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Tatort Eisack

Am Freitag beginnt am Bozner Landesgericht der sogenannte Stein-an-Stein 2-Prozess. Es geht dabei um die Manipulation des Wassernutzungsplans.

Die Erstverhandlung ist für Freitagfrüh angesetzt. Auf der Anklagebank sitzen in diesem sogenannten „Stein an Stein 2“-Prozess Maximilian Rainer, Michl Laimer, Klaus Stocker und Franz Pircher. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Quartett Amtsmissbrauch und Beihilfe dazu vor. Es geht in diesem Gerichtsverfahren um die Manipulationen des Wassernutzungsplans zum Vorteil der Stein an Stein Italia GmbH.
Ob der Prozess allerdings wirklich beginnt, ist fraglich. Ursprünglich sollte Carlo Busato diesen Prozess als Vorsitzender leiten. Weil Busato aber bereits Klaus Stocker und Franz Pircher im „Stein-an-Stein 1“-Verfahren verurteilt hat, wurde er von der Verteidigung abgelehnt.
Jetzt soll Carla Scheidle dem dreiköpfigen Richtersenat vorsitzen. Scheidle hat aber erst an diesem Mittwoch denselben Prozess um das Mittewalder Kleinkraftwerk gegen Maximilian Rainer abgeschlossen. Vieles spricht dafür, dass die Verteidiger deshalb zu Beginn der Verhandlung einen neuen Befangenheitsantrag stellen werden. Der Antrag dürfte auch durchgehen und damit der Auftakt des Verfahrens erneut vertagt werden.
Um was geht es aber in diesem neuen Prozess?

Der Wassernutzungsplan

Der Wassernutzungsplan (WNP) oder auch Gewässernutzungsplan ist eine Art Gesamtplan zur Nutzung der öffentlichen Gewässer in Südtirol. Der Plan ist naturgemäß ein Kompromiss zwischen den Begehrlichkeiten der Strombetreiber und den Bedürfnissen der Landwirtschaft, der Umweltschützer und der Fischereiverantwortlichen. 1986 wird in Südtirol erstmals ein Wassernutzungsplan genehmigt. Es dauerte 24 Jahre, bis die Landesregierung im April 2010 einen neuen und aktualisierten WNP verabschiedet.
Das Land beginnt mit der Ausarbeitung des WNP bereits im Jahr 2004. Für die Erarbeitung dieses wichtigen Planungsinstrumentes wird eine eigene Arbeitsgruppe gebildet, in der Beamte der Abteilungen Wasser und Energie, Wasserschutzbauten, der Landesagentur für Umwelt, für Brand- und Zivilschutz, Landwirtschaft und Forstwirtschaft sitzen. Diese Fachleute schreiben den ersten Entwurf des WNP. Im Herbst 2006 liegt der erste Entwurf des Plans vor.
Der Wassernutzungsplan fällt in das Aufgabengebiet von Landesrat Michl Laimer. Wo aber Laimer draufsteht, ist immer dann, wenn es um Energie oder Wasserkraft geht, vor allem Maximilian Rainer drin. Die Ermittler konnten anhand der Analyse des Datenverkehrs zwischen Laimer und Rainer nachweisen, dass der Landesplan danach jahrelang immer wieder zwischen der SEL und dem Büro Laimer hin und her ging.
Die Landesenergiegesellschaft modellierte dabei das Gesetzesinstrument des Landes nach ihren Befindlichkeiten mehrmals um. Im Zentrum der von Maximilian Rainer & Co angebrachten Änderungen steht dabei vor allem der Eisack zwischen Sterzing und Franzensfeste.

