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Politics | Klimapolitik

Scheinklimaschutz?

Heute,14.6., gibt das Land seine Antwort auf die Bürgervorschläge bekannt.Doch führt die so aufgegleiste Klimaschutzpolitik tatsächlich zur Klimaneutralität in 15 Jahren?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Rückmeldung der Landesregierung auf Bürgervorschläge zum Klimaplan
Foto: Thomas Benedikter
  • Am heutigen Samstag stellt das Land offiziell vor, welche der von Bürgern und Interessengruppen (Stakeholder Forum) im Frühjahr 2024 eingebrachten Vorschläge in den Klimaplan 2040 aufgenommen werden. Der im Juli 2023 vorgestellte Klimaplan umfasst 157 Maßnahmen. Viele davon werden schon umgesetzt, einige sind schon abgeschlossen. Nach einjähriger Prüfung hat das Land 54 der 609 Vorschläge von Bürgerinnen und Stakeholder mit aufgenommen. Doch führt die so aufgegleiste Klimaschutzpolitik des Landes tatsächlich zur Klimaneutralität in 15 Jahren, dem Oberziel des Klimaplans?

    Die Zweifel setzen schon bei der Messung der Treibhausgasemissionen an. Man zielt dabei ohnehin nur auf die territorial erfassten CO2-Emissionen ab, die Südtirol direkt zugerechnet werden können: derzeit insgesamt rund 2,8 Millionen Tonnen, also rund 5,2 Tonnen pro Kopf im Jahr. Die indirekten, importbedingten CO2-Emissionen bleiben außen vor, würden den realen, individuellen CO2-Fußabdruck noch deutlich anheben. Doch heute weiß niemand im Land (auch nicht das EURAC-Monitoring), wieviel CO2 Südtirol 2023 territorial emittiert hat geschweige denn 2024. Niemand kann sagen, ob Südtirol bereits auf den vom Klimaplan angepeilten Reduktionspfad von -55% bis 2030 und -70% bis 2037 eingeschwenkt ist. Die zuständige Behörde erfasst  und publiziert diese Daten nur alle 3 Jahre, zuletzt 2024 für 2020-2022. Mit dem nächsten update kann man also 2027 für 2023-2025 rechnen. Läge dann das Emissionsniveau unverändert hoch, kämen Kurskorrekturen für die CO2-Zielerreichung 2030 zu spät. Solche Korrekturpflichten für die Landesregierung sind auch nirgendwo irgendwie verpflichtend vorgesehen.

    Und damit zu einem zweiten methodischen Problem. Im Klimaplan 2040 finden sich eine Fülle von durchaus zielführenden Maßnahmen zur Dekarbonisierung, doch nirgends werden diese Minderungsziele sektorbezogen in Tonnen quantifiziert. Im Klimaplan wird nirgendwo durchgerechnet, wie viel die vorgesehenen Maßnahmen zur Reduktion beitragen sollen oder könnten. In den deutschen Bundesländern läuft die Klimaplanung seriöser: es werden CO2-Minderungsziele in Tonnen sektoral vorgegeben und gesetzlich verankert, dann werden durchgerechnete Maßnahmenprogramme aufgelegt, der Fortschritt wird jährlich gemessen und Bericht erstattet, und bei Zielabweichung müssen die Maßnahmen verschärft werden.

    Dass der Südtiroler Klimaplan nicht ganz ernst gemeint ist, erkennt man auch den Maßnahmen selbst. Beispiel Verkehr, der mit 44% der CO2-Emissionen den Löwenanteil stellt. Allein 60 der 157 Maßnahmen des Klimaplans betreffen den Verkehr, vor allem zur Senkung des motorisierten Individualverkehrs. Das Ziel lautet: -30% bis 2035. Nun wird in die Bus- und Bahninfrastruktur investiert, sehr viel für den Fahrradverkehr getan. Doch befinden wir uns beim Gesamtaufkommen schon auf der Zielgeraden? Sicher nicht, weil der mühevolle Umstieg der Einheimischen auf die Öffis vom gleichzeitigen Anstieg des touristischen Kfz-Verkehrs und des wachsenden Schwerlastverkehrs auf der A22 wieder wettgemacht wird. So bewegt sich nicht nur der Klimaschutz auf der Stelle, sondern die Verkehrsreduzierung insgesamt.

