Amtliche Verwirrung?
Dieser Beitrag ist die Fortsetzung von "Verwirrnisse". Da wurden Widersprüche zwischen den Aussagen unseres BM Albert Pürgstaller und dem Reglement (Statut Art 46 und Verordnung zur Direkten Demokratie) aufgezeigt, allerdings "nur" in Form von Radio- und Presseinterviews. Kaum Reaktionen, ein paar Gespräche mit Gemeinderäten und Interessierten.
Als ich letzte Woche als Repräsentant des Komitees Aurora von Journalistinen beider Tageszeitung interviewt wurde und die Gelegenheit dabei nutzte auf diese Widersprüche hinzuweisen, hörten beide sich das interessiert an, am nächsten Tag stand dennoch nichts in den Tageszeitungen.
Ich will nicht glauben, dass mindestens 20 Gemeinderäte für eine Volksabstimmung (VA) stimmen, deren Konsequenzen sie nicht kennen.
Die wenigsten Gemeinderäte haben sich mit der Direkten Demokratie eingehend befasst, sie vertrauen den Kollegen, die die Verordnung und den Artikel 46 im Statut erarbeitet haben. Sie vertrauen dem Gemeindesekretär, der für die korrekte Anwendung der Statuten und Verordnungen zu sorgen hat. So könnte es möglich sein, dass sie gar nicht wissen, welche Unklarheiten bestehen.
Wie kann man beweisen, dass die Konsequenzen unklar sind? Am einfachsten dadurch, dass die Antworten des Gemeindesekretärs auf eine Anfrage, den einzelnen Artikeln des Reglements gegenübergestellt werden. Da lässt sich zeigen, dass eindeutige Widersprüche bestehen, die nicht einfach “saniert” werden können.
Daraus ergeben sich die Fragen:
- Gilt der Artikel 46 (Die Volksabstimmung) im Statut der Gemeinde Brixen?
- Gelten die Artikel der Verordnung zur Direkten Demokratie, ein Dokument mit vielen Fehlern und unklaren Formulierungen?
- Gelten die Antworten, unterzeichnet vom Gemeindesekretär Dr. Fischnaller und vom BM Albert Pürgstaller?
- Kann der Gemeindesekretär einfach Aussagen des Statuts (immerhin mit 2/3 Mehrheit beschlossen) ignorieren, ohne eine offizielle authentische Interpretation vorzunehmen?
Einmal tief durchatmen, denn jetzt wird es kompliziert. Das Folgende ist nichts für Dünnbrettbohrer! Aber unsere gewählten Volksvertreter im Gemeinderat, die Gemeindeverwaltung und all diejenigen, die es so so eilig haben, die Fragestellung vom 14.05. bestätigen zu lassen, sollten sich durchkämpfen, während Interessierte an der Direkten Demokratie (DD) damit kein Problem haben werden.
Zunächst zur Anfrage. In 2 Tabellen werden konkrete mögliche Ergebnisse einer VA dargestellt, um dann die aus den Ergebnissen der Volksabstimmung folgenden “Aktionen” vom Gemeindesekretär zu erfragen. Die 1. Tabelle mit einer einfachen Ja/Nein Fragestellung, die 2 Tabelle nimmt die aktuell vorliegende Fragestellung mit Alternativen als Beispiel.
Im Antwortschreiben (25.06.2014) wird der Artikel 30 aufgeführt, der dann im Schreiben als relativ klar bezeichnet wird. Die Gegenüberstellung der Antworten mit dem Reglement:
Bei der Aktion 1 und 2 wird das Quorum von 25% erreicht und ist die höhere Stimmenanzahl (5.280) ausschlaggebend. Das Ergebnis ist für die Gemeinde bindend
Im Reglement gibt es den Begriff Quorum nicht, die Bedingungen (25% und höhere Stimmanzahl) stehen dort als Bedingung für die Zustimmung. Allerdings gibt es die Zustimmung nur für die JA-Stimmen, mit dem Ergebnis: Aktion 1 hat die Zustimmung und Aktion 2 hat nicht die Zustimmung.
Die Bindung ist im Statut Art 46.10 geregelt, der das Ergebnis ohne Einschränkung für den GR und Gemeindeverwaltung verbindlich definiert.
Bei der Aktion 4 und 5 wird das Quorum von 25% für die Frage 1 bzw. 2 erreicht und ist somit bindend.
Bis auf die Begründung für bindend korrekt.
Bei der Aktion 3 und 6 wird die erforderliche Zustimmung von 25% der Stimmberechtigten nicht erreicht, weshalb die Volksabstimmung für die Gemeinde nicht bindend ist.
Richtig ist, dass die Zustimmung nicht erreicht wird. Nicht mit dem Reglement vereinbar ist der Schluss, dass dies für die Gemeinde nicht bindend ist.
Interessant ist der Vergleich mit Aktion 2 und 3: beide sind ohne Zustimmung, werden aber unterschiedlich behandelt, was im Reglement nicht nachvollziehbar ist.