Das Großkraftwerk

2005 will die SEL am Eisack ein Großkraftwerk errichten. Es werden dazu aber insgesamt sieben Konkurrenzprojekte eingebracht. Von öffentlichen wie auch von privaten Stromunternehmern. Genau hier setzte Maximilian Rainer dann an. Der SEL-Generaldirektor und seine Mitarbeiter modellieren den Wassernutzungsplan so um, dass der Großteil der Konkurrenten ausgeschaltet werden soll. Wie?
Man verlängert die Schutzgebiete am Eisack genau so, dass die Wasserfassungen der Konkurrenzprojekte in geschützte Zonen fallen und damit nicht mehr gebaut werden können. Am Ende bleiben nur mehr zwei Projekte für ein Großkraftwerk übrig: Jenes der SEL-Tochter Eisack Energie AG und jenes der Eisackwerk GmbH von Hellmuth Frasnelli und Karl Pichler.
2007/2008 ändert sich dann aber das Klima grundlegend. Die Proteste der Umweltschützer, der Umweltorganisationen und auch der Südtiroler Fischer gegen den Bau des geplanten Großkraftwerkes am Eisack werden immer energischer und breiter. Die SVP und die Landespolitik beginnen 15 Monate vor den Landtagswahlen Angst um die Wählerstimmen im Eisacktal zu bekommen.
Gleichzeitig bewegt sich die private Eisackwerk GmbH geschickter und professioneller als von Maximilian Rainer & Co erwartet. Als Maximilian Rainer und Michl Laimer merken, dass das Projekt der Eisackwerk GmbH und dessen technische Lösung auch bei den zuständigen Landesämtern durchaus auf Zustimmung und Wohlwollen treffen, geht die Angst um, gegen den privaten Konkurrenten zu unterliegen. Man beschließt, radikal die Handbremse zu ziehen.
Die Landespolitik entscheidet, den Eisack zwischen der Einmündung des Pfitscher Bachs und dem Stausee von Franzensfeste unter Schutz zu stellen. Diese Regelung wird in den Wassernutzungsplan aufgenommen. Konkret heißt das, dass dieser gesamte Flussabschnitt von der hydroelektrischen Nutzung ausgeschlossen wird. Die Regelung bedeutet das Aus für die geplanten Großkraftwerke.

Stein an Stein in Nöten

2006/2007 erwirbt die Stein an Stein Italia ein Kleinkraftwerk in Mittewald. Inzwischen ist es gerichtlich nachgewiesen, dass SEL-Direktor Maximilian Rainer, SEL-Präsident Klaus Stocker und SEL-Aufsichtsratspräsident Franz Pircher den SEL-Verwaltungsrat in die Irre geführt haben, um das Kraftwerk verdeckt und privat zu erwerben. Alle drei wurden wegen Betruges verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Es gibt zwischen Freienfeld und dem Staussee in Franzensfeste vier private Kleinkraftwerke. Von Anfang war eines klar: Sollte das Großkraftwerk gebaut werden, müssen die Besitzer dieser Kleinkraftwerke entweder entschädigt oder am Großkraftwerk beteiligt werden. Beides ist ein Millionengeschäft. Genau auf dieses Geschäft schielen auch die verdeckten Eigner der Stein-an-Stein-Italia.
Als klar wird, dass der Bau des Großkraftwerks gestorben ist, wollen sie einen Plan B umsetzen: Die Erweiterung des Mittewalder Kleinkraftwerks, um damit eine Vervielfachung ihres Gewinns zu erreichen.
Im Sommer 2008 reicht die Stein-an-Stein-Italia beim Land ein Erweiterungsprojekt für das Kraftwerk ein, das nicht nur ein Neubau ist, sondern mit dem die Leistung auch verdreifacht werden soll.
Hier wird aber plötzlich der Wassernutzungsplan zum Problem. Denn genau dieser Flussabschnitt soll für neue Stromableitungen unter Schutz gestellt werden. Die Konzession für das Mittewalder Kleinkraftwerk läuft bis Ende 2009. Auch mit einer Unterschutzstellung wäre sie der Stein-an-Stein-Italia danach nicht genommen worden. Die geplanten Erweiterungen hätte man sich aber abschminken müssen.
Vor diesem Hintergrund werden Maximilian Rainer & Co aktiv.

Die Rettung

Im Frühjahr 2009 behandeln die Landesämter das Erweiterungsprojekt der Stein-an-Stein-Italia. Obwohl von der Dienstellenkonferenz und den zuständigen Ämtern abgelehnt, wird das Projekt im August 2009 von der Landesregierung im Rekursweg genehmigt.
Damit es aber dazu kommt, muss zuvor der Wassernutzungsplan ummodelliert werden. Am 29. Juni 2009 soll die Landesregierung den Plan genehmigen. Wie üblich übermittelt der zuständige Landesrat Michl Laimer vorab, am 15. Juni 2009, den WNP-Entwurf an Maximilian Rainer zur „Kontrolle“. Auch diesmal korrigiert die SEL einige Dutzend Passagen.
Dabei lässt sich der SEL-Generaldirektor eine ganz besondere Variante einfallen, die er in den WNP einbaut und die die Rettung für die Erweiterung des Mittewalder Kleinkraftwerks sein soll. Die Unterschutzstellung des Eisacks erhält plötzlich eine Differenzierung, die sonst nirgendwo im gesamten Plan zu finden ist. Der Eisackabschnitt zwischen Freienfeld und Franzensfeste wird nur für Großkraftwerke unter Schutz gestellt, aber nicht für Kleinkraftwerke.
Es ist genau jenes Schlupfloch, das die Stein-an-Stein-Italia braucht, um die Potenzierung ihres Kraftwerks umsetzen zu können. Während der Eisack für Großkraftwerke tabu ist, können die vier Kleinkraftwerke zwischen Freienfeld und Franzensfeste ausgebaut werden.
Obwohl alle Landesbeamten und Fachleute einwenden, dass diese Unterscheidung völliger Nonens ist, wird der WNP am Ende so genehmigt.

