Arts | Ausstellung

Nicht ganz so einfach

„…Semplicemente donne“ nennt sich die Ausstellung mit der die Region, die Stadt Bozen und Stadtgalerie den 8. März vorweg nehmen. Macht man(n) es sich damit zu einfach? Mehrheitlich männliche Blicke auf weibliche Sujets durch das 20. Jahrhundert.
Semplicemente donne
Foto: Stadtgalerie Bozen
  • Es handelt sich, in den Worten des Saalblatts, das eine Seite auf den Werdegang des 8. März verwendet, auf der anderen Seite geht es „um eine Auseinandersetzung mit der Frauengestalt am Beispiel von 36 Künstlerinnen und Künstlern aus dem Trentino, Südtirol und dem ladinischen Raum“. Ersteren, den Künstlerinnen, wird zwar in der Nennung die Tür aufgehalten, beim Betreten der Galerie mit wachem Blick kommen sie allerdings an den Wänden zu kurz. In der Auswahl von 63 „Frauenbildern“ und Skulpturen, die Kurator Giuseppe Tasin ausgewählt hat, besticht vor allem der Männeranteil an Kunstschaffenden und Werken. Unter den Werken sind nur rund ein Viertel aus weiblicher Hand, Künstlerinnen sind etwa halb so viele zu sehen wie die männlichen Kollegen. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, dass alle für die Initiative „la regione fuori dai vetri“ aus den Archiven geholten Kunstwerke den Nachnamen voranstellen, aber so fällt es wohl etwas weniger in den Blick.

    Mehr als eine wohl soziologisch und historische bedingte Insuffizienz an weiblicher (Selbst-)Sicht in der regionalen Kunst stört allerdings, wie unreflektiert und unkommentiert dieser männliche Blick auf das Sujet fällt. Zur „Butterschmugglerin / In Erwartung“ von Carl Moser etwa gibt es keinen historischen Kontext, der dabei helfen könnte, den ausladenden Hintern der Dame einzuordnen können. Ohnehin ist es nicht die schönste Xyligrafie von Carl Moser. Vielleicht hätte man auch zu den exotisierenden Darstellungen wie der „Asiatica con natura morta“ des von Düsseldorf über Afers und schließlich nach Brixen gereisten Conrad Peter Dorfmann, oder der Künstlerin Anna Andruskiewicz, die eine „Musica Tzigana“ mit Öl auf Sperrholz bannt, eine Einordnung erhofft.

  • Blicke der Bewunderer: Die schöne Helene Carlo Bellis darf auf dem Gitterzaun Platz finden, der das alte Fresko in der Galerie schützt. Foto: Stadtgalerie Bozen

    Bei diesen Bildern, wie auch bei diversen erotisierenden, aber auch abstrahierten Körpern mit Darstellungen der „schönen“ Helena von Troja von Carlo Belli hätte eine kritische Frage gut gepasst, neben Auszeichnungen und biografischen Eckdaten. Die fragmentarischen  Körperdarstellungen im Detail – und auch die Aktdarstellungen, die oft das Gesicht abwenden, ausschneiden und anderweitig aussparen – hätten ein paar Worte über den „male gaze“, den männlichen Blick verdient. Man kann auch vom Stand des 21. Jahrhunderts auf das 20. zurück blicken.

    Lieber bemüht der Kurator allerdings eine historisierende, wenngleich nicht auf das letzte Jahrhundert angepasste Themeninsel um Frauen und Wasser, bei der er im Text auf das Sumerische zurückgeht, ganz zum Anfang, wo „a“ sowohl Wasser als Erzeugung bedeutet. Frauen und „ihre Rolle als Lebensspenderin“ werden damit mythologisiert und neben der „einfachen“ Frau, die Wasser trägt, sich dem begierigen Malerblick stellt, ein Kind erwartet sind Frauen die auf Frauen blicken seltener in der Galerie. Dabei sollte es nicht einmal um Begierde gehen, sondern um eine selbstbestimmte, von Frau selbst gesetzte Perspektive.

