Urlaub „am anderen Ufer“
Südtirol – ein idealer Ort, um die Seele baumeln zu lassen. Sei es für die Sportliebhaber bei einem Skitag in Ratschings, für die Abenteuerlustigen bei einer Wanderung auf den Schlern, für die Genießer bei einer deftigen Jause im Törggelenkeller oder für die Kulturinteressierten beim Schlendern durch die Innenstadt Bozens. Urlaub kann vielseitig sein, doch vor allem ist Urlaub eines – Erholung. Der Stress des Alltags kann von sich gestrichen werden und der Mensch darf sich – zumindest für einige Tage – der Entspannung hingeben.
Das fängt schon bei der Urlaubsplanung an. Bereits die Suche nach dem Reiseziel und der passenden Unterkunft weckt das erste Fernweh. Ein luxuriöses Hotel oder doch lieber das familiäre Ambiente einer kleinen Pension? Dabei wird das Für und Wider abgewogen, Preis und Lage spielen eine wichtige Rolle oder die Gästebewertungen auf den diversen Booking-Portalen. Dann endlich ist das perfekte Urlaubsziel gefunden und mit großer Vorfreude kann sich dem Kofferpacken gewidmet werden.
Doch so leicht fällt die Wahl des Urlaubs nicht jedem – zumindest mir persönlich nicht. Das liegt nicht daran, dass meine Ansprüche zu hoch wären oder mein Budget zu niedrig, sondern vielmehr daran, dass ich zu einer Minderheit gehöre, die aus den Rastern der 0815-Touristen herausfällt. Ich bin homosexuell. Eigentlich ist es mir zuwider, meine sexuelle Orientierung ständig ins Zentrum meiner Lebenswirklichkeit zu stellen. Gerne würde ich unbeschwert mit meinem Freund Hand in Hand durch die Straßen meiner Heimatstadt flanieren. Doch jede Geste dieser Art stellt in unserer Gesellschaft immer noch ein Statement dar: „Ich habe keine Angst davor, unsere Liebe öffentlich zu zeigen!“ Immer öfter werden Paare – ja auch in Europa – aufgrund dessen in der Öffentlichkeit bloßgestellt oder sehen sich im schlimmsten Falle sogar mit Gewalt konfrontiert. Über derartige Beispiele berichten die europäischen Medien in beunruhigend kurzen Abständen. Somit wird das Private zum Politikum. Mit dieser Problematik haben nicht nur Mitglieder der LBGTQ-Community zu kämpfen, sondern alle gesellschaftlich diskriminierten Gruppen oder Individuen im Allgemeinen.
Gerne würde ich unbeschwert mit meinem Freund Hand in Hand durch die Straßen meiner Heimatstadt flanieren. Doch jede Geste dieser Art stellt in unserer Gesellschaft immer noch ein Statement dar. Im Alltag werden wir so zu Aktivisten
Im Alltag werden wir so zu Aktivisten. Farbe bekennen fällt nicht immer leicht. Es kommt auf die Tagesform an und manchmal fühlt man sich nicht bereit mit Beleidigungen oder Blicken, die ebenso wie Worte verletzen können, umzugehen. Besonders im Urlaub – der Zeit der Entspannung – möchte man sich diese Konfrontation ersparen. Doch wie gelingt das? Es existiert in allen Urlaubsgebieten eine Vielzahl sogenannter gay frienldy Hotels und Pensionen. Auch gay cruises oder andere Reiseformate werden zunehmend populär innerhalb der communtiy. Und auch in Südtirol mehren sich die Angebote dieser Art – eine kurze Online-Recherche reicht aus, um dies zu bestätigen.
Doch ist das der richtige Weg? Ich würde hier gern zwei Bedenken anführen: Zum einen denke ich, dass es nicht förderlich ist, eine Parallelgesellschaft zu etablieren, da dies eine selbstgemachte soziale Exklusion zur Folge hat. Wer sich selbst abgrenzt, schafft den anderen nur die Legitimationsgrundlage dafür. Zum anderen hat nicht jede Minderheit in Europa die Möglichkeit von diesem Angebot gebrauch zu machen. Eine Unterkunft, die sich als „friendly“ für Menschen mit Mitrationshintergrund betitelt, sucht man vergebens.
Wenn ich das ganze Jahr über im Alltag eh Aktivist sein muss, warum darf ich mir dann nicht wenigstens im Urlaub eine unbeschwerte Zeit gönnen?
