Environment | Ein Gespräch

Ein Moment der Reflexion

Prof. Silvia Fargion ist seit einem Jahr Präsidentin der europäischen Vereinigung für die Forschung in den Sozialwissenschaften. Ein Gespräch.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Was konnten Sie in diesem ersten Jahr der Präsidentschaft erreichen?

Prof. Silvia Fargion: Wir sind seit unserer letzten Tagung im vergangenen Jahr von 300 auf 500 Mitglieder angewachsen, denn die Forschung im Sozialbereich erhält aufgrund der brennenden Themen unserer Zeit immer größere Bedeutung.

Sie meinen die Themen der Migration und Integration?

Ja, dies sind die großen Themen, doch im Alltag kommt den Themen der Familie und jener der Qualität der Sozialdienste immer stärkere Bedeutung zu. Hier sind die Sozialdienste und demnach unsere Forschungsarbeiten sehr gefordert.

Könnten Sie ein Beispiel nennen?

Es geht um das tägliche Unbehagen, weswegen wir einen starken Fokus auf die Forschung im Frühkindesalter legen. Nach außen hin haben wir in Europa eine hohe Lebensqualität erreicht, den Eltern eröffnen sich aber immer schwierigere Fragen wie jene, was es heute bedeutet, Kindern ein Vorbild zu sein und ihre Rolle als Eltern auszufüllen. Scheidungen zum Beispiel stellen heute eine weit verbreitete Realität dar.

Bleiben diese Forschungsarbeiten Ihren Studierenden an der Fakultät für Bildungswissenschaften vorbehalten?

Nein, wir organisieren alljährlich einen Kongress zur Sozialarbeit, der Forschern ebenso wie Mitarbeitern in den Sozialdiensten als Anhaltspunkt dient. Zudem wirken wir Sozialwissenschaftler in verschiedenen Studien in Südtirol mit.

Diese Forschungsarbeit war auch Grund dafür, den Masterstudiengang Innovation in Forschung und Praxis der sozialen Arbeit zu initiieren?

Ja, denn bei diesem Studiengang ging es uns daran, nicht eine einzelne Forschung voranzutreiben, sondern für Mitarbeiter in den Sozialdiensten eine Weiterentwicklung ihres Wissens einzuleiten, das sich eng mit neuesten Forschungsarbeiten verknüpft.

Geschieht dies nur in der Theorie?

Bereits jetzt sind unsere Studierenden in engem Kontakt mit der Sozialpolitik, sie absolvieren Praktika relevanten Abteilungen der Landesdienste und erlernen, wie beispielsweise Familienpolitik oder Strategien für eine zeitgemäße Betreuung im Alter weiterentwickelt werden. Andererseits können die Masterstudenten aber auch ihr aktuelles Wissen einbringen, da es in unserer Zeit ganz zentral um die Themen der Weiterentwicklung, Qualitätssicherung und um das Aufzeigen neuer Zukunftsszenarien geht.

Innovation entsteht aus dem Kontakt mit Neuem – wie stark gelingt es Ihnen in der Sozialarbeit, sich international auszutauschen?

Wir blicken als Sozialwissenschaftler an unserer Fakultät stark in Richtung Irland, Großbritannien, Finnland, Deutschland und auch Israel. Es gilt, von innovativen Ansätzen zu lernen. Unsere Studierenden absolvieren Praktika und auch Studienaufenthalte im Ausland, um Vergleichssituationen kennenzulernen.

Haben Sie daher auch das digitale Klassenzimmer in Ihrem Studiengang eingerichtet?

Ja, wir waren die ersten, die unsere Vorlesungen in live-streaming für unsere Studierenden im Masterstudiengang zur Verfügung gestellt haben, da sie ja vielfach berufstätig sind. Es hat sich gezeigt, dass die größten Erfolge erzielt werden, wenn wir eine größere Gruppe in den Vorlesungen zugegen hatten mit der gleichzeitigen Interaktion von zu Hause aus.

Wie wird der nächste Schritt aussehen?

Wir setzen verstärkt auf das Konzept der „flipped classrooms“. Dabei stellen wir unseren Studierenden die Inhalte der Vorlesung vorab zur Verfügung, damit diese vorbereitet an die Universität kommen. Die Vorlesungen werden so zu einem Moment der Diskussion, der Übungen und der Reflexion mit den Professoren – ein Konzept, das mittlerweile viel größeren Zuspruch als der reine Frontalunterricht erhält.