Chronicle | IS

Obermaiser Zelle

In einer gesamteuropäischen Aktion gegen den IS wurden am Donnerstag in Bozen und Meran 7 mutmaßliche Dschihadisten verhaftet. Sie schleusten Kämpfer nach Syrien.

Es ist eine unscheinbare Wohnung in Meran, Obermais. Auch der Mieter, der irakische Kurde, Nouroz Abdul Rahman fällt kaum auf. Als politischer Flüchtling aus dem Irak lebt er schon seit Jahren in der Passerstadt. Regulär mit Aufenthaltsgenehmigung und Pass.
Abdul Rahman hatte in Meran immer wieder Besuch von Landsleuten und Glaubensbrüdern. Kaum jemand hätte vermutet, dass der unscheinbare Mieter und die Wohnung ein Art Durchgangsstation für IS-Kämpfer ist, die in den heiligen Krieg ziehen.
In den frühen Morgenstunden am Donnerstag wurde Abdul Rahman von der Carabinieri-Antiterroreinheit ROS verhaftet. Mit ihm wanderten in Südtirol weitere sechs mutmaßliche Dschihadisten ins Gefängnis. In Meran wurden auch Kamal Mahmoud Hama, Eldin Hoza, Ibrahim Jamal und Goran Mohamad Fatah verhaftet. Zur selben Zeit klickten in Bozen für Jalal Saman Hasan und am Ritten für Ali Salih Abdula die Handschellen.
Die sieben Verhaftungen in Südtirol sind Teil einer internationalen Polizeiaktion gegen den islamischen Terror. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rom laufen seit Jahren. Die Brüssler Eurojust hat die Polizeikräfte mehrerer EU-Länder dabei koordiniert. Am Donnerstag früh wurden in Großbritannien, Norwegen, Finnland und in Italien 16 Kurden und ein Kosovare verhaftet.
Den Verhafteten wird vorgeworfen, einer terroristischen Vereinigung anzugehören, deren Ziel es ist, ein islamisches Kurdistan im Irak und in Syrien zu errichten. Seit 2010 beobachtet die Antiterroreinheit ROS die Internetseite „www.jarchive.info“, eine fanatisierte Plattform, die dem Umfeld von Al Qaida und Ansar Al-Islam zugerechnet wird. Die Seite wurde inzwischen vom Netz genommen.

Rawti Shax

Der Gründer der sunnitisch-kurdischen Terrororganisation Ansar Al-Islam, Faraj Ahmad Najmuddin mit dem Kampfnamen Mullah Krekar, baute nach Ansicht der Ermittler um diese Internetplattform eine neue Terrororganisation mit dem Namen „Rawti Shax“ auf.
Das Hauptziel von Rawti Shax ist vor allem, in der irakisch-kurdischen Diaspora in den EU-Staaten junge Menschen in Richtung Glaubenskrieg zu erziehen und zu lenken. Es geht darum, Menschen für die Errichtung eines islamischen Gottesstaates in den Kurdengebieten des Iraks und in Syrien zu gewinnen. Die Ermittler sprechen davon, dass die Gruppe für diese Erziehungsarbeit eine „virtuelle Universität“ im Netz aufgebaut habe.
Doch dabei bleibt es nicht. Seit Jahren wirbt Rawti Shax Menschen für den Dschihad und den Kampfeinsatz an. Die jungen Leuten werden ausgebildet und dann in die Kampfgebiete nach Syrien gebracht.

