Politics | Uffa! Diese Toponomastik!

Eins, zwei oder drei?

Uffa, diese „Toponomastik“. Haben wir denn sonst keine Probleme? Ich hatte das Thema bisher nie richtig ernst genommen, irgendwie schien es mir immer ein „Luxus“-Thema zu sein, eines, das Politiker über Sommerlöcher rettet und von dem ich nie verstand, warum es überhaupt ein Thema ist. Ich verstehe es immer noch nicht, auch nicht oder sogar immer weniger, nachdem ich Rosanna Oliveris Beitrag gelesen habe.
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Foto: Langbein & Partner Media

 

Allerdings bin ich nun doch ziemlich überrascht, wie hitzig bis aggressiv das Thema diskutiert wird. Ist da was? Etwas, das ich übersehe? Nicht verstehe? Etwas Wichtiges, von dem ich nichts weiß? Ich kann nämlich das Problem, mit dem so viel hässlicher Staub aufgewirbelt wird, partout nicht erkennen – und dabei bin ich durchaus eine reinrassige, durch und durch deutschsprachige und –kulturelle Südtirolerin. Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deshalb finde ich keine Antwort, z. B. auf diese Fragen: Was soll es einem Menschen aus Urtijei auch schon ausmachen, wenn auf den Ortsschildern, mit denen eigen- und fremdsprachliche Besucher, Gäste, Durchreisende unter dem - endogenen - "Urtijei" auch noch mit den beiden exogenen „Ortisei“ und „St. Ulrich“ willkommen geheißen werden? Solange das endogene Urtijei an der ihm zustehenden ersten Stelle gelistet wird (damit auch jedem klar ist, wer das Sagen hat…),  und solange der erstinstanzliche Urtijei-er nicht gezwungen wird, in ihrem Alltag und im Umgang untereinander die exogenen „Ortisei“ und/oder „St. Ulrich“ zu verwenden? Wo ist das Problem? Und was, bitteschön, könnte es wohl einem Marteller ausmachen, wenn ihr Dorf nicht nur „Martell“, sondern für einige wenige auch „Martello“ heißt – solange wie nur sie und alle anderen Marteller den Namen ihres Dorfes aussprechen können, so, wie sie es immer taten und wie sie es gewohnt sind?

Wer wollte sich daran reiben, wenn anhand mehrsprachiger Hinweis-, Orts- und anderer Schilder auch Außenstehenden und Unkundigen unmittelbar ersichtlich und deutlich gemacht wird, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an diesem Ort, jedenfalls aber in dieser Provinz, drei Sprachgruppen miteinander leben, miteinander auskommen, und vor allem: einander respektieren? Denn ja, ich finde, es ist in erster Linie ein Akt der Höflichkeit, des Respekts und nicht zuletzt der Gastfreundschaft, Menschen anderer Zungen so weit wie nur möglich entgegen zu kommen. „Hausherren“ können sich das leisten. Dass übrigens in dieser Debatte unsere doch recht besondere Südtiroler Situation mit jener in manchen nicht-südtirolerischen Städten verglichen wird, Orten, die zum Teil auch – allerdings inoffizielle – anderssprachliche Zweit-Namen haben, das nun finde ich auch ziemlich haarig: Oder ist es etwa nicht schlicht und einfach Fakt, dass Südtirol eine deutschsprachige Provinz in Italien ist? Da hat es doch, finde ich zumal, schon eine gewisse Logik, dass (auch) die „italienischen“ Bezeichnungen offizielle sind.

In dem Zusammenhang: Findet es außer mir niemand erschreckend bis fragwürdig, dass immer wieder dieser Tolomei aus seinem Grab gezogen und künstlich am Leben gehalten wird, dass ihm nach bald 100 Jahren immer noch erlaubt wird, das Zusammenleben der Menschen in dieser Provinz sogar recht empfindlich zu stören? Anstatt dass wir endlich ein gnädiges Grabtuch über seinen Irrsinn breiteten? Wer hat Interesse daran, diesen Mann über so viele Jahrzehnte und über so viele mittlerweile geschlossene Gräben hinweg am Leben zu erhalten, einen, der doch schon längst zu weniger als nur Staub zerfallen ist? Doch, natürlich wurden Fehler gemacht in der Vergangenheit, und es wurde Unrecht getan – aber: Es hat doch keinen Sinn - vor allem bringt es uns kein Jota nach vorn -, wenn wir immer nur nach hinten schauen, und immer wieder diese Fehler aus der Vergangenheit und deren Gräbern in die Gegenwart ziehen um unsere Zukunft damit zu belasten.

Ich jedenfalls empfinde stets ein Gefühl des „Heimkommens“, sobald ich über die eine oder andere „Grenze“ fahre und – endlich – wieder mehrsprachige Schilder lesen darf. Wie eintönig und farblos ist doch dagegen die Welt der anderen, der einsprachigen!