Culture | Salto Afternoon
Wasser, Sehnsucht und Distanz
Foto: Privat
Vor einer marmorierten Sprachforelle deren Schuppenkleid aus kreuz und queer geschriebenen Texten Dejacos bestand, ging es auf die Bühne. Der gemischte Musik- und Leseabend begann mit zwei Songs, „…da wo keiner wohnt“ (welches am Ende mit der letzten Zugabe eine schöne Klammer bilden sollte) und „Coastline“. Durch E-Piano und Duett-Gesang konstruierte man mitreißenden Tanzpop mit besonders starken Refrains, der an der dichten Bestuhlung des Veranstaltungsraum seine Unmöglichkeit fand. Da es neben Wassermotiven am Abend besonders häufig um Sehnsucht ging, passte das ganz gut. Die Stücke waren dabei nicht bloß opulent, was der einfache Teil der Übung wäre, sondern strukturell gelungen, da mit einem Piano-Plätschern an der Wahrnehmungsgrenze, welches den synthetischen Klängen Struktur schenkt, dort mit klanglichem Freiraum, der die Sehnsuchtsmetaphern atmen lässt. Der Sound jedenfalls überzeugte und das (Bühnen-)Paar sollte noch viel Freude mit dem Effekt-Spiel und heterogenen Ideen haben.
Dejacos Textbeiträge begannen mit zwei Stücken Slam Poetry, welche er textversunken, ohne viel Kontakt zum Publikum vorlas, beim ersten, „Unterwassertage“, schien diese Inselexistenz passend, beim zweiten, klangverliebteren Gedicht fehlte der Bezug etwas. Der Dichter sollte seinen Draht zum Publikum jedoch rasch finden.
Mit „daily routine“ folgte ein dunkelbunter Song von den Schwierigkeiten der Alltagsbewältigung und eine Dosis Schwermut - metaphorisch wiederum nah am Wasser gebaut, erweitert durch einfache Loops von Dejacos Akustikgitarre - welche durch vier humorvolle Kurzprosa-Schnipsel (am besten kam das „Kleinteilelager“ an, in welchem es um nur allzu vertrauten bürokratischen Wahn ohne Sinn ging) kontrastiert wurden.
„Klau’“ der nächste Song auf der Setlist gab am klarsten eine geistige Verwandtschaft mit Element of Crime oder Die Sterne preis, poppig untief, mit ironisiertem Egoismus und Anarchismus: Es wurde zum Diebstahl aufgerufen (bei einem Refrain leicht textlich aneinander vorbei, ein einziges Mal am Abend), aber doch bitte nicht von den Künstlern, die auf der Bühne stehen. Die beiden textlichen Beiträge die folgen sollten zählten sicherlich zu den besten und enthielten die stärkste (Sicker-)Pointe des Abends. Hier sei sie nicht verraten, da man hoffen darf Dejaco wieder einmal auf einer Bühne zu sehen. In „Nachts im Literaturmuseum“ fing Dejaco mit dieser die Aufmerksamkeit seines Publikums ein, bevor er feinfühlig und poetisch von den Gefühlen von Thomas Manns unter Glas ausgestelltem Bleistift sprach. In „Sprechisch“ hingegen thematisierte er formal und inhaltlich die Absurdität starrer Sprachgrenzen und brach eine Lanze für den Regelbruch.
„Diese Rollenbilder sind wie Einbahnschilder - freie Fahrt das erste Stück, doch nur auf Umwegen zurück“ war der eingängige Schlachtruf für die scheinbar unwahrscheinliche Liebe von Cellospieler Engelbert und Harleyfahrer Franz in „Franzens Frittenbude“, eine hastig gesungene Lovestory mit Happy End, was in gleichgeschlechtlichen Liebesgeschichten allzu selten ist. Dabei ging, den Rollenbildern entgegen, Schwärzer mit der Stimme nach unten, Dejaco nach oben, für ein schräges Resultat. Die zwei folgenden Textbeiträge setzten dort an, wo „Sprechisch“ aufgehört hatte, beim Umgang mit der Sprache. Während „Zakkane“ ein dialektal-logopädisches Glanzstück in punkto Lachern war, widmete sich „Iinglish“ den sprachlichen Zwischenstufen, die irgendwo zwischen Dialekt und Hochsprache liegen und so vielfältig wie auch flüchtig sind.