Sollte das Zustimmungsquorum zu keiner Frage erreicht werden, so wird der Bürgermeister persönlich nichts für die Durchführung des abgefragten Vorhabens unternehmen. In diesem Fall werden die politischen Organe (Stadtrat und Gemeinderat) das Ergebnis bewerten und die erforderlichen Schlüsse daraus ziehen.
Im Reglement gibt es den Begriff Zustimmungsquorum nicht, sondern die Zustimmung. (Die Zustimmung verlangt mehr als das Erreichen des Zustimmungsquorums von 25%, nämlich mehr Ja als Nein-Stimmen bzw. bei Fragestellungen mit Alternativen, die Mehrheit der Stimmen und mehr Stimmen als der aktuelle Sachstand)
Hier erklärt der Gemeindesekretär ein Ergebnis, das nur eine Bedingung (Zustimmungsquorum) erfüllt, für bindend. (Widerspruch zu Statut 46.10, 46.9, sowie Verordnung 30.1, 30.2).
Nicht bindend bedeutet für ihn: Die Mehrheit in Stadtrat oder Gemeinderat entscheidet, falls die Zustimmung nicht erreicht wird. (Keine Übereinstimmung mit Reglement, weil dort die Bedeutung von nicht bindend auch deshalb nicht ausgeführt wird, weil das Ergebnis ohne Einschränkungen bindend ist. -> Statut 46.10)
Nun die unterzeichneten Erläuterungen zur Anfrage. Die ersten 2 Absätze wurden wortwörtlich als Zitate übernommen.
Der vom Gemeindesekretär zitierte Artikel 30 der Verordnung:
und der Artikel 46 Absatz 9 und 10 des Statuts der Gemeinde Brixen
Wer ist noch da? Hier noch die Zusammenfassung:
Das Reglement definiert die Volksabstimmung ohne Einschränkung als bindend. Bei der VA kann eine Fragestellung die Zustimmung erhalten oder sie endet ohne Zustimmung. Um eine Änderung des aktuellen Sachstandes zu erreichen, wird die Zustimmung verlangt mit Mehrheit der Stimmen und mehr Stimmen als 25% der Wahlberechtigten. Ohne Zustimmung bleibt der aktuelle Sachstand bestehen.
Die Antworten vom Bürgermeister und Gemeindesekretär sind im Widerspruch zum Reglement und behaupten:
- Das Ergebnis ist nur bindend, wenn eine Fragestellung 25% der Wahlberechtigtenstimmen erhalten hat
- Kommt die Zustimmung nicht zustande, entscheiden der Gemeinderat oder der Stadtrat
Was im konkreten Fall (Mehrheit im GR will die Seilbahn vom Bahnhof aus) bedeutet, der Wähler darf zustimmen, seine Ablehnung (=keine Zustimmung) kann durch einen Beschluss im Gemeinde- oder Stadtrat überstimmt werden. Kann man das noch Wahl nennen?
Auf den Anfang zurück kommend:
Ich bin mir sicher, dass keine 20 Gemeinderäte angesichts dieser Widersprüche die Fragestellungen zur Volksabstimmung beschließen. Leider befürchte ich, dass die Gemeinderäte, auf die es ankommt (SVP, Freiheitliche, PD), lieber unbekümmert abstimmen, was sie intern ausgehandelt haben, als sich über die Konsequenzen einer VA den Kopf zu zerbrechen. Wir werden das Ergebnis am 17.07. erleben und vielleicht unsere Konsequenzen ziehen, denn wir verdienen die Gemeinderäte, die wir gewählt haben.
Bisher haben sich die
Bisher haben sich die Freiheitlichen damit gerühmt, dass es bei ihnen keine Fraktionszwang gibt. Das hat sich scheinbar geändert.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass so viele Gemeinderäte das Brixner Reglement zur Volksabstimmung nicht kennen und über die Folgen nicht Bescheid wissen. Die Regeln haben sie doch gemeinsam erstellt und eingeführt! ...oder liege ich da irgendwie falsch?
In reply to Bisher haben sich die by Walter Richter
Da liegst du nicht falsch,
Da liegst du nicht falsch, denn dem Statut mussten im fernen Jahr 2011 mindestens 20 Gemeinderäte zustimmen. Ich hoffe nicht ungelesen! Das perfide ist jedoch der Unterscheid zwischen Schein und Sein: Nach außen kommen Botschaften wie "Wir tun alles, damit ihr wählen könnt" her, tatsächlich werden
- der Standort, den die Mehrheit haben will, auf dem Stimmzettel verhindert
- eine Alternative Bus eingeführt, für die es keine Volksabstimmung braucht, aber Verwirrung stiftet
- der Bevölkerung mitgeteilt, dass wenn nicht richtig zugestimmt wird, die Gemeindeveraltung entscheidet
- damit Wähler abgehalten, was die fehlende Zustimmung wahrscheinlicher macht.
Beim Fraktionszwang liegst du vielleicht falsch. Die GBL in Brixen hat praktisch keinen Fraktionszwang, während die Freiheitlichen Wert legen auf interne Diskussion und kompaktes Abstimmungsverhalten.