    Mit der Frage danach, was eine Frau ist – seltener heißt es, weniger angespannt, „Ab wann ist ein Mann ein Mann??“ – hat man online bereits verloren. Dass ich mir als Mann eine weiblichere Perspektive auf die Fragestellung, wie Frauen durch das 20. Jahrhundert gesehen wurden und sich selbst sahen, ist vielleicht utopisch. Die Antwort suche ich nach Möglichkeit bei  Künstlerinnen, wie auch bei Kuratorinnen, ohne den männlichen Künstlern ihr Talent abzusprechen. Vom Gegenüber erfährt man mehr.

    Ansonsten kommt der Blick eines Mannes, wie bei Eugen Gomringers „Avenidas“, oft ungebeten und zum falschen Zeitpunkt. Erinnern sie sich? Eugen Gomringer - der mittlerweile 100-Jährige, der lange Zeit ab 2017 nicht verschwand, als es um acht „ganz harmlose“ Zeilen von ihm auf der Alice-Salomon-Hochschule ging. Neben Alleen und Bäumen und Frauen und einen Bewunderer ging es damals auch um den ungebetenen Blick.

    Diesem Mann erscheint das Frauenbild von „…Semplicemente donne“ zu aller mindest als zu häuslich, passiv hingebungsvoll, mütterlich-gütig und auch zu abhängig für einen Anlass, der wie man selbst erinnert, auf Protestbewegungen und politische Teilhabe an der Welt zurückgeht. Zumindest erweckt die Ausstellung nicht den Anschein, als wären Frauen auch auf Demos und dort anzutreffen, wo ein sozialer Wandel hin zum Guten stattfindet, sondern mehr bei unbezahlter „Care“-Arbeit.

  • 2. Etage: Während sich im oberen Stockwerk die Geschlechter noch einigermaßen die Waage halten, so ist im Untergeschoss ein akuter Mangel an Vitamin F festzustellen. Foto: Stadtgalerie Bozen
  • Frau hat es nicht leicht, damals nicht und auch nicht heute, sie darf - ob „Er“ oder „Sie“ die Auswahl der Werke trifft – gerne auch kämpferischer zeigen, auch anlässlich von „L’otto“ marzo. Landeshauptmann Kompatscher übermittelte zur Vernissage am Anfang der Woche aus der Abwesenheit: „Die Ausstellung soll eine Anregung sein, über die Darstellung der Frau und über deren Auswirkungen auf die Rolle der Frau auch in der heutigen Gesellschaft nachzudenken. Eine bewusstere Sichtweise einzunehmen bedeutet, den Weg der Emanzipation der Frau mitzugehen und alle Frauen und Personen zu unterstützen, die mit Mut und Entschlossenheit den kulturellen und sozialen Fortschritt, den die Gleichstellung in unserer Gemeinschaft bewirkt, ermöglicht haben und weiterhin ermöglichen.“ Zur aufrichtigen Wertschätzung – nicht zum Begehren – bräuchte es allerdings auch eine kritische Einordnung und die eine oder andere Form von Hinweis, dass das überholte Frauenbild des letzten Jahrhunderts ein ebensolches ist. Leider haben wir es immer noch nicht abhängen können.

  • Zur Ausstellung liegt ein zweisprachiger Katalog in der Bozner Stadtgalerie kostenfrei auf. Die aktuellen Öffnungszeiten der Galerie am Bozner Dominikanerplatz bis 11. März sind Dienstags bis Sonntags, jeweils zwischen 10 und 13, sowie zwischen 15.30 und 18 Uhr. Es werden Werke von Luigi Degasperi, Anna Andruskiewicz, Carlo Belli, Conrad Peter Bergmann, Carlo Bonacina, Alberto Bruschi, Ugo Claus, Livio Conta, Paolo Dalponte, Giuseppe Debiasi, Maria Delago, Alvarez Festi, Maria Grazia Fill, Marisa Fontanesi, Cirillo Grott, Lois Irsara, Maria Lotter Montenovesi, Eduard Moroder, Gottfried Moroder, Carl Moser, Franco Murer, Franco Nardon, Metodio Ottoglini, Michelangelo Perghem Gelmi, Liselotte Plangger Popp, Guido Polo, Christian Reisigl, Gianluigi Rocca, Aldo Schmid, Luigi Senesi, Mario Signorelli, Sigrid Trojer, Giuseppe Varner, Pietro Verdini und Rita Vivori, sowie Othmar Winkler.