Culture | Salto Afternoon

hoangortn = stare un po insieme

Die Kuratorin der Stadtgalerie Brixen Elisa Barison hat eine Ausstellung zum Begriff "hoangortn" gemacht. Ein Gespräch über "Beisammensein" mit Kunst.
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Foto: Salto.bz

salto.bz: Die Ausstellung "Hoangortn" schließt morgen die Tore. Wie "chillig" ist das suggerierte gemütliche Beisammensein mit den verschiedenen Künstlerinnen?

Elisa Barison: Sowohl der Austausch während der Vorbereitungen der Ausstellung, als auch die Eröffnung gemeinsam mit allen vier anwesenden Künstlerinnen war sehr angenehm und herzlich. Vier Frauen, mit denen ich jederzeit wieder zusammenarbeiten würde. 
 
In Zusammenarbeit mit "watten.org" wird zur Finissage am 13. November ein Wattturnier in der neuen Stadtbibliothek veranstaltet. Für „leidenschaftliche“ Blindwatter und Blindwatterinnen. Watten Sie mit?

Es dürfen auch gerne Personen mitspielen, welche die Leidenschaft zum Watten erst entdecken müssen. Ich selbst bin keine leidenschaftliche Watterin und um ehrlich zu sein auch keine besonders gute. Deshalb kümmere ich mich um die Organisation des Happenings und versuche die Rahmenbedingungen für einen interessanten Nachmittag zu gestalten.

Ich hoangorte am liebsten auf Basis von leckerem Essen, das ich für meine liebsten Menschen zubereite.

Mit Begriffen wie "Hoangortn" und "Watten" fischen sie in konservativen Kulturgewässern. Keine Angst, dass die zeitgenössische Kunst dabei verwässert? 

Ganz im Gegenteil. Ich glaube die Arbeiten der vier Künstlerinnen sind in diesem Fall der Schlüssel und der Wegweiser aus der konservativen Konnotation. Ich möchte mich bemühen nicht in Schubladen zu denken und die Auseinandersetzung mit dem Zustand des hoangortn und dem beliebten Kartenspiel müssen nicht a priori reaktionär sein. Das beweisen die Werke in der Ausstellung und die total bunt gemischten Charaktere der Teilnehmer*innen, welche bis dato für das Turnier morgen angemeldet sind. 

Batik-Schürzen, zwei Tischinstallationen und weitere Tucharbeiten vervollständigen den künstlerischen Reigen. In welchem Zusammenhang stehen sie zum Konzept der Schau?

Sowohl ihre Batik-Schürzen, als auch die Collage New Queens in the Making, nutzt Margareth Kaserer um den Status quo unserer (Südtiroler) Realität zu hinterfragen. Die „Queens“ weisen auf eine Unterrepräsentation von Frauen in den Wattkarten und darüber hinaus hin und schlagen vor, dies zu ändern. Die Batik-Schürzen erinnern unmissverständlich an den "blauen Schurz" und tragen den Titel „Republic of Sheep“, was wohl ziemlich selbsterklärend ist und die Betrachtenden im besten Fall zu ein bisschen Gegenstromschwimmen motiviert.


Die räumlichen Installationen von Franziska Schink sind eine Auseinandersetzung mit der Idee von „Hoangort“ aus Sicht einer Künstlerin, die zwar mittlerweile in Südtirol lebt aber in Deutschland aufgewachsen ist und sich dem Konzept somit aus einer ganz anderen Weise nähert, z.B. mit einer Tischdecke aus ikonischen Hollywoodfilmen der 90er Jahre, die eine ganze Generation, über Landesgrenzen hinaus, verbindet.


Maria Walcher fischt für ihre Arbeit ebenso wie Margareth in der Welt der Schafe und zeigt eine Wolldecke mit blauem Baumwollstoff, auf welchem die alten Wege der Transhumanz den Wegen von Fliehenden nach Europa gegenübergestellt werden. Die Arbeit soll auch daran erinnern, dass bis vor nicht allzu langer Zeit eben diese Transhumanzwege für die Flucht von hier weg genutzt wurden.


Offenere Arme und mehr Toleranz haben ein abwechslungsreiches hoangortn zur Folge. Charlotte Aurich hingegen hängt ihre Gemälde ganz locker von den Keilrahmen und der Wand ab und neben die Schürzen von Margareth auf die Leine. Der große Druck der Malereitradition fällt somit weg und die Arbeiten können ganz neu erlebt und wahrgenommen werden, ebenso wie das hoangortn. Der bunte Mix an verschiedenen Medien und Themen dieser vier Künstlerinnen ist die beste Ausgangslage um sich eine neue Art von Gemeinschaft und Zusammensein vorzustellen. 


Hat der Begriff "hoangortn" insbesondere in Pandemie-Zeiten eine Renaissance erfahren?
 
Ich habe den Begriff eigentlich erst in Pandemie-Zeiten entdeckt und lieb gewonnen, nachdem eine Freundin von mir ihn verwendet hatte. Sicherlich hat die Pandemie bei vielen Menschen den Wunsch nach Nähe verstärkt. Ich denke, dass „hoangortn“ viel mehr ein Gefühl als ein Begriff ist und hoffe für die gesamte Menschheit, dass wir künftig mehr sorglose Momente mit lieben Menschen ohne den Zwang zum Konsum einfordern werden. 

Wie kann "hoangortn" eigentlich übersetzt werden? Ins Italienische? In den virtuellen Raum?

Im Italienischen ist der Zustand des hoangortn eigentlich viel verbreiteter als im deutschen Kulturraum. Nähe und Gefühle zuzulassen fällt den Menschen leichter und die Zusammenkunft mit vielen Personen kommt viel häufiger vor, vielleicht einfach „stare un po insieme“? Im virtuellen Raum gab es während der Lockdowns das Phänomen der "Zoom-Aperitivi" und vielleicht ist auch das Austauschen über „Binge-Watching“ der selben Serie im Netz ein verbindendes Moment? Hier wird hoangortn international. 

Wo „hoangortn“ Sie am liebsten? In einer Watt-Runde wohl eher nicht…

Ich hoangorte am liebsten auf Basis von leckerem Essen, das ich für meine liebsten Menschen zubereite. Watten und Gesellschaftsspiele liegen mir allgemein nicht so, ich bin eine schlechte Verliererin…