Allerdings bin ich bei meiner Recherche zum Thema Urlaub auf ein Zitat von Shakespeare gestoßen, dass mir zu Denken gab: „Wenn das ganze Jahr über Urlaub wäre, wäre das Vergnügen so langweilig wie die Arbeit.“ Umkehrt und auch hinsichtlich der Thematik betrachtet, bedeutet das hingegen: Wenn ich das ganze Jahr über im Alltag eh Aktivist sein muss, warum darf ich mir dann nicht wenigstens im Urlaub eine unbeschwerte Zeit gönnen? Solange also Menschen aufgrund bestimmter Attribute alltäglich diskriminiert und stigmatisiert werden, denke ich, dass kleine Inseln der Unbeschwertheit und des ungestörten Wohlbefindens durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Vielleicht sollte man diese Inseln nur erweitern und aus gay friendly einfach nur friendly machen. Für alle die sich nach einem Urlaub sehen, an einem Ufer, das Sicherheit bietet.
* Der Autor dieses Beitrages ist der Redaktion bekannt. Der Südtiroler hat aber ersucht, anonym zu bleiben.
Danke für den sehr gut
Danke für den sehr gut geschriebenen Beitrag und den Denkansätzen!
Ich habe die Befürchtung, dass die aktuelle (erwachsene) Gesellschaft noch lange brauchen wird, um mit gleichgeschlechtlichen Paare in der Öffentlichkeit als normal zu empfinden, auch wenn ich hier Fortschritte sehe.
Ich hoffe allerdings auch, dass die nächste Generation wesentlich offener mit dem Thema umgehen wird: Vielleicht erreichen wir den Idealzustand, wo es nicht mehr auffällt, wenn homosexuelle Paare sich gleich verhalten können wie heterosexuelle, ohne sich dabei eingeschränkt zu fühlen.
Ich versuche diese offene Haltung zumindest bei meinen eigenen Kindern so vorzuleben, um ein Selbstverständnis und ein natürlichen Umgang zu fördern. Auch sehe ich, dass meine Kinder Homosexualität aus Medien und Internet viel anders erleben als wir das vielleicht früher: anhand von Vorbildern, Beispielen und offener Diskussion.
Alles Gute!
Ich würde es auf jeden Fall
Ich würde es auf jeden Fall begrüßen, wenn sogenannte gay-friendly-Hotels nicht notwendig wären. Ich finde es (als geouteter und unverbesserlicher Heterosexueller) durchaus bereichernd, gerade auch im Urlaub in ungezwungener Atmosphäre mit Menschen anderer sexueller Ausrichtung zusammenzukommen. Man kann viel gegenseitig lernen.
Das gewählte Foto zeigt eine
Das gewählte Foto zeigt eine katholisch geführte Rehaklinik außerhalb Südtirols. Soll uns das auf subtile Weise etwas sagen?
In reply to Das gewählte Foto zeigt eine by Benno Kusstatscher
Du meinst das Grandhotel am
Du meinst das Grandhotel am Misurina See? Aber wer weiß das, außer du als Belluneser-Dolomiten-Esperte? Wenn du jetzt weißt, was sagte es dir dann auf subtile Weise, Benno?
Im Artikel wird kurz die
Sehr schöner Artikel, mir fällt dabei ein Gespräch ein, das ich kürzlich hatte:
Einer meiner besten Schulfreunde ist homosexuell und ich sprach mit ihm öfters darüber, ob und wie er diskriminiert wird. Er sagte, anfangs sei es für ihn ein Problem gewesen, öffentlich Händchen zu halten, doch irgendwann hat er etwas erkannt:Letztlich wird doch in einer Gesellschaft wie der Unseren über jeden gelästert. Wenn ein alter Mann mit eine junge Frau zusammen ist, wird gelästert. Wenn ein junger Mann mit einer alten Frau zusammen ist, wird ebenfalls gelästert. Wenn jemand zu viel verdient, wird gelästert, ebenso wie wenn jemand zu wenig verdient. Auch wenn jemand in jungen Jahren beträchtliche Summen erbt, wird gelästert. Selbst banale Dinge wie Frisuren oder Kleidung reichen aus, um den scheinbaren Missmut der Gesellschaft auf sich zu ziehen.
Letztlich kann man es der Gesellschaft nie Recht machen, wenn man in irgend einer Weise vom Durchschnitt abweicht. Doch wer möchte Durchschnitt sein?
Er sagte mir, er habe diese Sichtweise entwickelt und seither falle es ihm wesentlich leichter, mit seinem Partner öffentlich als Paar aufzutreten.
In reply to Im Artikel wird kurz die by Pseudo Nym
Zu beglückwünschen alle, die
Zu beglückwünschen sind alle, die es so sehen können. Es gibt auch jene, denen ihr Anderssein gelegen kommt, um heraus zu stechen. Ich glaube, die große Mehrheit der männlichen Homosexuellen - bei den Lesben ist nochmals anders - erleben das anders.
Andererseits glaube ich, dass es für viele leichter ist, einen Schwulen in einer Partnerbeziehung zu sehen, als dass sie sich vorstellen müssen, dass sich jemand promisk in der Subkultur herumtreibt, wie sie es aus bestimmten Filmen kennen. Außerdem kann man sich als Paar auch gegenseitig stützen und über das Vorgefallene reden, während schwule Singles mit vielem alleine fertig werden müssen.