„Menschen in den Mittelpunkt stellen“
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SALTO: Seit April 2019 präsentiert das Hausmuseum „Villa Freischütz“ die Kunstsammlung des Weinhändlers Franz Fromm. Dazu gibt es auch immer wieder Sonderausstellungen. Nun wird das Gesamtkonzept mit einer besonderen Nominierung geadelt. Wie kommt es zu dieser Ehre?
Ariane Karbe: Als ich zufällig las, dass der Europäische Museumspreis an neu eröffnete oder neu gestaltete Museen verliehen wird, dachte ich sofort an die „Villa Freischütz“. Im nächsten Jahr wäre sie für eine Bewerbung schon zu „alt“. Es hieß also jetzt oder nie! Die Vorstandsmitglieder der Stiftung Navarini-Ugarte waren sofort Feuer und Flamme und beauftragten mich mit der Bewerbung. Vor allem ging es darum, die public quality des Hausmuseums zu beschreiben. Im Juli besuchte uns die Jury-Präsidentin Amina Krvavac und prüfte uns auf Herz und Nieren. Und voilà – jetzt sind wir nominiert!
Was alle nominierten Museen vereint, ist ein Bekenntnis zu Demokratie, Menschenrechten und Nachhaltigkeit.
Der „European Museum of the Year Award“ gilt als wichtigster Preis innerhalb der Museumsbranche, die „Villa Freischütz“ zählt mit der Nominierung zu den 50 besten Museen. Was wissen Sie zu den anderen Bewerbern?
Was alle nominierten Museen vereint, ist ein Bekenntnis zu Demokratie, Menschenrechten und Nachhaltigkeit. So wird schon durch die Nominierung ein Netz an Museen gesponnen, die sich diese Werte auf die Fahne schreiben – ein Netz über Grenzen hinweg, denn die 50 Museen kommen aus 24 Ländern in Europa!
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Welches der Museen in den Top 50 „fürchten“ Sie am meisten?
Von „Furcht“ kann ich in Bezug auf die Konkurrenz nicht sprechen. Ich sehe das Ganze als Prozess, der uns auf jeden Fall weiterbringt. Die Bewerbung ist eine großartige Gelegenheit, unsere Arbeit zu reflektieren, und eine Selbstverpflichtung, mit unseren Projekten noch mutiger zu werden.
Sie sind Ausstellungsdramaturgin, behaupten dass Museumsgestaltung durchaus von Hollywood was lernen kann. Sie haben dazu auch ein Buch gemacht und im vergangenen Jahr veröffentlicht. Was finden Sie an Hollywood?
Mich inspiriert, wie konsequent Hollywood das Bedürfnis des Publikums nach Unterhaltung ins Zentrum stellt. Billy Wilder sagte, die wichtigste Regel beim Filmemachen ist: „Niemals langweilig sein!“ Das wünsche ich mir als Inschrift an jedem Museum.
Ist die Stadt Meran nicht auch irgendwie ein Museum? Welchen Eindruck hatten Sie bei Ihrem ersten Besuch?
Museen sollen „einladend“, „lebendig“ und „inspirierend“ sein – und so sehe ich auch Meran. Es war Liebe auf den ersten Blick und diese Liebe hält nun seit über 20 Jahren.
Ein Graus sind für mich Museen, die von oben herab erzählen und so tun, als müsse man dies oder jenes wissen.Schon 2021 gab es einen internationalen ersten Preis für den Podcast zur Ausstellung „Der äthiopische Mantel“. Was hat die Villa Freischütz, was andere lokale Museen nicht haben?
Ich bin ein großer Fan der Südtiroler Museumslandschaft. Aber ich glaube, was die „Villa Freischütz“ tatsächlich besonders macht, ist, wie konsequent wir versuchen, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Objekte. Dazu gehört, anspruchsvolle Themen und Konzepte so zu erzählen, dass sie ein breites Publikum ansprechen. Dazu gehört auch, etablierte Museumsstandards nicht als gegeben hinzunehmen, sondern konstruktiv zu hinterfragen. Was für ein Museum, was für eine „Villa Freischütz“ braucht unsere Zeit?
Die Verleihung zum „European Museum of the Year Award“ soll im Mai 2024 in Portugal stattfinden, dem Land von Pessoas Buch der Unruhe. Wie geduldig sind Sie bis dahin?
Stiftungspräsidentin Herta Waldner und die anderen Vorstandsmitglieder, unsere Ehrenamtlichen, all jene, die der „Villa Freischütz“ freundschaftlich verbunden sind – wir alle können es kaum erwarten. Der EMYA wird auch der „Museums-Oscar“ genannt. Ihn oder einen der Nebenpreise zu gewinnen, wäre einfach fantastisch.Was ist ihr Lieblingsmuseum? Und vor welchen Museen „fürchten“ Sie sich am meisten?
Mein Lieblingsmuseum ist momentan das KOLUMBA, ein Kunstmuseum in Köln. Ich empfinde es als Privileg, an solch einer Schönheit teilhaben zu dürfen. Ein Graus sind für mich Museen, die von oben herab erzählen und so tun, als müsse man dies oder jenes wissen. Muss man nicht. Die Fragen der Besuchenden sind behutsam zu behandeln, ihr Interesse ist ein Geschenk.
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