Die verlorene Saison
Für die Fische. Die vergangene Wintersaison war für die Fische: Herrlicher und massiv viel Schnee - und die Lifte zu.
„Wir hatten keinen einzigen Tag geöffnet“, sagt der Vizepräsident der Schöneben AG Christian Maas. Auch nicht für Trainingsgruppen. 100 Prozent Ausfall. In einer normalen Wintersaison sind im Skigebiet Schöneben rund 100 Leute angestellt. Der Großteil davon Saisonarbeiter. Die Saisonarbeiter konnten mit der Schließung keinen Tag arbeiten. Grundsätzlich, sagt Maas, haben sich die Saisonarbeiter eine andere Arbeit suchen müssen. Hinter vielen Saisonarbeitern sind Familien, sind möglicherweise Schulden für den Hausbau. Die Skilehrer arbeiten als Selbstständige und hatten mit dem Totalausfall kein Einkommen. Eine herausfordernde Situation, die die Einschränkungen infolge dieser Covid-Pandemie mit sich brachten. Bereits im vorigen Winter, am 7. März 2020, wurden sämtliche Skigebiete geschlossen. Der Sommer 2020 war dann wieder eine gute Saison.
Wie verkraften die Skigebiete diesen Totalausfall? Herb ist der Ausfall des Cashflows, sagt Maas. Der komplette Ausfall einer Saison, also der Riesenverlust, könne durch das umsichtige Arbeiten in der Vergangenheit und durch die gute Zusammenarbeit mit den Banken überbrückt werden. Dennoch wird dieser Ausfall die Schöneben AG in den nächsten Jahre belasten. Man hoffe allerdings auf staatliche Hilfen. Das „Sostegno 1“-Dekret sei verabschiedet und darin seien für die Aufstiegsanlagen italienweit 430 Millionen vorgesehen, 38% davon für die Südtiroler Aufstiegsanlagen. Der Verteilungsschlüssel ist noch nicht klar.
Hoffnung schöpft Maas vor allem aus der vergangenen gut gelaufenen Sommersaison und die Schöneben AG startet mit 21. Mai 2021. Die beiden Umlaufbahnen gehen dann in Betrieb, die Gastrobetriebe auf der Haideralm, das neue Restaurant in Schöneben und das Sciuri in Piz an der Talstation in Reschen ebenfalls. „Es bleibt uns nichts anderes, als optimistisch nach vorne zu blicken“, sagt Maas.
„Was soll man da sagen“, atmet der Präsident der Seilbahnen Sulden Erich Pfeifer hörbar durch. Sulden und auch Schnals seien im vorigen Jahr, März und April 2020, bereits hart von der Schließung betroffen gewesen. Gerade in jener Randsaison, in der die Leute noch gern und viel Skifahren gehen und in der die anderen Skigebiete ihre Lifte stilllegen. Genau diese Zeit und der Saisonsrand im Oktober und November ist die Stunde der Gletscherskigebiete Sulden und Schnals. Abgehakt. Im frühen Herbst 2020 hat man, so Pfeifer, mit großem Elan und mit großer Zuversicht für die Wintersaison 2020/2021 vorbereitet. Man war gerüstet - schneetechnisch, sicherheitstechnisch, mit motivierter Mannschaft. Nach zwei prächtigen Wochen das Aus. Am 9. November 2020 mussten die Lifte für das Publikum geschlossen werden. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres. Geblieben sind vorerst internationale Mannschaften, die sich in Sulden auf die Skisaison vorbereitet haben. „Bis in den Dezember hinein hatten wir verschiedene Nationalmannschaften zu Gast. Die Rosimbahn und die Rosimpiste waren ausschließlich für Trainingszwecke geöffnet“, sagt Pfeifer. Nach dem Abreisen der Nationalmannschaften war die Piste 2 bis 3 mal die Woche für Skiclubkinder geöffnet. „Das war ein Dienst an den Jugendsport“, sagt Pfeifer. Mit einem Geschäft habe das nichts zu tun gehabt. Im Gegenteil sagt Pfeifer: „Das hat uns einiges an Geld gekostet. Die letzten drei Wochen haben wir die Madritschgegend aufgemacht, für Trainingsmannschaften, für Skilehrerausbildung - mit Fis-Rennen und Skilehrermeisterschaften.“ 200 bis 300 Leute waren da auf der Piste.
Pfeifer sagt, dass es doch bemerkenswert sei, dass bei uns die Skigebiete geschlossen haben und in der nahen Schweiz die Skigebiete offen hatten. „Das Virus ist trotzdem zirkuliert“, sagt Pfeifer. Einen Zusammenhang zwischen geöffneten Skigebieten und Virusverbreitung hat es nicht gegeben. Die Schweiz habe das eindrucksvoll bewiesen. „Bitter“, sagt Pfeifer, „dass nur wir geschlossen hatten.“
Ähnlich wie in Schöneben sind auch in Sulden und Trafoi gut 100 Leute in der Wintersaison bei den Seilbahnen beschäftigt. Das kleine Skigebiet in Trafoi hat überhaupt nicht aufgemacht. Die Situation sei, so sagt es Pfeifer, für viele Saisonangestellte sehr tragisch. Es sei für ihn als Geschäftsführer sehr belastend gewesen, vor versammelter Mannschaft verkünden zu müssen, dass die Lifte zu bleiben müssen. Auch habe ihm das im ersten Moment niemand geglaubt. Es habe, verständlicherweise, lange Gesichter gegeben. So mussten sich viele Saisonarbeiter um eine alternative Arbeit umsehen, viele Jahresangestellten sind im Lohnausgleich. Eine Stammmannschaft von rund 15 Leuten habe die Trainingsgruppen mit offenem Lift und Gastrobetrieb begleitet. Getroffen haben diese Lift-, Hotellerie- und Gastronomie-Lockdowns auch alle Dörfer in den Skigebieten und darüber hinaus. Skiverleih, Bars, Sportgeschäfte... „Die Dörfer sind stillgestanden“, formuliert es Pfeifer.
