Vatikan (Symbolfoto)
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Society | Neue Vatikan-Affäre

Der Kardinal und seine Ministranten

Dem US-Kardinal Theodore McCarrick wurden seine Beziehungen zu Ministranten zum Verhängnis. Der Papst hat ihn seines Amtes enthoben und aus der Kirche ausgeschlossen.

Nur wenige Wochen nach den Turbulenzen, die zur Entlassung von Kardinal Giovanni Angelo Becciu führten, ist der Vatikan von einer weiteren unangenehmen Affäre betroffen. In einem detaillierten, jetzt vom Staatssekretariat veröffentlichen Bericht nimmt der Heilige Stuhl zum Fall des US-Kardinals Theodore McCarrick Stellung, einem der erfolgreichsten Vertreter der katholischen Kirche in den USA. Denn trotz aller Schatten, die den kirchlichen Würdenträger jahrelang begleitet hatten, wurde er zum Erzbischof von Newark und später von Washington befördert – auf einen Posten, der traditionell die Ernennung zum Kardinal zur Folge hat. Eine Würde, die dem 90-jährigen mittlerweile aberkannt wurde, der trotz drückender Beweise stets alle Vorwürfe bestritten hat.

Eine vom New Yorker Erzbischof Thimoty Dole geleitete Untersuchungskommission kam zum Ergebnis, dass die Beschuldigungen "glaubhaft und begründet" seien und dass sich der spätere Kardinal schon in der Sakristei der St. Patricks Cathedral mehrfach an einem 16-jährigen Ministranten vergangen habe. Im Juli 2018 zwang der Papst ihn zum Rücktritt von seinem Kardinalsamt.

Weitere Enthüllungen folgten. In einem von der Diözese gekauften Strandhaus soll McCarrick weitere Jugendliche missbraucht haben. Die Diözese soll zur Vertuschung dieser Fälle ein Schweigegeld von 100.000 Euro bezahlt haben.

Der jetzt vorliegende Bericht versichert, die Beförderungen seien möglich gewesen, weil "zu diesem Zeitpunkt keine glaubwürdigen Informationen aufgetaucht sind, die auf ein Fehlverhalten von seiner Seite hindeuteten." Und weil vier Bischöfe von New Jersey ein sexuelles Fehlverhalten des damaligen Bischofs nicht mit Sicherheit bestätigten und Informationen lieferten, die sich als "unkorrekt und unvollständig" erwiesen hätten.

McCarrick selbst hatte in einem Brief an Papst Wojtyla bestritten, jemals sexuelle Beziehungen zu jemandem gehabt zu haben.

Der von Fraziskus in Auftrag gegebene, 460 Seiten umfassende Bericht stellt für den Vatikan ein erfreuliches Novum dar. Darin wird nun eingeräumt, dass bereits Johannes Paul II über die zahlreichen Vorwürfe des Missbrauchs von Minderjährigen informiert war. Dennoch sei McCarrick zum Kardinal ernannt worden. Als Papst Franziskus von den Vorwürfen der sexuellen Handlungen mit Minderjährigen erfuhr, ordnete er umgehend Ermittlungen an.
An deren Ende standen die Entlassung McCarricks aus dem Kardinalsstand im Juli 2018 und ein halbes Jahr später auch aus dem Priesteramt. Der jetzt publizierte Bericht sorgt nicht nur inder amerikanischen Kirche für lebhafte Dikussion. Auch im Vatikan brodelt es – wie meistens unter der Oberfläche. Befürchtet wird vor allem ein neuer Schub von Kirchenaustritten in den USA und ein noch stärkerer Rückgang jener, die sich für den Priesterberuf entscheiden.