Economy | Ausschreibungen

Das Warten hat sich gelohnt

Der Entwurf für das neue Gesetz zur Vergabe öffentlicher Aufträge steht. Südtirols Wirtschaftstreibende zeigen sich zufrieden.

Noch hat der Landtag ihn nicht genehmigt. Doch es schaut aus, als könnte der monatelange Werdegang des Gesetzesentwurfs zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen, nun ein absehbares Ende finden. Seit mehr als einem Jahr bastelt die Landesregierung bereits daran. Ein erster Entwurf war im August 2014 fertig. Nun wurde der endgültige Text vorgelegt. Einstimmig verabschiedete die Landesregierung am Dienstag Vormittag den von Landeshauptmann Arno Kompatscher vorgelegten Entwurf mit dem Titel “Bestimmungen über die öffentliche Auftragsvergabe”.

In letzter Minute hatte der Rat der Gemeinden am Vortag noch ganze zehn Abänderungsvorschläge eingereicht. Doch davon hat man sich in der Landesregierung nicht abbringen lassen: “Sieben Vorschläge wurden heute noch in den Text eingearbeitet. Es handelt sich um einzelne, kleinere Änderungen, in denen wir eine Verbesserung sehen”, berichtete der Landeshauptmann am Dienstag Nachmittag. Insgesamt 60 Artikel umfasst der Gesetzesentwurf, der unter der Beteiligung der Universitäten von Trient und Innsbruck sowie in Zusammenarbeit mit zahlreichen Interessensgruppen erarbeitet wurde. Diese zeigen sich nun erfreut.


Größere Chancen für Kleine und Mittlere

So hatte etwa der lvh gefordert, die strengen Beteiligungsbestimmungen für öffentliche Ausschreibungen neu zu regeln. “Seit Jahren ist zahlreichen hiesigen Klein- und Mittelbetrieben nämlich der Zugang zu den öffentlichen Ausschreibungen verwehrt”, begründet man im lvh den starken Druck auf die Landespolitik. Wenn auch die kleinen und mittleren Unternehmen im Land die Chance hätten, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, ermögliche man ihnen dadurch, wettbewerbsfähig zu bleiben, so die Überzeugung im lvh. Bei der Landesregierung hat man damit anscheinend offene Türen eingerannt. “Uns war es besonders wichtig, den kleinen und mittelständischen Unternehmen einen leichteren Zugang zum öffentlichen Markt zu ermöglichen”, gesteht Kompatscher.

lvh-Präsident Gert Lanz: “Wir wollen unseren Betrieben eine solide Basis für ihren Arbeitsalltag und Perspektiven für die Zukunft schaffen und sie endlich das tun lassen, was sie können: gute und qualitativ hochwertige Arbeit anbieten und auch ausführen.” Foto: lvh

Das soll nun durch eine Reihe von Maßnahmen passieren: Unter anderem sieht das neue Vergabegesetz eine Aufteilung in Lose vor. Diese kann nach quantitativen oder qualitativen Kriterien erfolgen. Bei den Bauaufträgen werden die Schwellenwerte für Verhandlungsverfahren von einer Million Euro auf zwei Millionen angehoben, im Bereich der Dienstleistungen und Lieferungen auf einen Betrag von 207.000 Euro. Wenn ein Auftrag diese Werte nicht übersteigt, kann er an eine beschränkte Anzahl von Anbietern und ohne europaweite Ausschreibung vergeben werden.


Vorzug für günstigstes Angebot – Qualität muss garantiert bleiben

“Die Entscheidung kann dann aufgrund des Preises erfolgen”, so Kompatscher weiter. Wenn sich die öffentliche Hand für das kostengünstigste Angebot entscheidet, heißt das jedoch nicht automatisch, dass die Qualität darunter leiden muss: “Denn wenn man nur ausgewählte Firmen zum Wettbewerb einlädt, dann kann man von vornherein sicher stellen, dass die Qualität gewährleistet ist.” Über diesen Punkt freut man sich unter anderem beim Südtiroler Wirtschaftsring. “Eine unserer zentralsten Forderungen war die Vergabe nach dem wirtschaftlich günstigsten Angebot”, berichtet SWR-Präsident Philipp Moser. Indem bei Auswahlverfahren unter dem Schwellenwert nur eine beschränkte Anzahl von Betrieben zur Einreichung eines Angebots eingeladen werden, bei denen die Qualitätsstandards garantiert seien, werde dem hohen Qualitätsstandard der Südtiroler Produkte und Dienstleistungen Rechnung getragen, zeigt man sich im SWR zufrieden.

Bei Ausschreibungen über dem Schwellenwert hingegen sieht der Gesetzentwurf vor, dass öffentliche Auftraggeber den Zuschlag aufgrund des besten Preist-Leistungs-Verhältnisses erteilen sollen. Wohlwollend nimmt man das im SWR zur Kenntnis: “Es muss uns auch gelingen, nicht nur auf internationaler Ebene, sondern auch hier in Südtirol einen angemessenen Preis für unsere Produkte und erbrachten Leistungen zu erzielen, der die Betriebe nicht zwingt, sich einen Preiskampf auszuliefern”, so Moser.

SWR-Präsident Philipp Moser: “Die hohe Qualität der Südtiroler Produkte und Dienstleistungen muss anerkannt werden.“ Foto: SWR


Erwartungshaltungen bislang erfüllt

Eine weitere Neuerung, die bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zum Tragen kommen wird, ist, dass Unternehmen, die kurze Transportwege zurücklegen müssen, bevorzugt behandelt werden sollen. Außerdem wird die Vergabe von personenbezogenen Dienstleistungen in mehreren Bereichen, darunter im Sozialen, Gesundheit oder Kultur laut Kompatscher “einfacher und zielgerichteter” werden. Gewisse Vergaben von Dienstleistungen sind somit Unternehmen, die nicht auf Gewinn ausgerichtet sind, wie etwa Sozialgenossenschaften, vorbehalten. “So können Betriebe, die zum Beispiel Menschen mit Beeinträchtigung beschäftigen, gezielt gestärkt werden”, so der Landeshauptmann.

“Bei der öffentlichen Auftragsvergabe sprechen wir von über 44.500 Aufträgen mit einem Volumen von etwa 800 Millionen Euro jährlich”, rechnet SWR-Präsident Moser, vor. Aufträge, die die Südtiroler Unternehmen bräuchten, um weiterhin Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung generieren zu können. “Die Rahmenbedingungen stimmen nun”, freut man sich beim SWR, “es werden künftig neue Impulse für die hiesige Wirtschaft geschaffen”, zeigt sich lvh-Präsident Gert Lanz zuversichtlich. Das monatelange Knobeln und die intensive Kleinstarbeit scheinen sich also ausgezahlt zu haben. Innerhalb November soll der Landtag das neue Vergabe-Gesetz verabschieden. Dann sind die öffentlichen Vergabestellen gefordert, “alle Möglichkeiten auszuloten und die Ausschreibungen so zu gestalten, dass alle Südtiroler Betriebe eine reelle Zugangschance haben”, wünschen sich die Wirtschaftstreibenden im Land.