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Der Lauschangriff

Gottlieb Taschler spricht von Rufmord. Doch die Ermittlungsakten sprechen eine andere Sprache. Die Beweise gegen seinen Sohn Daniel sind schwerwiegend.

Guido Rispoli gibt sich zugeknöpft. „Es gibt eine Ermittlung, aber mehr kann und will ich auf Grund des Ermittlungsgeheimnisses nicht sagen“, meint der Oberstaatsanwalt am Freitag.
Nach Informationen von salto.bz läuft die Ermittlung seit einigen Monaten. Ausgehend von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Padua gegen den Dopingarzt Michele Ferrari, die auch den Doping-Fall Alex Schwazer an die Oberfläche brachten, wurden Teile der Akten nach Bozen übermittelt. In der Bozner Ermittlung, geleitet vom stellvertretenden Staatsanwalt Giancarlo Bramante hat man inzwischen mehrere Personen in das Ermittlungsregister eingetragen.
Die Erhebungen – durchgeführt von jener Task Force, die auch im Fall Schwazer tätig war - liefen bis vergangenen Mittwoch unter absoluter Diskretion. Dann veröffentlichte die „Gazzetta dello Sport“ ein Abhörprotokoll, das Daniel Taschler schwer belastet. Und seinen Vater Gottlieb Taschler zumindest in ein zweifelhaftes Licht rückt.

Der Rufmord

Gottlieb Taschler reagierte auf unerwarteten Enthüllungen mit einem Vorwurf an die Presse: Das ganze sei „ein Rufmord“.
Taschler am Donnerstag in einer Stellungnahme: 
Mit Entsetzen hab ich gestern in der italienischen Tageszeitung Gazzetta dello Sport den Artikel “Il capo del biathlon mandava a dopare il figlio”. Dieser Artikel wurde heute von zahlreichen lokalen Zeitungen und elektronischen Medien übernommen. Es handelt sich um einen klaren Missbrauch journalistischer Mittel. Auch die Vorgangsweise, die sich ausschließlich auf Vermutungen stützt, kann nicht angenommen werden. Ich habe selbstverständlich nie meinen Sohn aufgefordert, sich zu dopen und auch nie daran gedacht, eventuell illegale Tätigkeiten von Seiten von Dr. Ferrari für Daniel anzufordern. Die Schlussfolgerungen, die im oben genannten Artikel aus den Prozessakten einer noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Untersuchung gezogen werden, gehen unmissverständlich in Richtung Verleumdung und Sensationsjournalismus", erklärte Taschler.


Und weiter: „Um mein Ansehen und meine Ehre zu schützen, habe ich bereits den Bozner Anwalt Flavio Moccia beauftragt, dringend einzugreifen, damit mein guter Ruf, den ich mir in meiner 40-jährigen Karriere aufgebaut habe, nicht noch weiter zerstört wird."
Auch Daniel Taschler meldete sich in RAI-Südtirol zu Wort und erklärte, dass es das abgehörte, von der Gazzetta veröffentlichte und auch von salto.bz abgedruckte Telefongespräch nie gegeben habe. Der junge Südtiroler Biathlet sagt damit nichts Falsches.
Aber auch alles andere als die Wahrheit.