Rainers Handschrift

Die Ermittler können lückenlos dokumentieren, dass diese entscheidende Änderung des Wassernutzungsplanes in der SEL gemacht wurde. Die Anklage hat dabei erdrückendes Beweismaterial gegen Maximilian Rainer in der Hand. Der SEL-Generaldirektor hat mit den bereits geschilderten Änderungen im WNP aktiv die Rettung der privaten Kraftwerksinvestoren betrieben.

 

Der Königsbeweis ist aber ein Dokument, das die Ermittler von der SEL bekommen haben: Es sind die originalen Seiten 59 und 60 aus dem ursprünglichen Wassernutzungsplan. Darauf ist die Passage zur Unterschutzstellung des Eisacks „bis zum Stausee von Franzensfeste“ mit rotem Filzstift durchgestrichen und handschriftlich jene Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinkraftwerken am Eisack eingefügt, die es für die Stein-an-Stein-Italia braucht. Die Handschrift ist jene von Maximilian Rainer.
Der ehemalige SEL-Generaldirektor gibt auch zu, dass er diese Änderungen geschrieben hat, doch er dreht in seiner schriftlichen Stellungnahme an den Staatsanwalt die Rollen um. Maximilian Rainer belastet direkt Michl Laimer:

„Ich weiß sehr wohl – da sie beide mir von den Treffen selbst erzählt haben – dass sich Laimer und Pircher zur Angelegenheit Stein an Stein getroffen haben. Dies lässt mich gegebenenfalls vermuten, dass LR Laimer vielleicht doch etwas wusste oder Informationen besessen hat und ein Ausbau auch im Gewässernutzungsplan abgesichert werden sollte. In diesem Fall hat er mich benutzt, denn ich habe auf seinen Hinweis und seine Intervention hin diese hand- schriftliche Formulierung auf das Arbeitspapier gesetzt (als Mitschrift des Telefonates mit Laimer) und in unserem Entwurf diese Formulierung als von der Arbeitsgruppe beschlossene Abänderung vorgesehen und eingefügt.“

Rainer erklärt an einer anderen Stelle seiner Sachverhaltsdarstellung explizit, dass Landesrat Michl Laimer ihm diese Änderung telefonisch diktiert habe. Laimer bestreitet diese Version vehement.
Es wird sich im anstehenden Prozess zeigen, wem das Gericht Glauben schenkt. Maximilian Rainers Pech ist aber: Es gibt einen Zeugen, in dessen Anwesenheit der SEL-Generaldirektor die betreffende Änderung in roter Farbe auf die Seite 60 gekritzelt hat. Und dabei war Rainer weder am Telefon, noch war ein Landesrat anwesend, der diktierte.  

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Willy Pöder Fri, 11/14/2014 - 07:19

"Befangenheit und mögliche Vertagung von Stein an Stein 2". Stinkt dieses Verfahren etwa auch schon wieder nach Verjährung? Übrigens: Rund um des Präsidenten Sonderfonds ist ebenfalls sehr still geworden. Nach all den mehrspaltigen Schlagzeilen, mit welchen die Medien den Fall seinerzeit in den Mittelpunkt ihrer Chronik gerückt haben, muss die neuerdings feststellbare mediale "Grabesstille" hinsichtlich des erhobenen Vorwurfes Leser, Hörer und Fernseher, je nach Konsumentengattung, nachdenklich stimmen. Frage: Winkt vielleicht auch diesem Fall die Verjährung? Das ist doch die neue Masche! Sie schürt des Volkes Befangenheit.

Fri, 11/14/2014 - 07:19 Permalink