Economy | EU-Verbrenner-Aus

„Autofahren macht auch ohne Lärm Spaß“

Trotz der Ausnahme für E-Fuels wird sich der Elektroantrieb am Markt durchsetzen. Das sei aber nur Teil der Lösung, sagt Harald Reiterer von der sta – Green Mobility.
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Foto: sta / Manuela Tessaro
Vor kurzem haben die Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) für das bereits angekündigte EU-weite Verbrenner-Verbot ab 2035 grünes Licht gegeben. Allerdings gilt das Verbot jetzt nur noch weitgehend, da für E-Fuels eine Ausnahme ausgearbeitet werden soll. E-Fuels sind künstlich erzeugte Kraftstoffe mit großem Energiebedarf in der Produktion.
Denn es passiert ja nicht von heute auf morgen, dass alle Autos mit Strom fahren.
Harald Reiterer, Leiter von Green Mobility bei der Südtiroler Transportstrukturen AG (sta), ordnet die Entwicklungen der letzten Monate in Brüssel ein: „Die Kommission und das Parlament der EU hatten sich zuvor bereits geeinigt, den Verbrenner-Motor abzuschaffen. Dass sich Deutschland dann im letzten Moment quergelegt hat, kam unerwartet. Da dann auch andere Länder wie Italien auf die Forderung Deutschlands aufgesprungen sind, wurde beschlossen, dass der Verbenner-Motor bei den Neuzulassungen ab 2035 nicht komplett verboten wird. Dass dieses Ergebnis zustande kam, obwohl im Vorfeld das Verbrenner-Aus bereits vereinbart worden war, ist im Grunde das Ergebnis von Lobbyarbeit.“
 
 
Reiterer begrüßt dennoch die Signalwirkung der Entscheidung, die dann alle Neuwagen mit Verbrennungsmotoren verbietet, die mit fossilem Diesel oder Benzin fahren. Außerdem werde die Ausnahme für E-Fuels im Jahr 2035 laut dem Mobilitätsexperten wenig Relevanz haben: „Es wird wenige Menschen geben, die dann noch einen mit E-Fuels betriebenen Wagen kaufen, weil der Elektromotor viel effizienter ist und dann auch günstiger sein wird.“
Bei einem Elektroauto wird 81 Prozent der ursprünglich eingesetzten Energie für die Fortbewegung genutzt, bei einem Wasserstoff-Auto nur noch 26 Prozent und bei einem Verbrennungsmotor mit E-Fuels 14 Prozent. „E-Fuels werden im Wesentlichen aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt. Bei der Herstellung des Kraftstoffes braucht es mehrere Umwandlungsschritte, denn zunächst muss aus Wasser Wasserstoff hergestellt und aus der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid entnommen werden. Diese Prozesse sind sehr energieaufwändig“, erklärt Reiterer.
Die Eigenschaft der Verbrenner und damit auch der E-Fuels-Wagen, auf der Straße mehr Lärm und so auch mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen, seien wohl immer seltener ausschlaggebend bei der Kaufentscheidung eines Neuwagens. „Autofahren kann auch Spaß machen, ohne dass Lärm erzeugt wird. Davon profitieren die Anrainer, die Wanderer, aber ebenso die Tiere in der Natur“, sagt Reiterer.
Der motorisierte Individualverkehr stellt auch in Südtirol eine große Belastung dar: „Der Lärm ist manchmal unerträglich. Wenn ich zum Beispiel im Passeiertal an der Hauptstraße und somit entlang einer Motorrad-Route über die Passstraßen wohne, habe ich eine deutlich geringere Lebensqualität.“ Aus diesem Grund sei es auch denkbar, in bestimmten Zonen wie dem Weltnaturerbe oder anderen Alpenpässen in Zukunft nur noch geräuscharme Elektrofahrzeuge zu erlauben.
 

E-Mobilität in Südtirol

 
Die E-Mobilität soll in Südtirol weiter forciert werden, derzeit gibt es hierzulande über 300 öffentliche Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. „Das ist eine gute Grundausstattung und wir sind italienweit vorne dran. Was beispielsweise aber noch fehlt, sind Schnellladesäulen mit bis zu 300 Kilowatt pro Ladestation auf der Brenner-Autobahn, sogenannte Hubs mit vielen Ladestationen“, sagt Reiterer von der sta – Green Mobility.
 