Stille am Telefon

Aus den abgehörten Telefongesprächen geht eindeutig hervor, dass es Gottlieb Taschler war, der den Kontakt zu Michele Ferrari aufgenommen hat. Ferrari war zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht lebenslang gesperrt, aber es liefen gegen den Sportarzt bereits mehrere Prozesse und Ermittlungen wegen Dopings.
Taschler bestätigt gegenüber der Tageszeitung auch offen, dass er Ferrari gesucht habe. Laut Darstellung des Südtiroler Biathlon-Papstes ging es dabei aber um ein medizinisches Problem seines Sohnes.
Den Ermittler aber bietet sich ein anderes Bild: Michele Ferrari wusste 2010 längst, dass er sich im Visier der Ermittler befindet. Deshalb sprach der Arzt am Telefon auch nie konkret über Doping oder unerlaubte Methoden. Zudem instruierte er seine Kunden genau, wie die Kontaktaufnahme zu erfolgen habe. Auch bei Daniel Taschler.
In einem abgehörten Gespräch zwischen Michele Ferrari und Daniel Taschler, gibt der Mediziner, die Strategie vor:
„Diesmal aber treffen wir uns in Ferrara Süd. Ich gebe dir auch noch eine andere Telefonnummer, die du aber nicht über dein Telefon anrufen darfst. Du musst ein anderes Telefon verwenden, das nicht registriert ist und das du nur für diese Gespräche benutzt. Du besorgst dir ein anderes Telefon über eine dritte Person, die nicht du und auch nicht Gottlieb ist, die aber ein Telefon und eine Sim-Karte kauft. Du darfst diese Simkarte aber auch nicht in deinem Telefon benutzen, denn sonst kann man das zu dir zurückverfolgen. Also, ich gebe dir jetzt meine andere Nummer, es ist eine Schweizer Rufnummer, die du aber nur für diese Sache gebrauchst. Es ist auf jeden Fall besser, wenn du überhaupt nicht anrufst.....“
Welche Sinn aber hätte diese Gespräch über Telefon – wenn jemand davon ausgeht abgehört zu werden?
Keinen. Dann hätte der Dopingarzt den Ermittler selbst die Spur gelegt, wie man ihn belauschen kann.

Wanzen im Camper

Die eigentliche Wahrheit aber ist einfach.
Das jetzt aufgetauchte Protokoll ist kein Telefongespräch, sondern das Ergebnis eines bisher nicht bekannten Lauschangriffs. Auch deshalb ist die Reaktion der Familie Taschler auf die Vorwürfe verständlich.
Daniel Taschler hat Michele Ferrari mehrmals an Autobahnausfahrten oder Raststätten um Ferrara getroffen. Die Treffen fanden in dem aus dem Dopingfall Alex Schwazer bekannten Camper Ferraris statt.


Nur was weder Ferrari noch Taschler wussten: Die Carabinieri-Sondereinheit NAS hatten den Camper verwanzt. Die Gespräche wurde so mitgeschnitten. Auch das Telefongespräch das Daniel Taschler nie geführt haben will, fand in Ferraris Camper statt. Deshalb ist in dem Ermittlungsprotokoll auch in mehreren Fällen angeführt, dass Michele Ferrari dem jungen Antholzer Biathlet während des Gesprächs EPO-Schachteln und Medikamente zeigt.
Der Inhalt des Gesprächs, das im September 2010 in Ferrara Nord stattgefunden habe dürfte, lässt kaum Interpretationsspielraum. Ferrari und Taschler Junior reden von Spritzen und Mengenangaben von 2.000 und 1.000. Es sind jene Dosen mit denen man sich EPO spritzt.
Das Protokoll des Lauschangriffs ist aber in Wirklichkeit weit umfangreicher. Denn Michele Ferrari belässt es nicht dabei, Daniel Taschler zu erklären, wie er sich dopen soll. Er ermahnt den Südtiroler Sportler auch die Dopingmittel ja nicht zu Hause aufzubewahren. Etwa im Kühlschrank. „Diese Mittel sind vom Strafgesetz her verboten“, erklärt Ferrari. Sein Rat: Taschler soll das EPO irgendwo kühl außerhalb des Hauses verstecken und lagern.

Der Schwiegersohn

Daniel Taschler wurde nie positiv getestet. Demnach wird es schwer werden ihm Doping nachweisen zu können. Für die Ermittler ist aber klar, dass er Dopingmittel erworben hat. Bereits das ist strafbar.
Ich schließe aus, dass Daniel gedopt hat“, sagte Gottlieb Taschler am Donnerstag zu Rai-Südtirol,denn ich weiß, was in meiner Familie passiert“.
So ganz kann sicher scheint das aber nicht. Im vergangenen Jahr explodierten die Leistungen eines bis dahin eher mittelmäßigen österreichischen Langläufers: Johannes Dürr.

Nach einer sensationellen Leistung bei der Tour de Ski wurde Dürr bei der Olympiade in Sotchi zur österreichischen Medaillenhoffnung. Doch am 23. Februar 2014 wurde der Senkrechtstarter positiv auf EPO getestet und im Juni 2014 rückwirkend für zwei Jahre gesperrt.
Johannes Dürr lebt und trainiert in Antholz. Und er ist der Schwiegersohn von Gottlieb Taschler.