"Dann werden wir eben klagen müssen"
Herr Wallnöfer, das Pestizidverbot in Mals ist trotz positiver Volksabstimmung erst einmal vom Tisch. Wie schlecht ist die Stimmung unter den Biobauern in Ihrer Gemeinde nun?
Die Stimmung ist nicht nur unter den Biobauern, sondern auch bei einem Großteil der konventionellen Viehbauern schlecht. Auch dort sind viele gegen den Pestizideinsatz, weil sie ihr Futter gefährdet sehen. Wenn bei uns nur die Bauern entscheiden dürften, würde ich mich fast zu wetten trauen, dass wir eine Mehrheit für ein Pestizidverbot zusammen bekommen würden.
Sie selbst sind seit 2006 Biobauer und bewirtschaften insgesamt 20 Hektar Grünland. Wo konkret verursacht Ihnen der Pestizideinsatz Probleme?
Ich habe 2009 die erste konventionelle Apfelanlage neben eines meiner Grundstücke hingesetzt bekommen. Im Jahr darauf habe ich erste Futterproben durch die EU-zertifizierte Kontrollstelle Abcert machen lassen – und konnte alle drei Schnitte nicht mehr verwenden. Damals habe ich mit einem Nachbar versucht, das Problem durch einen Grundstückstausch in den Griff zu bekommen. Mittlerweile gibt es aber schon sechs Apfelanlangen, die an meine Grundstücke grenzen.
Das heißt, Sie können Ihr Futter immer noch nicht verwenden?
Auf diesen Grundstücken muss ich ständig Untersuchungen machen und davon sind immer rund 90 Prozent positiv. Dieses Futter kann ich nicht verfüttern.
Wer zahlt diese Untersuchungen?
Das ist eben der Witz. Wir zahlen selber, nur bei einigen Proben hat uns Bioland die Hälfte bezahlt. Doch erst letzthin habe ich nur für zwei Proben wieder 450 Euro aus eigener Tasche ausgegeben. Das kann keine Lösung sein, vor allem, wenn ich in Zukunft überall Futterproben machen muss.
„Wer zahlt all diese Kontrollen, wer zahlt die Schäden? Ich bin dazu nicht mehr bereit und werde in Zukunft den rechtlichen Weg einschlagen. Und ich bin mir sicher, dass dies hier in Mals einige andere Bauern auch tun werden, wenn wir das Pestizidverbot nicht durchbringen.“
Und Lösung ist keine in Sicht?
Ich bin seit 2010 regelmäßig beim Bauernbund in Bozen, um an einem gemeinsamen Tisch nach Lösungen zu suchen. Wie kann ein Nebeneinander funktionieren, wer zahlt den Schaden – bis heute gibt es keine Antworten auf diese Fragen. Hier weiß keiner eine Lösung. Ich selbst habe teilweise Notlösungen mit einzelnen angrenzenden Apfelbauern gefunden: Der eine zahlt mir direkt den Schaden und ein anderer bemüht sich nun, mit der Handspritze zu arbeiten. Doch solch private Vereinbarungen sind kurzfristige Auswege, aber keine Zukunftslösungen.
Warum nicht?
Man kann viel probieren, doch trotz aller Bemühungen weiß man heute, dass selbst mit Hecken oder dem Einsatz von Handspritzgeräten niemand garantieren kann, dass es nicht trotzdem Rückstände in den Bioprodukten gibt. Das kann tagtäglich EU-weit in der Biobranche verfolgt werden. Wir haben gerade einen Demeterbetrieb in Deutschland mit einem Schaden von 100.000 Euro, weil bis zu 50 Meter in seinem Grundstück Rückstände von Herbiziden gefunden wurden. Bei Aldi und Lidl gibt es große Probleme mit Rückständen in Bioprodukten. Bei uns hält sich der Schaden bislang noch in Grenzen, weil die Rückstände in der Viehwirtschaft zumindest noch einmal durch den Magen der Kuh gehen. Doch was, wenn ich übermorgen Biokräuter oder Biogemüse anbauen will? Das kommt direkt in die Nahrungskette hinein.