Knotenpunkt Meran

In diesem Netzwerk spielte Nouroz Abdul Rahman und seine Obermaiser Wohnung eine entscheidende Rolle. Denn die ROS-Beamten konnten nachweisen, dass es in Rahmans Wohnung nicht nur geheime Treffen des Terrornetzwerks gab, sondern jungen Kämpfern auch eine theoretische Ausbildung geboten wurde. Abdul Rahman ist seit Jahren als Anwerber, Ausbilder und Finanzier der Terrorgruppe tätig.
Vor allem aber soll seine Meraner Wohnung ein Stützpunkt des geheimen Netzes sein, das die Kämpfer nach Syrien schleust.
Abdul Rahman wird beschuldigt, den in Bozen lebenden Jalal Saman Hasan angeworben und seine Abreise nach Syrien organisiert zu haben. Hasan ist am Ende nicht in den Gotteskrieg gezogen.
Andere aber schon. So stand Abdul Rahman mit dem in der Schweiz lebenden Sameer Sheda in Kontakt, der im Juni 2014 nach Syrien ging, um in den Reihen der Jund Al-Rahman, einer Splittergruppe der Terrororganisation Jabhat Al-Nusra, zu kämpfen. Ebenso hatte der Meraner Kurde intensive Kontakt mit dem Leiter der Zelle in Finnland, Karim Kadir Sedeek, der im März 2014 über die Türkei in den Irak reiste, um sich den IS-Milizen anzuschließen. Seddek wurde im Dezember 2014 im Kampf erschossen.
Mohammad Ali hat in den Reihen der IS in Syrien gekämpft. Bis er als politischer Flüchtling nach Europa kam. Weil ihm das politische Asyl in Finnland verweigert wird, kommt er am 15. Juli 2014 nach Italien, wo er in der Obermaiser Wohnung von Abdul Rahman Unterschlupf findet.

Die Beschattung

Die Meraner Zelle von Rawti Shax rekrutierte aber auch den in Meran wohnhaften Kosovaren Eldin Hodza. Nauroz Abdul Rahmann übernahm die Finanzierung der Reise Hodzas nach Syrien. Sameer und Seddek steuert Geld für das 780-Euro-Flugticket nach Istanbul bei.
Bei seiner Abreise in Meran am 1. Jänner 2014 wurde Hodza von ROS-Beamten beschattet, die ihn in der Türkei bis zur syrischen Grenze verfolgen. Hodza Eldin verbringt einige Wochen in einem Ausbildungslager der Jabhat al-Nusrah und der IS in Syrien, bevor er Mitte Februar 2014 über die Schweiz wieder nach Meran kommt.
Dort übernimmt er die Aufgabe, weitere Glaubenskrieger für den Kampf und die Reise nach Syrien zu begeistern.

Die Verhaftungen

Die Polizeiaktion, die unter dem Namen „Jweb“ lief, hat jetzt dieses Terrornetzwerk lahmgelegt. „Es ist ein Schlag, der zeigt, wie nah bei uns diese Art von Fanatismus inzwischen ist“, sagt einer der Ermittler zu salto.bz. Lob erhielten die beteiligten Ermittler gestern von Innenminister Angelino Alfano.

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Martin B.

Also echt jetzt: Meran 5, Bozen 1 und Ritten 1 aktive Dschihadisten!?! Zach! Ohne Toleranz und Augen zudrücken von ziemlich einigen weiteren politischen Flüchtlingen (jene die sich nicht rekrutieren ließen) und einheimischen Bürgern sollten solche Aktivitäten doch nicht über Jahre fortgesetzt werden können oder doch?

Thu, 11/12/2015 - 15:04 Permalink

"Zur selben Hand klickten in Bozen für Jalal Saman Hasan und am Ritten für Ali Salih Abdula die Handschellen."
Bitte ausbessern.
Mal sehen wie die lokale Politik auf das ganze reagiert. Bei Pöder, Lietner und co. wissen wir schon alle was kommt, bei den anderen?

Thu, 11/12/2015 - 15:21 Permalink

wie hält es salto mit der Unschuldsvermutung in seiner medialen Berichterstattung? gilt diese bei bestimmten Themen, Anschuldigungen nicht? wie ist es mit Check und Gegencheck?

Sat, 11/14/2015 - 12:29 Permalink