Eine feine Sache
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Im Meraner Theater in der Altstadt, oder, wenn wir bei der Kürze sind, TidA, wurde alles auf Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow getrimmt, der als Karikaturist und „Humorist“ unvergessen bleibt. Heute wird in diesem Bereich mehrheitlich von Comedy oder Kabarett gesprochen, es passt aber recht gut, dass der Jubilar hier eine eigene Bezeichnung hat. Von Bülows berühmte Knollennasen begrüßen einem bereits am Eingang, die Publikumsränge schmückt seitlich ein vom Schlaf übermannter Theatergast im unverkennbaren Stil. Dabei war „Humor ist eine feine Sache. Er kann sogar die Wahrheit verkleiden“ unter der Regie von Christina Khuen überaus kurzweilig, worauf man hoffen durfte, da es sich um eine Auswahl von Texten aus Loriots spitzer Feder handelt. Sabine Ladurner, Frederick Redavid, Peter Schorn und Claudia Bellasi zeigen dabei den richtigen Riecher für Humor und Timing. Rein optisch sind es aber die Ausstattung (Andrea Kerner), Kostüme (Kostümassistenz: Mirjam Hellrigl) und nicht zuletzt die Perücken, welche uns in die Fernsehunterhaltung der späten 60er und frühen 70er zurückversetzen und nicht die Nasen. Gerade die hintere Bühnenwand ganz in Weiß (Bühnenbau: Robert Reinstadler) und mit rechteckigen Fenstern lässt uns an den Karrierestart als Zeichner bei Magazinen wie dem Stern denken.
Dabei vergisst man im Rückblick oft, dass Loriot nicht immer unter einem guten Stern stand: Als „Herabsetzung des Homo Sapiens“ wurden seine Zeichnungen in Leserbriefen - und später auf der TidA-Bühne - bezeichnet. Das führte sogar so weit, dass Loriot 1953 beim Stern aus dem Programm genommen wurde. Die Geschichte ist nuancierter, als es die kurzen Kommentare von Reisenden, die zu Beginn des Stücks ihre uniform braunen Lederkoffer vertauschen (einer von vielen klassischen Sketches) vermuten ließe. Eines verdeutlicht die Geschichte aber: Der Humor des geliebten Humoristen war nicht immer salonfähig und zahm wie er aus heutiger Zeit scheint. Woran stieß man sich vor 70 Jahren den Zeh? An Hunden, die Menschen an der Leine führen. Wer die Geschichte noch nicht kennt, kann sie etwa hier nachlesen.
Auf den Hund kommt man auch in Meran, Herr Doktor Sommers Wunderhund, dem er in vier Jahren das Sprechen beigebracht haben will kommt im Ganzkörper-Hunde-Pyjama hereingedackelt und darf sein können auf die Probe stellen. Dabei soll sich der Hund nicht zu heiklen Themen wie Kirche oder Politik äußern, er wüsste ja schließlich nicht wovon er spreche. „Genau wie die meisten Politiker“, lautet dann die Pointe und, um das Stück noch mit einer Prise Lokalkolorit zu würzen, darf Peter Schorn mit seiner besten Parodie eines hinlänglich bekannten Südtiroler Vertreter des Berufsstandes aufwarten. Welcher, das wollen wir an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Nur so viel: Hatte die Szene auch nichts mit Loriot zu tun, so war sie doch eines der Highlights des Stücks.
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Da sich über Humor recht wenig sagen lässt, außer das ausgiebig und herzlich unter anderem über Spaghetti, Eier, Badewannen und Eheszenen gelacht wurde, lässt sich mehr anmerken, vor welchem Hintergrund dies geschah: Atomstrom und die atomare Bedrohung finden ihren Weg in überraschend viele Szenen. Rückblickend mag das nicht unbedingt wie ein fruchtbarer Nährboden für Unterhaltung wirken, aber Loriot hat eben auch etwas Hintergründiges. Vordergründig geht es meist in irgendeiner Form um das Scheitern oder den willentlichen Abbruch von Kommunikation. Gern werden dabei, um den mit Geschlechter-Klischees spielenden Humor nicht ganz so ernst zu nehmen auch die Rollen getauscht und Evelyn Hamanns Part von einem der männlichen Darsteller übernommen, während Ladurner oder Bellasi einen männliche Rolle übernehmen.
Auf der Bühne wird daraus ein großes Fest von Kostümen und Requisiten: Da kippt schon einmal ein alter Röhrenfernseher in Richtung erste Reihe und wird gerade noch aufgefangen oder eine Textzeile kommt mit einer anderen durcheinander oder nicht gleich in den Sinn. Man hat das Gefühl der blitzschnell Frederick Redavid eilt manchmal seinen Gedanken voraus, wenn er beim Text stolpert findet er aber direkt zum Ausfallschritt. Das tut dem Stück keinen Schaden, das ohnehin meistens zum nächsten Witz muss. Ist der Aufbau für den kommenden Lacher aber genau eine Dauer in der nichts oder zumindest scheinbar nichts passiert, so sind es die Schauspieler, die hier die Spannung hoch halten müssen, mit feiner Mimik und Körpersprache, die ein wenig in die Köpfe blicken lässt.
Ohne langes Warten und ohne große Vorankündigung bricht das Stück am Ende einfach ab. Die Gedächtnisarbeit wäre ja auch, angesichts des riesigen Fundus, der über Jahrzehnte entstanden ist, nie abgeschlossen, gleich der Arbeit des seit dreizehn Jahren vermissten Loriot. Denn irgendwo brodelt, zischt oder kocht es immer, hinter der fein säuberlich gepflegten Fassade mit bürgerlichem Anstrich. Da kann der Humor die Wahrheit dann hervorlocken. Eine feine Sache, Herr von Bülow.
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„Humor ist eine feine Sache. Er kann sogar die Wahrheit verkleiden“ wird noch bis 29. November gespielt. Alle Aufführungstermine und die Möglichkeit zu reservieren finden Sie online.