Nun hoffe man auf Unterstützung vom Staat. Denn der Verlust des Jahresumsatzes von rund 10 Millinen Euro tue schon verdammt weh. Zumal man bereits im Jahr 2020 die komplette Erneuerung des Kanzelliftes verschieben hat müssen. Diese Erneuerung will man - trotz Riesenverlust - heuer angehen. Eine kuppelbare 10er Kabinenbahn soll den alten Kanzellift ersetzen. Derzeit wird der alte Lift abgebaut. „Zu Weihnachten soll der neue Lift laufen“, sagt Pfeifer. Es werde zwar eine schwierige Herausforderung, aber man sei trotzdem zuversichtlich.
In Nauders ist es eine Spur anders verlaufen als in Südtirol. Trotzdem - „der Winter ist extrem schwierig verlaufen“, sagt Prokurist Michael Schöpf. Er ist gemeinsam mit Georg Schöpf Geschäftsführer der Nauderer Bergbahnen. Die Schließung der Gletscherskigebiete in Österreich am 3. November 2020 ließ zunächst die Hoffnung aufkeimen, dass nach einem solchen Skigebiets-Lockdown beruhigt in die Wintersaison gestartet werden konnte. Die Vorbereitungen für die Eröffnung in Nauders am 11. Dezember 2020 liefen auf Hochtouren, der Termin wurde dann auf 19. verschoben und schließlich am 26. Dezember wahr gemacht. Allerdings wurde aufgrund der Einreisebestimmungen (10 Tage Quarantäne für Ausländer) rasch klar, dass sich die Saison wohl auf einheimische Gäste aus Tirol reduzieren wird. Nicht einmal die nahen Vinschger oder die ebenso nahen Gäste aus der Schweiz würden kommen. Die Gastronomie, so die österreichischen Bestimmungen, konnte gar nicht aufsperren. Also blieben die Almen und Hütten zu und das Pistenangebot wurde auf 50 Kilometer (anstatt wie üblich 75) reduziert und auch die Liftanzahl. Das hatte zur Folge, dass die Saisonarbeiter im Skigebiet nicht abgerufen werden konnten. Mit rund 50 Jahresangestellten ist man so durch den Winter gekommen. „In normalen Zeiten sind im Winter rund 200 Leute bei den Nauderer Bergbahnen angestellt“, sagt Schöpf. Man habe als Arbeitgeber mit seinen Saisonangestellten mitgelitten. Vor allem mit jenen, die seit vielen Jahren dem Skigebiet als Saisonarbeiter treu sind. Aber man habe eben nichts machen können. Im Laufe der Zeit ist die Südafrikanische Variante des Corona-Virus in Tirol aufgetaucht, eine Testpflicht für Skifahrer eingeführt worden... „Die Fixkosten und die Präparationskosten in einem Skigebiet sind enorm. Ökonomisch wäre es deutlich besser gewesen, nicht aufzusperren“, gibt Schöpf offen zu. Denn der Umsatzrückgang habe 97% betragen. Also ein Totalausfall trotz offenem Skigebiet.
Aber: Man habe aus der einheimischen Bevölkerung super und tolle Rückmeldungen erhalten. Dafür, dass Familien mit Kindern, dass Jugendliche, Sportler und Naturliebhaber Rodeln, Wandern und Skifahren konnten. Unter der Zeit und vor allem in den Weihnachts- und Semesterferien. „Wir schauen auf unsere Leute“, sagt Schöpf. Das sei auch für eine Destination wie Nauders wichtig für die Tourismusgesinnung der Leute.
Schöpf sieht der Zukunft grundsätzlich positiv entgegen. „Durch den Impffortschritt besteht begründete Hoffnung, dass sowohl der Sommer als auch der kommende Winter wieder gut anlaufen werden. Wir sehen das auch an der Buchungslage bei den Touristikern. Die Leute haben unglaubliche Sehnsucht nach Urlaub. Und wir sind keine Partydestination, sondern wir bieten Familien und solchen Gästen Erholung, die Ruhe und Natur suchen.“ Die Hoffnung ist auch darauf ausgelegt, dass die Reisebeschränkungen so rasch wie möglich fallen werden.
„Was für ein Winter?“, fragt der Watles-Präsident Ronald Patscheider. Von den Schneeverhältnissen her sei es überall und so auch auf dem Watles super gewesen, tragisch allerdings, dass kein zahlendes Publikum zugelassen war. Dafür waren am Watles unzählige Leute als Wanderer, mit Schlitten oder mit Tourenski unterwegs. Das neue Restaurant konnte kurz vor Weihnachten eröffnet werden, musste dann, wie alle Restaurationsbetriebe bald wieder schließen. Einige wenige Tage liefen die Lifte für Skirennläufer, für Nationalteams, für die tesserierten Kinder der Skiclubs im Oberland. „Mit Sulden haben wir diese Öffnungszeiten abgesprochen“, sagt Patscheider. Sind in einem normalen Winter knapp 30 Leute am Watles beschäftigt, waren es heuer die 5 Fixangestellten an den Liften und in der Gastronomie in der Plantapatschhütte 3 in der Küche und bis zu 6 im Service - auf Abruf. Am 22. Mai wird die Plantapatschhütte und der Zubringerlift eröffnet. „Wir blicken mit Zuversicht und Optimismus in die Zukunft und hoffen auf einen guten Sommer, damit wir unseren Verpflichtungen nachkommen können“, sagt Patscheider.