Economy | Interview

„Haben keine Konkurrenz“

Was tun bei Wasserknappheit? Gibson Nyanhongo aus Simbabwe will mit seinem österreichischen Start-up der Landwirtschaft in Trockenperioden unter die Arme greifen.
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Foto: Agrobiogel
Vor zwei Jahren gründete Gibsyon Nyanhongo mit Johannes Paul Schwarz und Enrique Nacif in Tulln (Niederösterreich) das Jungunternehmen Agrobiogel, das ein Granulat produziert, um die Wasserspeicherfähigkeit von Böden zu erhöhen. Nacif ist mittlerweile nicht mehr Teil des Unternehmens. Im Interview berichtet der Wissenschaftler aus Simbabwe, wie es dazu kam und vor welchen Herausforderungen das Unternehmen heute steht.  
 
salto.bz: Herr Nyanhongo, kann das Agrobiogel auch für Südtirols Flächen einen Nutzen haben?
 
Gibson Nyanhongo: Agrobiogel hat immer dann ein Nutzen, wenn die Bewässerung der Flächen schwierig ist. Damit kann in der Regel bis zu 40 Prozent der Bewässerung reduziert werden, wobei die genaue Menge von der Größe der Flächen und den Wetterverhältnissen abhängt. Wenn die Bewässerung beispielsweise zwei- bis dreimal die Woche notwendig ist, braucht man mit Agrobiogel nur einmal alle zwei oder drei Wochen gießen.
 
Wie kam es zur Idee, Agrobiogel zu entwickeln?
 
Ich komme aus Simbabwe, ich habe mein erstes Studium in Kuba absolviert, dann einen Master of Science in Biotechnologie an der University of Zimbabwe und mein Doktorat an der Technischen Universität (TU) Graz bis 2005. Im Jahr 2006 begann ich als Senior Research Scientist an der Technischen Universität Graz zu arbeiten und erhielt später die Möglichkeit, mich an derselben Universität zu habilitieren, bevor ich 2013 an die Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien wechselte. Während meiner Zeit als Senior Research Scientist an der TU Graz (2006-2012) begann ich mit der Entwicklung von Hydrogelen für medizinische Anwendungen, insbesondere zur Verbesserung des Wundmanagements. Bereits 2013 kam ich als außerordentlicher Professor an die BOKU. Da die BOKU im Wesentlichen auf die Landwirtschaft ausgerichtet ist, habe ich mich bewusst für die Entwicklung von Hydrogelen für die Landwirtschaft entschieden. Anders als in der Medizin müssen Hydrogele für die Landwirtschaft jedoch billig sein, damit sie sich der Landwirt leisten kann. Aus diesem Grund habe ich mich für die Verwendung von Holzresten (Nebenprodukten) aus Bioraffinerien und der Zellstoff- und Papierindustrie entschieden.
 
 
Gibt es bereits ein ähnliches Produkt auf dem Markt?
 
Es gibt Hydrogels auf dem Markt, die synthetisch sind und aus fossilen Energieträgern bestehen. Sie haben negative Auswirkungen auf den Boden und sind nicht für landwirtschaftliche Flächen geeignet, die der Lebensmittelversorgung dienen. Meist werden sie in der Forstwirtschaft angewandt. Darin liegt unser Vorteil. Zurzeit würde ich sagen, dass wir auf dem Markt keine Konkurrenz haben. Es gibt zwar organische Hydrogels, aber diese bleiben nur zwei bis drei Monate im Boden. Unsere Hydrogel bleibt mindestens fünf Jahre im Boden.
Dabei arbeiten wir mit Bioraffinerien und der Zellstoff- und Papierindustrie zusammen, die viel Abfall produzieren, der für uns aber eine wertvolle Ressource darstellt.
Was passiert dann?
 
Unser Produkt baut sich dann zu Humus ab und fördert die Bodenqualität. Damit eignet sich Agrobiogel für die Bekämpfung von Wüstenbildung. Die Böden in Afrika oder auf der arabischen Halbinsel können so in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt werden. Außerdem wird mit Agrobiogel Kohlenstoffdioxid gespeichert. Da das Hydrogel aus einem Nebenprodukt der Holzverarbeitung gewonnen wird, ist das Produkt ein Beispiel der Kreislaufwirtschaft. Es wird aus Holz gewonnen und bietet fruchtbaren Boden für neue Pflanzen, die wiederum CO2 speichern.
 
Wie sieht ihr Geschäftsmodell aus?
 
Wir sind kein Direktvermarkter. Wir verkaufen an Großhändler, derzeit sind unsere Partner hauptsächlich in Österreich, einige von ihnen haben Niederlassungen außerhalb Österreichs. Agrobiogel kann in Europa sowohl für die konventionelle als auch für die biologisch zertifizierte Landwirtschaft genutzt werden.
Dabei ist es zweitrangig, ob die Landwirtschaft eine Monokultur ist, biologisch oder konventionell.
Wann rechnen Sie damit, das Produkt außerhalb Österreichs vertreiben zu können?
 
Das hängt davon ab, wie schnell unsere Produktionskapazität wächst. Zurzeit kämpfen wir wie alle Unternehmen mit den hohen Energiekosten. Auch die Unternehmen der Holzverarbeitung sind davon betroffen. Wahrscheinlich können wir also erst ab 2025 oder 2026 auf den internationalen Markt.
 
Denken Sie, es werden genügend Ressourcen zur Produktion von Agrobiogel zur Verfügung stehen?
 
Für unser Produkt muss kein Baum gefällt werden, weil wir ein Nebenprodukt der Holzverarbeitung nutzen. Dabei arbeiten wir mit Bioraffinerien und der Zellstoff- und Papierindustrie zusammen, die viel Abfall produzieren, der für uns aber eine wertvolle Ressource darstellt. Wir leisten einen wichtigen Beitrag für den Green Deal der EU.
 
 
Der Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt sind Herausforderungen für die Landwirtschaft. Welche landwirtschaftlichen Methoden werden trotz dieser Probleme aus Ihren Augen erfolgreich sein?
 
Für mich ist bei dieser Frage die Ernährungssicherheit von größter Bedeutung. Dabei ist es zweitrangig, ob die Landwirtschaft eine Monokultur ist, biologisch oder konventionell. Es geht darum, auch mit der Landwirtschaft zur Biodiversität beizutragen und gleichzeitig die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Es ist eine Frage der Balance und das Ziel sollte sein, die Vorteile verschiedener Landwirtschaftsmethoden zu kombinieren.