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Grillo suspendiert den Bürgermeister von Parma

Die Bürgermeister der Fünfsterne-Hochburgen Parma und Livorno haben Ermittlungsbescheide erhalten. Ein Schock für die Bewegung der selbsternannten Saubermänner.

Jetzt hat es auch den prominentesten Bürgermeister der Fünfsterne-Bewegung erwischt. In Parma hat Federico Pizzarotti wegen angeblichen Amtsmissbrauchs bei der Ernennung des städtischen Theaterdirektos einen Ermittlungsbescheid der Staatsanwaltschaft erhalten. Pizzarotti liess sich nicht irritieren: "Sono tranquillo, il mio impegno continua senza esitazioni."

Erst vor zwei Wochen waren in Livorno Bürgermeister Filippo Nogarin und sein Stadtrat Gianni Lemmetti ins Visier der Staatsanwalt geraten. Für beide kein Grund, zurückzutreten. 

Doch kurz vor den Gemeindewahlen sorgen die wachsenden Probleme ihrer Verwalter für deutliche Irritation in der Bewegung. Denn bisher konnten die selbsternannten Saubermänner stets mit dem Finger auf die anderen Parteien deuten: "Noi non siamo corrotti."  Nach einer Umfrage fordern
67 Prozent der M5S-Basis einen Rücktritt bei Erhalt eines Ermittlungsbescheids.

Ein bisher unbestrittenes moralisches Grundprinzip, das jetzt plötzlich aufgeweicht wird: "Gli avvisi di garanzia non possono essere usati come i manganelli", so die römische Spitzenkandidati Virginia Raggi.  Ein bisher im M5S  unvorstellbarer Satz, der sich dem Jargon Renzis gefährlich nähert und der Luigi Di Maio kräftige Bauchschmerzen bereitet. Raggi: "La legalitá non puó essere usata strumentalmente contro una forza politica." Im fünfköpfigen Leitungsgremium wächst die Besorgnis, aber es herrscht kein Konsens im Umgang mit   dem explosiven Thema.

Am Freitagnachmittag kam plötzlich der unerwartet Paukenschlag.  Beppe Grillo suspendierte den Bürgermeister von Parma wegen "mangelnder Transparenz". Er und seine Stadträtin für Kultur Laura Ferraris hätten bereits seit einiger Zeit vom Ermittlungsbescheid gewusst, aber dazu geschwiegen.  Dasselbe gilt für Nogarin in Livorno und für den Bürgermeister von Pomezia, Fabio Fucci. Aber Grillos Antipathie gegenüber Pizzarotti ist sattsam bekannt. Die Entscheidung wird im M5S für neue Polemiken sorgen, denn der Bürgermeister antwortete mit massiven Angriffen auf das Leitungsgremium der Bewegung, das seine e-mails "über Wochen systematisch ignoriert" habe: "La responsabilità è di Di Maio. Il Direttorio si è mostrato irresponsabile nella conduzione del Movimento È dovuto il rispetto delle persone. Non è un comportamento che si addice a quella che è la prima forza del paese. Spero ci siano delle scuse. Per mesi abbiamo chiesto a Fico un incontro. Tocca a loro chiedere scusa. Il confronto ci è stato negato. Io assessori consiglieri ci mettiamo la faccia, continuo a pensare di rappresentare nelle azioni lo spirito del M5s."

Ihre notorische Selbstbeweihräucherung als honorige Gesellschaft droht für die Bewegung jetzt zum Bumerang zu werden. In 13 der 17 von ihr regierten Gemeinden haben die Verwalter Probleme mit der Staatsanwaltschaft. In Quarto geriet die neugewählte Bürgermeisterin Rosa Capuozzo nach der Wahl eines camorraverdächtigen Kandidaten ins Visier der Ermittler. In Alessandria wurde der M5S-Fraktionssprecher Angelo Malerba letzthin festgenommen, weil er im Umkleideraum eines Fitnesszentrums 100 Euro aus einer Geldtasche gestohlen hatte. In Bagheria musste der Stadtrat für Urbanistik Luca Tripoli wegen ungesetzlicher Baugenehmigungen zurücktreten und Bürgermeister  Patrizio Cinque Bausünden im eigenen Wohnhaus eingestehen. Gewiss: Kleinigkeiten gemessen an den Ermittlungsbescheiden in den zwei Hochburgen der Bewegung. Aber eines steht fest: Die Fünfsterne-Bewegung wird ihren "giustizialismo d'assalto" gegenüber anderen Parteien überdenken müssen, will sie in Zukunft nicht ständig auf die Missstände im eigenen Lager hingewiesen werden.

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Albert Hofer Fri, 05/13/2016 - 23:36

Ich bin jetzt weiß Gott kein "grillino" (und die Selbstgerechtigkeit der "Bewegung" lässt jetzt fast schon Schadenfreude in mir aufkeimen), aber meines Erachtens weisen die zur Diskussion stehenden Ermittlungen weniger auf absichtliche kriminelle Handlungen der betroffenen Politiker hin, als vielmehr auf das inzwischen völlig durchgedrehte Justizsystem in Italien.

Wenn ein Verwalter heutzutage nicht unterschreibt, kriegt er eine Klage wegen Unterlassung einer Amtshandlung, wenn er etwas unterschreibt wegen Amtsmissbrauch, wenn er sich professionell beraten lässt, sitzt ihm der Rechnungshof im Nacken, wenn er Rat bei Freunden sucht, wird er wegen Freunderlwirtschaft angezeigt, wenn er ohne klare gesetzliche Vorgaben vorgeht, handelt er willkürlich, wenn er einen Präzendenzfall aus dem Jahr 1972 nicht kennt oder unwissentlich einem Dekret aus dem Jahr 1928 zuwiderhandelt, dann wird er wegen grober Fahrlässigkeit belangt, usw. usf.

Ich würde fast die These aufstellen, dass man heute gar nicht mehr administrativ tätig sein kann, ohne (!) vor Gericht gezerrt zu werden...

Fri, 05/13/2016 - 23:36 Permalink