Man blieb beim Humor und erklärte im Folgenden was eine Loopstation sei, da diese für den „Wipptaler Heimatbeat“ unerlässlich war. Dieser Beat war das Lied mit dem größten Radiopotential des Abends. Die Idee für den Text kam in einem Kreisverkehr bei Sterzing, Orts- und Fraktionsnamen von Thuins bis Tschöfs und von Pfitsch bis Ratschings wurden aufgenommen, manipuliert und zu einem Beat konstruiert. War anfangs der Aha-Moment noch groß, so verloren sich doch die innovativen Samples in der übermächtigen Elektronik. Man blieb auch noch einen Moment lang in der Provinz, denn mit „Berge brauchen platz“ sinnierte Dejaco in Textform wiederholungsreich (fast in Songstrukturen) über den Horizont und die geistige Freiheit, ohne über das Klischee „enge Täler, enger Geist“ zu stolpern - mehr ging es um landschaftliche Faszination.
Die nächste musikalische Nummer „Große Stadt“ bewegte sich selbstbewusst an der Grenze zum Kitsch, fragte sich wo die Momente seien und wie sie aneinander vorbei gehen, abermals war (kurze) Distanz und Sehnsucht tonangebend. Mit „Birds“ stellte uns Dejaco dann einen Joe vor - nein, nicht diesen - einen Gangleader mit einem eigenwilligen Zugang zu Body-Positivity und einer, auch textlichen, polternden Behäbigkeit im Kontrast zu dem was kam. „Geht nicht gefällt nicht“ war ein Auszug aus einem Jet-Set-Leben, welches irgendwo in der Hotel-Lobby Ernst Jandl trifft und sich, gezwungenermaßen, entschleunigt.
Eine Partyhymne, „Moon on fire“, stellte das Texte Schmieden einen Moment lang in die zweite Reihe und feierte mit Whisky-Cola in englischer Sprache Rausch und Exzess. Der Refrain war einprägsam, der Beat größer als der kleine Raum in welchem er aus den Boxen kam und mehr brauchte es eigentlich nicht. Magdalena „Groove-Machine“ Schwärzer glänzte hier, auch wenn ihr Gesang auf den lauten Grundpegel vielleicht ein My zu laut wurde.
Text und Lied gehörten im Folgenden zusammen um den Regelteil des Abends zu beschließen: Auf den Text „ins Blau“ folgte das Lied „Blau“ und während sich Dejaco in ersterem in Richtung Einsamkeit und Auflösung schrieb, war im zweiten ein sehnsuchtsvolles, reduziertes Duett zu hören, für welches das E-Piano Schwärzers zu klaren Piano-Tönen fand. Man war beieinander und war im Moment und fand zu einem möglichen Ende.
Nach Danksagungen und starkem Schlussapplaus gab es noch Zugaben, in Textform „Die Wiese“, ein Slam Text aus Dejacos literarischem Frühwerk, vor welchem er in seine anfänglichen kreativen Prozesse blicken ließ, dann eine Umgestaltung eines solchen Texts - „Nix“ - zur Rappnummer gegen Rechts und für (Garten-)vielfalt von Dejaco. Den Schlusspunkt des Abends setzte man bei aller geballten Kreativität aber gemeinsam und mit einem Dialektcover, das besser funktionierte als gedacht. „Es Haus wo niemand drin leb’“, nach Tom Waits sangen Schwärzer und Dejaco für einander, mehr als fürs Publikum.
Schön war es, nach gut 10 Jahren wieder einmal Arno Dejaco zur Sprache kommen zu sehen und Magdalena Schwärzer war für mich eine schöne Neuentdeckung. Es bleibt zu hoffen, dass die beiden wiederum „Kinzer“ finden, welche sie bei den Proben für neue Projekte vertreten. Ihnen widmete man den ausverkauften Abend.
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