeshauptmann nicht zum Enel-Deal applaudiert. Warum nicht?
Sepp Noggler: Weil für mich erschwindelte Konzessionen erschwindelte Konzessionen bleiben. Die wichtigste Frage ist also, wie man diese ungute Geschichte am besten bereinigt. Und hier hätte ich mir von der neuen Landesregierung mehr Mut und einen sauberen Schnitt erwartet.

Wie hätte dieser Schnitt aussehen sollen?
Man hätte den Wettbewerb annullieren müssen. Laut Monti-Dekret hätte der bisherige Konzessionär, also SE Hydropower,  die Konzessionen ohnehin noch fünf Jahre weiterführen können. Und dann hätte man eine Neuausschreibung machen können.

Das Schreckgespenst europaweite Ausschreibung?
Ja, ja, das Schreckgespenst. Das ist es aber nicht, denn wenn sich bei einer solchen Ausschreibung die Gemeinden beteiligen, sei es im Zusammenspiel mit dem Land oder mit Bezirken, würden sie immer gewinnen. Ausschlaggebend wären schließlich die Umweltgelder, und hier kann eine Gemeinde auch sagen, ich investiere 40 oder 50 Prozent in diese Maßnahmen. So haben wir es auch mit dem Vinschger Energiekonsortium gemacht, dass die Konzession damals unter legalen Bedingungen gewonnen hätte. Wenn diese gewährt sind, hätten also auch große europäische Energiekonzerne keine Chance gegen Lokalkörperschaften.

"Meine Vorstellung wäre, dass der Anteil der SEL an der neuen Gesellschaft mit den Etschwerken zur Hälfte an die Gemeinden geht. Denn dieser Interessenskonflikt muss endlich weg."

Wurde diese Option nie im Landtag oder in Ihrer Partei diskutiert?
Im Landtag oder innerhalb der SVP wurde überhaupt nichts diskutiert. Das, was wir als Abgeordnete wissen, wissen wir leider nur aus den Medien. Wenn die Zeitungen Falsches schreiben, sind wir falsch informiert. Wenn die Artikel gut sind, dann sind wir richtig informiert. Also, diesbezüglich hat sich sehr, sehr wenig geändert mit der neuen Landesregierung. Aber sicher scheint auch so, dass es in diesem Deal einen einzigen Gewinner gibt.

Lassen Sie mich raten: die Enel?
Natürlich. Enel  hat aus der ganzen Geschichte 750 Millionen Euro eingesteckt, 350 Millionen bei der Übernahme und jetzt noch einmal mal 400 Millionen Euro. Und mit diesem stattlichen buonuscita verabschiedet sie sich nun aus Südtirol. Ich hoffe aber, und gehe schon davon aus, dass sich der Deal letztlich auch für die SEL AG rentiert. Aber das kann ich nicht bewerten, weil wir, wie gesagt, keinen Informationen haben.

Haben Sie auch nicht gewusst, dass die Landesregierung mit der Enel verhandelt?
Nein, wir haben die ganze Geschichte erst am Tag der Pressekonferenz von den Medien erfahren.

Die Grünen haben schon angekündigt gegen die Bürgschaft stimmen zu wollen? Haben Sie das auch vor?
Um das zu entscheiden, brauche ich mehr Informationen. Es kann schließlich auch sein, dass das alles gut passt. Doch solange ich keine Details bekomme, werde ich sich nicht für eine Bürgschaft stimmen. Doch mehr erfahren werden wir voraussichtlich erst im Dezember, wenn wir im Rahmen des Haushalts über die Bürgschaft abstimmen. Dann können wir dann auch nachfragen.

"Wenn die Zeitungen Falsches schreiben, sind wir falsch informiert. Wenn die Artikel gut sind, dann sind wir richtig informiert. Also, diesbezüglich hat sich sehr, sehr wenig geändert mit der neuen Landesregierung."

Die neue Landesregierung hatte eine Neuordnung der Energiepolitik angekündigt. Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Schritten?
Bisher warte ich noch auf die angekündigte Neuordnung. Man muss fairerweise sagen, dass der Landesrat für Energie erst ein Jahr im Amt ist, und ein wenig Zeit muss man ihm schon geben. Doch jetzt wird es langsam Zeit, dass sich der Rahmen der zukünftigen Energiepolitik abzeichnet.

Die geplante Fusion zwischen Etschwerken und SEL reicht Ihnen dafür vorerst nicht aus?
Damit bekommen wir eher wieder ein Problem dazu. Und zwar nicht, weil die Fusion an und für sich ein Problem wäre, sondern die Anteile. Denn die SEL müsste wieder mehr als die Hälfte der Anteile halten, und es würden außer Bozen und Meran erneut keine anderen Gemeinden beteiligt werden. Doch genau das wäre ein wesentlicher Schritt. Die örtlichen Körperschaften, sprich die Gemeinden, müssen stärker miteinbezogen werden.  Das wäre schließlich bereits seit dem Dekret von 1977 so vorgesehen.

Die Grünen fordern, dass das Land in der fusionierten Gesellschaft keine Mehrheit hält. Sind Sie also auch dieser Meinung?
Selbstverständlich. Das Land darf sich nicht weiterhin selbst die Konzessionen geben, es hat darüber zu wachen. Deshalb sollen die Konzessionen mehrheitlich von Lokalbetrieben, Genossenschaften und Gemeindewerken bzw. Gemeinden gehalten werden. Sie haben schließlich vor Ort auch die Lasten der Produktion zu tragen, wie sich erst jetzt wieder in Bruneck gezeigt hat. Meine Vorstellung wäre deshalb, dass die Hälfte der Anteile des Landes an die Gemeinden geht. Also, wenn die SEL, wie derzeit geschrieben wird, 54 Prozent an der neuen Gesellschaft halten soll, würde ich diesen Anteil 50:50 zwischen Land und Gemeinden aufteilen. Denn dieser Interessenskonflikt muss endlich weg.

Also keine Neuordnung ohne Bereinigung des Interessenskonflikts?
Klarerweise. Denn der Interessenskonflikt war schließlich auch ausschlaggebend dafür, dass all die aktuellen Probleme überhaupt entstanden sind.