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An der Straße nach Lynchville

„Lost Highway“ von David Lynch feiert eine Wiederaufführung, und in diesem Rahmen zeigt der Filmclub in Bozen den düsteren Albtraum im Kino. Eine besondere Gelegenheit.
Lost Highway
Foto: Lost Highway

David Lynch und Michael Haneke sind zwei Filmemacher, deren Werke stilistisch kaum unterschiedlicher sein könnten. Und dennoch teilen sich zwei ihrer Filme die inhaltliche Ausgangslage. Sowohl in Hanekes „Cache“, als auch in „Lost Highway“ von Lynch, schickt ein Unbekannter einem verheiratetem Paar per Post Videokassetten nach Hause. Darauf zu sehen ist sind die eigenen vier Wände, teils sogar das Paar selbst, bei Nacht im Bett schlafend. Jemand hat sich Zutritt verschafft, hat den privaten Raum gefilmt und lässt die darin Wohnenden unmissverständlich wissen, dass sie unter Beobachtung stehen. Von da an trennen sich die Wege von Lynch und Haneke, es ist dennoch bemerkenswert, wie nah sich beide Film zu Anfang sind. Während Haneke seinem Realismus treu bleibt, mäandert Lynch durch finstere Nächte und noch dunklere Tage. „Lost Highway“, der aktuell neu aufgeführt wird, vereint die meisten von David Lynchs filmästhetischen Merkmalen, so etwa die Anlehnung an den Film Noir, die schwer behangenen Traumräume, elektrisches Blitzen, unwirkliche Nebenfiguren, die Blonde, die Brünette, und so weiter. Doch auch inhaltlich ist der Film Lynch in Reinform. „Lost Highway“ wartet mit einer rätselhaften Geschichte auf, verhandelt unterdrückte Sexualität, lässt Gewalt explodieren, führt Doppelgänger und vermeintliche Archetypen des erwähnten Film Noir ein, lässt die Zeit gleichzeitig rückwärts wie vorwärts laufen, führt Metamorphosen durch, vereint alles in einem großen, wirren Traumgebilde.

 

 

Denn der Saxophonist Fred und seine Frau Renée, die besagte Videobänder zugespielt bekommen, tauchen alsbald in eine pervertierte Gesellschaft ein. Oder waren sie nicht längst Teil davon? Auf einer Party begegnen sie dem mysteriösen „Mystery-Man“, einem Lynch-Abbild des Mephisto. Er wird Fred immer wieder begegnen, ihm, und seinem neuen Ich, mehr sein an dieser Stelle nicht verraten. Überhaupt sollte man den Film ohne weiteres Vorwissen sehen, und hat man ihn bereits gesehen, es noch einmal tun. Der Film lädt dazu ein, völlig klar wird die Geschichte beim ersten Sehen nur den Allerwenigsten sein. Vielleicht ist es überhaupt nicht möglich, die Handlung überhaupt zu erfassen, vielleicht ist alles Raten und Interpretieren, Analysieren und Herbeiziehen von freud´schen Theorien, wie es bei Lynch gerne getan wird, völlig umsonst. Der Regisseur selbst sagte während eines Publikumsgesprächs einmal, seine Filme sollten nicht verstanden, sondern gefühlt werden.
 

...der Film geht weiter, beginnt wieder, wiederholt sich endlos oft. Wer ihn gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist.


Gefühlt wird in der Tat. Lynch schafft es, durch den Mix aus düsterer Grundstimmung, kafkaesken Räumen und Straßen, in denen sogar das gleißende Tageslicht bedrohlich wirkt, einer schneidenden, dann aber wieder ohrenbetäubenden Geräuschkulisse, und dem passenden Soundtrack, für eine unangenehme Atmosphäre zu sorgen. Die zieht sich durch, und hört nicht auf, wenn der Abspann über die Leinwand läuft. Denn der Film geht weiter, beginnt wieder, wiederholt sich endlos oft. Wer ihn gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist.
 

Lynch zeigt, was unter der Oberfläche steckt.


„Lost Highway“ stammt aus dem Jahr 1997, und ist der Vorgänger zu Lynchs „Mulholland Drive“. Anders als der 2001 erschiene Film ist „Lost Highway“ durch und durch ein Kind der 90er Jahre. Schriller, lauter, abgedrehter. Da hilft auch der exzentrische Soundtrack, der von Lou Reed, über Marilyn Manson und David Bowie, bis hin zu Rammstein führt. Letztere wurden dank der Verwendung zweier Lieder im Film erst international bekannt. Die eigentliche Filmmusik stammt wie üblich vom kürzlich verstorbenen Angelo Badalementi. Seine Klänge, gepaart mit Lynchs visionären, surrealen Bildern und dem Schauspielensemble rund um Bill Pullman, Patricia Arquette, Balthazar Getty und Robert Blake, lassen das Publikum eintauchen. In eine Welt, die der unseren recht ähnlich ist, nur etwas pervertierter, man könnte auch sagen, etwas unverhüllter. Lynch zeigt, was unter der Oberfläche steckt. Und der Filmclub Bozen tut es ihm glücklicherweise gleich, und zeigt am 16. und 17. Jänner in Bozen.

 

Lost Highway - Trailer, von TrailerTracker