Happy End
Das Angebot des Freien Theaters Bozen war reizvoll: Das Stück „The Best Of Brecht” versprach eine Collage mit Texten und Liedern von Bertolt Brecht und wirkte damit angenehm gegenläufig zum Zeitgeist.
Brechts Lieder live zu hören war also ein reizvolles Angebot, dem wir nicht widerstehen wollten.
Musik spielte im Schaffen von Brecht immer wieder eine wesentliche Rolle, so ist „Die Dreigroschenoper” wohl wegen Kurt Weills Musik zu einem wahren Klassiker geworden, bei aller zielgenauen Dichtkunst der von Brecht verfassten Texte: „Und der Haifisch, der hat Zähne...” ist mit Weills Melodie untrennbar verschmolzen. Brechts Lieder live zu hören war also ein reizvolles Angebot, dem wir nicht widerstehen wollten.
Regisseur Reinhard Auer hat dafür ein kleines Ensemble zusammengestellt, das die knapp 90-minütige Aufführung stemmen sollten: Gabriele Langes, Susanna Magdalena Geier, Elisabeth Langes, Christoph Morais Fortmann und Thomas Giegerich als SchauspielerInnen, Stefan Geier von TriOlé, am Akkordeon als begleitenden Musiker. Austragungsort war der malerische Innenhof der Fahlburg in Prissian, ausgestattet mit einem großen Leiterwagen, der Andeutung einer Bar und einer ebenso sparsamen wie wirkungsvollen Ausleuchtung. Alles machte den Eindruck einer reduzierten, durchdachten und dem Ambiente angepassten Inszenierung.
Erwartungen hatten wir keine, außer, einige der bekanntesten Songs aus Brechts Schaffen endlich auch einmal live zu hören. Und Reinhard Auer scheint den Titel des Stücks tatsächlich ernst zu nehmen: „Alabama Song” ist gleich das erste Stück. Und in den folgenden 90 Minuten folgen mit „Pirate Jenny”, das „Lied von der belebenden Wirkung des Geldes”, das „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens”, „Nanna's Lied” und andere geläufige Songs, die u.a. von Kurt Weill, Paul Dessau und Hanns Eisler zu Brechts Textvorlagen geschrieben worden waren. Und dazwischen immer wieder weniger Bekanntes.
Regisseur Reinhard Auer hat den Abend in vier „Bilder” gesplittet, in denen die Themenblöcke Geld, Individuum, Liebe und Politik verdichtet „diskutiert” wurden. Während Gabriele Langes Brecht mit seinem Leben und seinem Schaffen konfrontierte, versuchte sich der große Dramatiker – dargestellt vor Christoph Morais Fortmann und Thomas Giegerich – zu rechtfertigen, zu erklären und zu verteidigen. Auer hat mit seiner Montage ein durchaus ambivalentes Bild von Bert Brecht herausgearbeitet und hat dabei beispielsweise seine Beziehung zum Geld und sein Verhältnis zu Frauen so thematisiert, dass sich der Zuhörer/die Zuhörerin selbst sein/ihr Urteil machen konnte und – ganz im Brecht'schen Sinn – sollte.
Aber es war vor allem das vierte Bild, „Brecht und die Politik”, das spannend war und die mögliche Gegenwartsrelevanz von Brecht in den Fokus brachte. Brecht hatte sich gegen das totalitäre und menschenverachtende Nazi-Regime gestellt. Das „Lied von der Tünche” erzählt vom Überdecken, Schönreden und Wegschauen angesichts auftauchender Verfallserscheinungen.
Aber: Wo bleibt „Mackie Messer”?
Reinhard Auer hat mit „The Best Of Brecht” zum einen ein „Best Of” für das Publikum auf die Bühne gebracht, aber gleichzeitig wohl auch das Beste aus seiner Sicht. Auch wer einigermaßen mit Brecht vertraut war, konnte an diesem Abend viel Neues, Unbekanntes entdecken. Auer und das Freie Theater Bozen haben aber vor allem die große Fülle des Schaffens von Bertolt Brecht hervorgehoben. Die Inszenierung reduziert, aber nicht spartanisch. Zwar wiesen die Kostüme, die Ausstattung und die Bühnenelemente in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, die Zwischentexte holten das Stück (und das Publikum) aber immer wieder beispielsweise durch gängige Redewendungen in die Gegenwart. Gut gemacht, denn hier wurden inhaltlicher Gehalt und Unterhaltung gut miteinander verschmolzen. Die Songs wurden gut gesungen, waren bei Bedarf mit den typischen mehrstimmigen Chören versehen und die Entscheidung, „nur” den Akkordeonisten Stefan Geier mit der musikalischen Begleitung zu betrauen, war sehr gut und absolut stimmig. Es war ein schöner, gewinnbringender Abend.
Aber: Wo bleibt „Mackie Messer”? Denn plötzlich, während die Gedanken noch den politisch aufgeladenen Texten zu folgen suchten, war das Stück zu Ende.
Reinhard Auer, der sich hier nicht zum ersten Mal mit dem deutschen Dramatiker beschäftigt, greift genau an diesem Punkt erneut n die Werkzeugkiste von Brecht und schließt – nach dem düsteren Aufenthalt in politisch finsteren Zeiten – mit einer jazzig-swingenden, fingerschnippenden und nahezu positiven Version der „Ballade von Mackie Messer” ab. Glück gehabt ... Ende gut, alles gut?!
Link:
Freies Theater Bozen: https://www.ftb.bz.it