Environment | Klimaproteste
In Anbetracht des Ernsts der Lage…
Foto: Privat
Protest ist ein kreatives Feld, schon allein deshalb, weil sein Hauptzweck ist, Aufmerksamkeit zu generieren. Was Climate Action South Tyrol, Student:innen in Eco-Social Design und das Kollektiv Utopia Toolbox zusammenbrachte, war aber selbst gemessen an anderen Protestaktionen ungewöhnlich.
Am Bozner Gerichtsplatz trudelte am Dienstag um die Mittagszeit - zu Fuß oder auf dem Rad - ein kleine, aber gut vorbereitete Truppe von Aktivist:innen ein, mit Protestschildern im Gepäck und einem am Boden ausgerollten „roten Teppich“, der gegen den Wind beschwert wurde. Das Objekt, in welchem eine Reihe von Einkaufstüten seine zweite Bestimmung findet, wurde von der international aus Augsburg heraus tätigen Gruppe Utopia Toolbox entwickelt. Die Aktion stand unter dem Titel „Ein roter Teppich für das Klima“.
Sprüche wie „Klima ist wie Bier, zu warm ist es scheiße“, „The seasons are more irregular than my period“, oder „Futur II gibt es nur im Deutschunterricht“ gab es quasi als Draufgabe zum Flashmob. Das regte zwar mehr zum Schmunzeln an, denn zum Nachdenken, die Blicke einiger Passenten fing man aber damit ein. Was passierte aber als alle ihren Platz an einem der zahlreichen Henkel eingenommen hatten und den „Teppich“ anhoben?
Der Reihe nach rannten die Aktivist:innen über den unsteten Boden, den das Gewebe bot, dabei wurde viel gelacht, gejubelt und zwei weitere - an den Schildern gemessen schlichte - Slogans skandiert: „What do we want?“ „Climate Justice!“ „When do we want it?“ „Now!“, sowie „I say climate, you say…“ „Action!“. Hätte man nicht alle Hände voll gehabt, man hätte wahrscheinlich auch für einander applaudiert. Manch eine:r stolperte, was wiederum für Erheiterung sorgte, da die Gruppe und der Teppich sie auffingen. Die Stimmung aller an der Aktion Beteiligten? Ungetrübt und leicht.
Darüber, warum auch das sein muss und welche Absicht hinter der Aktion steckt, haben wir mit Juliane Stiegele gesprochen, die Utopia Toolbox vor Ort vertrat.
Salto.bz: Frau Stiegele, welches ist das Konzept der Arbeit? Was hat es zu bedeuten, dass man hier über den roten Teppich läuft?
Juliane Stiegele: Der Teppich gehört Utopia Toolbox. Wir sind ein Künstlerkollektiv mit Menschen, die nicht unbedingt aus der Kunst kommen, sind also kreative Menschen aus allen Bereichen. Wir haben nach einem Objekt gesucht, mit dem man Solidarität am eigenen Leib erfahren kann, sie spürt, ohne dass man darüber reden muss. Man läuft über ein Gewebe, das 22 Personen festhalten, so dass man getragen wird. Ich denke, das war für einige, die heute darüber gelaufen sind, recht sinnfällig, dass man sich auf diese Solidarität verlassen kann.
Zu Ort und Zeit des Flashmobs: Wen will man erreichen? Ist das eine interne Sache?
Das Objekt ist sehr flexibel einsetzbar, es hat ein Kollege aus Detroit, Nick Tobier realisiert. Es kommt an verschiedenen Orten der Welt zum Einsatz und existiert auch noch in einer größeren Version. Wir kommen direkt vom Studiengang Eco-Social Design, wo wir es zum Abschluss des Semesters genutzt haben und Kris Krois hat die Klimaaktivisten aus Bozen dazu eingeladen, womit es für uns eine Gemeinschaftsaktion war. Die Außenwirkung kommt hoffentlich durch die Presse, weil jetzt, in der Mittagspause, nicht viele Personen hier vorbeigehen.
In Anbetracht des Ernsts der Lage und auch des Austragungsortes stellt sich die Frage: Darf Klimaprotest Spaß machen?
Natürlich. Menschen ohne Spaß und ohne Poesie können schlecht überleben. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt an der Sache. Man muss sich selber auch immer so weit fit halten, dass man genug Energie hat um überhaupt zu protestieren. Oft ist der Humor ein sehr gutes, strategisches Mittel, mit dem man Menschen für etwas begeistern kann. Es gibt nichts Schlimmeres als bierernste Proteste, die nur das Negative aufzeigen und einen runterziehen. Es geht darum, Kräfte zu mobilisieren, auch in uns allen und nicht nur außen. Wir können nicht nur nach außen agieren, sonst arbeiten wir uns einfach auf.
Hilft das gegen die Resignation, das Gefühl, dass der eigene Protest nichts bewirkt?
Es gibt ein Zitat von Antonio Gramsci, dem Gründer der Italienischen Kommunistischen Partei: „Sono pessimista con l'intelligenza, ma ottimista per la volontà.“ Das besagt für mich, dass man mit Pessimismus klar kommen muss, um den Optimismus der Tat wach zu halten. Das hat sich, denke ich, seit vielen Jahrzehnten nicht geändert und wird eher wichtiger, gerade weil viele von uns unsicher sind, ob wir es überhaupt noch schaffen können. Dieser Zweifel bringt aber nichts in der täglichen Arbeit: Man steht auf und tut, was man kann. Das ist die Haltung, die man braucht und da sind solche Objekte vielleicht hilfreich.
Welches ist die nächste Station des Teppichs?
Das ist noch nicht konkret geplant und läuft, wie hier, meist sehr spontan. Wo das Objekt gebraucht wird, da zieht man es aus der Kiste und wenn sich die Möglichkeit ergibt, dann setzt man es ein. Ich selbst komme aus Deutschland, wo wir dasselbe demnächst wieder einmal in der großen Version in meiner Heimatstadt Augsburg machen werden. Wir teilen das Objekt auch gerne mit Aktivisten, die ähnliche Ziele haben wie wir.
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"Das Objekt, in welchem eine
"Das Objekt, in welchem eine Reihe von Einkaufstüten seine zweite Bestimmung findet", Ich finde den Protest gegen Klimasünden zwar gut, aber ich persönlich protestiere auch gegen die Vergewaltigung der deutschen Sprache.