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Die Wheelchair Tigers aus Bozen

Sie spielen in der Italienliga, gegen die Sharks aus Monza und das Dreamteam aus Mailand. Elektrorollstuhl-Hockey verlangt rasante Fahrtechnik und gute Ballführung.

So nach und nach trudeln sie ein, am Parkplatz des großen Schulareals in der Bozner Roenstraße. Dort befindet sich die Turnhalle, in der sich die „W.H. Tigers“ mindestens einmal die Woche zum Hockeytraining treffen. Ich habe mich dort mit unserem neuen salto-Blogger Clemens Innerhofer und seinem Vater verabredet. Sie wollen mir zeigen, was es mit der Sportart Elektro-Rollstuhl-Hockey auf sich hat.

Angefahren kommen die meisten mit dem Kleinbus bzw. Transporter, schließlich muss Platz sein für den Rollstuhl, oder wie bei Familie Misterka aus Montiggl auch für zwei. Andreas und Matthias Misterka sind bereits seit einigen Jahren beim W.H. Tigers dabei, sie spielen beide mit dem sogenannten Stick, einem am Elektrorollstuhl applizierten Schläger. „Der Stick ersetzt mir die fehlende Kraft in den Armen, die ich nicht mehr habe,“ erzählt der 18-jährige Matthias. Als Kind konnte er noch gehen, doch seine Krankheit, die Muskeldystrophie raubt ihm nun die Stärke und Kraft, die er für einen kräftigen Schuss aufs Tor benötigen würde. Nichtsdestotrotz  ist er mit Leib und Seele dabei, so gut es geht, ebenso sein älterer Bruder Andreas, der das Tor bewacht. „Es ist ein guter Sport um mit anderen zusammenzukommen und regelmäßig etwas zu tun, auch wenn wir im Rollstuhl sitzen, außerdem spielen wir in einer richtigen Liga und fahren auch zu Auswärtsspielen.“

Die Tigers sind die einzige Elektro-Rollstuhl-Hockey Mannschaft weit und breit, in der diesjährigen Meisterschaft treten sie gegen die Sharks aus Monza und das Dream Team aus Mailand an. Die Mannschaftssportart entwickelte sich in den 1970er Jahren in Nordeuropa; wichtig für die Spieler ist der einfache Umgang mit dem Hockeyschläger bzw. mit dem vorne am Rollstuhl aufgesetzten „Stick“. Fahrtechnik und Ballführung sind gefragt, schließlich flitzen die Spieler mit 12 Stundenkilometern übers Spielfeld. Die Elektrorollstühle werden ausschließlich für den Mannschaftssport verwendet, die persönlichen Alltagsstühle stehen geparkt am Ende der Turnhalle. „Ein solcher E-Rollstuhl kostet an die 16 bis 18.000 Euro“, erzählt Karlheinz Innerhofer aus Meran, „diese Summen bringen wir privat, über Zuschüsse und über Sponsoren auf.“ Bei Auswärtsspielen sind mindestens 3 Kleinbusse unterwegs. Der Sport ist teuer, ja, sagt Innerhofer, aber er ist wie kaum ein anderer geeignet, um den Rollstuhlfahrern nicht nur sportliche Herausforderung, sondern auch soziales Miteinander zu bieten.

„Jeder unserer Spieler und Spielerinnen hat ein anderes Krankheitsbild,“ erzählt die Präsidentin des Clubs, Katie Mazzier. Ihre Schwester, Debora, ist ebenfalls im Team. Die 21-Jährige hat vor anderthalb Jahren das klassische Gymnasium abgeschlossen, nun besucht sie Kurse an der Universität Bozen, sie muss erstmal richtig gut Deutsch lernen, sagt sie. Debora sitzt im Rollstuhl, seit sie als kleines Kind mit dem Polioerreger angesteckt wurde. „Ich weiß, dass das extrem selten vorkommt, man kann sagen, ich habe wirkliches Pech gehabt, aber mittlerweile finde ich, so macht das Leben mehr Sinn.“ Ich schaue sie etwas ungläubig an und sie wiederholt den Satz: „Ich bin einfach viel motivierter als meine gleichaltrigen gesunden Freunde und Freundinnen. Es kostet mich alles viel mehr Kraft und Aufwand, aber gerade das lässt mich das Leben schätzen.“ Debora spielt als Verteidigerin mit gelegentlichen Ausreißern Richtung Tor. Die meisten Stick-Spieler stehen „hinten“, passen also auf, dass die gegnerische Mannschaft nicht allzuoft den Ball ins Netz schießt.

Auch Giovanna Di Mazza spielt auf dieser Position, und sie vertritt Andreas im Tor bei Auswärtsspielen, wenn dieser nicht kann. Sie ist verheiratet und hat einen 16-jährigen Sohn, „der ist gesund“, sagt die 44-Jährige. Sie stammt aus Caserta und ist erst seit einigen Jahren in Südtirol. Auch sie will Deutsch lernen, sie möchte einen Job. „Intanto sto a casa, faccio la mamma.“

Ungefähr 15 Spieler und Spielerinnen gehören zu den Bozner Tigers: „Es sind viele Sprachen vertreten,“ erzählt Präsidentin Mazzier, „natürlich deutsch und italienisch, aber es sind auch Armenier, Rumänen und Iraker bei uns.“ 40 Minuten dauert eine Partie, gespielt werden 4 Zeiten à 10 Minuten. In dieser Saison spielen die Tigers in der A2 Liga, heuer sind sie auch beim Italiencup dabei. „Wonach wir immer auf der Suche sind, ist einerseits Geld, eben finanzielle Unterstützung, aber auch freiwillige Helfer,“ sagt Katie. „Das ist zur Zeit wirklich schwierig geworden, denn man merkt einen Rückgang im Freiwilligen-Engagement.“ Mit dabei sind vor allem die Familienangehörigen, auch Freunde. „Wennn wir uns mit einem anderen Verein zusammenschließen, haben wir vielleicht Anspruch auf einen Zivildiener. Das würde einiges weiterbringen,“ meint Katie Mazzier.

Während das Spiel weiterläuft und die Tigers ihre Bahnen ziehen, mache ich mich auf den Nachhauseweg, zu Fuß und mal ohne meinen eigenen fahrbaren Untersatz, das Radl. Ich denke über Parallelwelten nach.