    Zweites Beispiel Gebäudeheizung, mit 20% der CO2-Emissionen der zweitgrößte Brocken. Die neue großzügige Förderung des Einbaus von Wärmepumpen, die Sanierungsbeiträge, die Umsetzung der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie: alles gut und richtig. Doch gleichzeitig wird insgesamt viel neue Kubatur mit hohem Ressourcenaufwand und Flächenverbrauch auf die grüne Wiese gestellt, die neuen Heizungs- und Energiebedarf erzeugt. Wo bleibt aber eine schlüssige Strategie zur Umrüstung der rund 80.000 Gas- und Ölheizungen, die heute im Betrieb sind? Wenn man in 15 Jahren klimaneutral werden will, müsste die „Heizungswende“ mit politischen Maßnahmen unterlegt und durchgerechnet werden. Das sucht man im Klimaplan vergebens.

    Drittes Beispiel: der Tourismus. Laut Klimaplan (S.59) soll bis 2030 der Verbrauch fossiler Energie in diesem Sektor um 40% gesenkt werden. Doch heute geschieht das genaue Gegenteil. Aufgrund des stetigen Wachstums von Ankünften, Nächtigungen und Betten steigen die vom Tourismus verursachten CO2-Emissionen durch mehr fossile Mobilität der Touristen, Strom- und Wärmeverbrauch, Bautätigkeit. Ist dieses Dokument somit ein Plan oder nur Wunschdenken, das den eigentlichen Akteuren ziemlich egal ist?

    Die Energiewende ist zwar in Gang, die Elektrifizierung von Mobilität und Gebäudeheizung im Kommen, aber die Vorstellung, dass Klimaschutz mit ungebremstem Wachstum im Tourismus, noch mehr Transitverkehr, mit „weiter wie bisher“ in der Bautätigkeit und null Emissionseinsparung in der Landwirtschaft zusammengeht, ist unrealistisch. Mit anderen Worten: der Klimaschutz scheint in Südtirol ein „nice to have“ kein „must have“, wo man nicht mal für ein pünktliches, zeitnahes Monitoring der Entwicklung sorgt. Eine weiche Selbstverpflichtung, die sich je nach politischer Interessenlage auch verschieben und verwässern lässt. Es wäre eher Scheinklimaschutz, wenn die Politik 2030 zum Schluss käme: wir hätten schon gewollt, aber man ließ uns nicht.

     

     

     

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Herta Abram Sat, 06/14/2025 - 10:55

Geht man von der Prämisse aus, dass Zukunft überhaupt nur gegeben ist, wenn es denjenigen gut geht, die sie gestalten müssen, dann müssen die Interessen und Bedürfnisse der Kinder gleichwertig mitgedacht werden. - Auch von einer Politik, die vor allem Eigeninteressen, und die Interessen ihrer größten Wählergruppe (-ältere und alte Menschen) im Blick hat!
"Der Begriff Generationengerechtigkeit, auch Enkelgerechtigkeit oder intergenerative Gerechtigkeit, bewertet die Gerechtigkeit von Handlungen und Entscheidungen, die sich auf kommende Generationen auswirken."

Sat, 06/14/2025 - 10:55 Permalink
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Josef Fulterer Sat, 06/14/2025 - 21:26

Höchste Zeit das Wahlalter das aktive + das passive Wahlalter, mit 16 Jaher zu gewähren, aber auch den Eltern für jedes Kind bis 16 Jahre, ein zusätzliches Stimmrecht zuteilen.
Die heran-wachsende Jugend muss mit den Beeinträchtigungen beim Klima leben, die meine Generation leichtfertiger-Weise seit rund 50 Jahren für noch mehr Wirtschaft vermurgst hat.

Sat, 06/14/2025 - 21:26 Permalink