 
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur sei eine Herausforderung für das derzeitige Stromnetz: Werden beispielsweise acht Schnellladesäulen à 300 Kilowatt gebaut, belaufe sich der Strombedarf auf 2,4 Megawatt – eine sehr große Menge an elektrischer Energie für nur einen Hub. Erfolgsbeispiele hierfür gebe es bereits in den nördlichen Ländern wie den Niederlanden und Deutschland. „In diese Richtung sollte auch bei uns etwas passieren“, so Reiterer.
Außerdem gebe es auch Ausbaubedarf bei den Parkplätzen mit Lademöglichkeiten abseits der Autobahnen. Anbieten würden sich zum Beispiel Parkgaragen und großflächige Parkplätze, die häufig im Auftrag der Gemeinden von Konzessionären betrieben werden. So könnte, beispielsweise während eines Stadtbummels, das eigene E-Auto in der Zwischenzeit aufgeladen werden.
Im Vergleich zum Tanken mit Verbrenner-Motor gestaltet sich das Aufladen der Speicherbatterien von E-Autos zeitaufwändiger: Mit einer Haushaltssteckdose dauert es meistens über zwölf, bei einer Ladesäule mit 22 Kilowatt etwa zwei bis vier Stunden. Wird ein Auto an eine Schnellladesäule mit 150 Kilowatt Gleichstrom angeschlossen und kann diese Leistung auch abrufen, ist das Fahrzeug in weniger als 20 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen. Die Zeiten sind aber je nach E-Auto individuell, denn Ladestation, Ladetechnologie des E-Autos und Batteriegröße spielen eine eintscheidende Rolle.
Man sieht mittlerweile auch in den Dörfern, angefangen bei den Jugendlichen, dass viele mit E-Bikes unterwegs sind.
Abgesehen von der Infrastruktur der Ladestationen brauche es auch einen Ausbau der Stromproduktion mit erneuerbaren Energien und einen Ausbau der Netzinfrastruktur. „Das sollte mit dem Ausbau der Elektromobilität Hand in Hand gehen. Laut einer Schätzung ist der Strombedarf in Deutschland bei einem kompletten Umstieg auf Elektromobilität um circa 30 Prozent höher. Dieser Mehrbedarf sollte jedenfalls mit erneuerbaren Energieträgern abgedeckt werden“, erklärt Reiterer.
„Wenn alle zusammenarbeiten, ist das machbar. Denn es passiert ja nicht von heute auf morgen, dass alle Autos mit Strom fahren. Es ist eine schrittweise Entwicklung, die sich bereits heute abzeichnet. Deswegen sollten sich alle darauf vorbereiten“, so Reiterer.
Auch das Land ist bestrebt, schrittweise emissionsfreie Fahrzeuge für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einzusetzen. Die Südtiroler Elektrobusse werden entweder mit Batterie oder mit Brennstoffzelle und Wasserstoff betrieben. Ein Ausbau ist geplant. Etwa können mit Geldern aus dem Wiederaufbaufonds PNRR zwei neue Wasserstofftankstellen entlang der Brennerachse gebaut und fünf neue Busse mit Strom- oder Wasserstoffantrieb angekauft werden.
 

Alternativen zum Auto

 
Spricht man Harald Reiterer darauf an, welche Rolle andere Fortbewegungsmöglichkeiten in Zukunft spielen, sagt er: „Das ist eigentlich der zentrale Punkt. Elektromobilität ist ein Teil der Lösung. Wir dürfen aber nicht glauben, dass sämtliche Probleme gelöst sind, wenn wir einfach alle bestehenden Verbrenner-Fahrzeuge durch elektrische ersetzen. Es muss vielmehr ein System geschaffen werden, bei dem ein starker ÖPNV im Mittelpunkt steht.“ Dafür brauche es einen Ausbau der Zug- und Busverbindungen sowie die Verbesserung der Intermodalität. Dieser Begriff steht in der Fachsprache für gute Kombinationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln, ob Bus, Bahn, Fahrrad oder Auto.
 
 
Um die letzte oder erste Meile besser bewältigen zu können, brauche es, etwa bei Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen, sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und E-Bikes, sogenannte Fahrradboxen mit reservierbaren Plätzen. Denn gerade im urbanen Raum sei das Fahrrad oder E-Bike das ideale Fortbewegungsmittel. „Man sieht mittlerweile auch in den Dörfern, angefangen bei den Jugendlichen, dass viele mit E-Bikes unterwegs sind. Denn damit können auch längere Strecken und Steigungen problemlos bewältigt werden.“ Um Radfahren noch attraktiver und sicherer zu machen, sei der Ausbau der Fahrradwege und eine Reduzierung der Fahrtgeschwindigkeit von Autos in Ortschaften notwendig.
In den letzten Jahrzehnten sei schon viel passiert, etwa der Südtirol-Takt mit einer Anbindung ohne lange Wartezeiten beim Umsteigen und die Einführung des Südtirol Passes, aber auch die Inbetriebnahme und die nun anstehende Elektrifizierung der Vinschger Bahn sowie der Ausbau der Bahnlinie zwischen Bozen und Meran. „Damit wird es möglich sein, mit den Zügen von Mals direkt bis nach Innsbruck oder Lienz durchzufahren, was für die Bahnreisenden deutliche Vorteile bringt“, sagt Reiterer.
 
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Josef Fulterer Sat, 04/15/2023 - 08:14

Die über über-motorisierten mehr als 2 Tonnen schweren E-Autos, "sind nicht die Lösung für den Privatverkehr."
Der Gebrauch, die Geschwindigkeit, aber auch das Gewicht muss dringend herunter gefahren werden.
Die mit viel Energie hergerstellten E-Fuels werden den Verbrennern den Spass verderben und der Luftfahrt-Industrie nicht die erwünschte (... weiterhin Steuer-freie) Zukunft sichern.

Sat, 04/15/2023 - 08:14 Permalink
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Klemens Riegler Sat, 04/15/2023 - 21:50

Heute haben wir Diesel, Benziner, Elektro.
Gute Ansichten Herr Reiterer! ...
2035 gibt es hoffentlich nicht nur Elektro, Wasserstoff und E-Fuels, sondern weitere sinnvolle Systeme. Speziell in Sachen SPEICHER & LADUNG wird sich wohl noch extrem viel tun. Als Antriebsart selbst wird wohl der Elektromotor das Sagen haben.
Ein guter Mix scheint mir jedenfalls allemal besser als 100% irgendwas.

Sat, 04/15/2023 - 21:50 Permalink