Heißt die Lehre also, intensive Landwirtschaft und Bio-Landwirtschaft können nicht nebeneinander existieren?
In einem intensiven Anbaugebiet wie in Schlanders ist sicherlich kein Anbau von Biokräutern oder Biogemüse möglich. Auch wenn immer davon gesprochen wird, dass jeder das Recht hat so anzubauen, wie er möchte. Aber auch in Mals funktioniert ein Nebeneinander zumindest nicht mehr ohne ständige Kontrollen. Und die Frage ist: Wer zahlt all diese Kontrollen, wer zahlt die Schäden? Ich bin dazu nicht mehr bereit, und werde in Zukunft den rechtlichen Weg einschlagen. Und ich bin mir sicher, dass dies hier in Mals einige andere Bauern auch tun werden, wenn wir das Pestizidverbot nicht durchbringen.
„Wenn bei uns nur die Bauern entscheiden dürfen, würde ich mich fast zu wetten trauen, dass wir eine Mehrheit für ein Pestizidverbot zusammen bekommen würden.“
Wie viele Biobauern gibt es heute in Mals?
Immer mehr. 2013 hatten wir noch ca. 200 Hektar biologisch bewirtschaftete Fläche, im Jahr darauf waren es schon ca. 250 Hektar. Offenbar bin nicht nur ich der Überzeugung, dass es im Alpengebiet in Zukunft nur mehr über die biologische Landwirtschaft möglich sein wird, einen Mehrwert zu erzielen. Denn der Konsument kauft entweder billig oder teuer ein, und bei billig können wir bei unseren Produktionskosten ganz sicher nicht mithalten.
Sie koordinieren als Obmann-Stellvertreter von Bioland gemeinsam mit Bergmilch ein Projekt zu Anlieferung von Biomilch an den italienischen Großteiler Alce Nero. Wie weit ist das Projekt gediehen?
Wir sollten im Laufe des Jahres mit der Anlieferung beginnen. Wir haben weitere acht Bauern im Obervinschgau gefunden, die auf eine biologische Bewirtschaftung umstellen; jetzt sind wir bereits mehr als 20 Lieferanten. Ich denke, für das Obervinschgau war Alce Nero der größte Fisch, den wir angeln konnten. Auch weil der Präsident dieses größten Bioverteilers von ganz Italien bereits vier Mal hier war und ganz begeistert ist. In dieser Zusammenarbeit liegt also noch viel Potential begraben und vielleicht in einigen Jahren auch in anderen Sektoren wie Biokäse oder -obst.
„Ich bin seit 2010 regelmäßig beim Bauernbund in Bozen, um an einem gemeinsamen Tisch nach Lösungen zu suchen. Wie kann ein Nebeneinander funktionieren, wer zahlt den Schaden – bis heute gibt es keine Antworten auf diese Fragen.“
Doch zuerst muss einmal der Scherbenhaufen in Mals aufgeräumt werden. Wird das gelingen?
Für mich gibt es keine andere Perspektive als eine pestizidfreie Gemeinde Mals, in der wir Viehbauern wieder bedenkenlos unser Futter einbringen, die Imker weiterhin ihre Bienen fliegen lassen können und die Bevölkerung spielen oder Rad fahren kann, ohne Bedenken zu haben, was an dem Tag gespritzt worden ist. Doch wir hätten die Volksabstimmung und die damit zusammen hängenden Streitereien nicht gebraucht, wenn Landeshauptmann Durnwalder, der Bauernbund, andere Politiker und landwirtschaftliche Funktionäre vor vier Jahren unseren Vorschlag angenommen hätten.
Welchen?
2011 haben Bioland und ich in Zusammenhang mit dem Versuchsfeld der Laimburg in Mals vorgeschlagen, den Pestizideinsatz vorläufig auszusetzen, bis die Ergebnisse vorliegen. Damals war ich noch davon überzeugt, dass jeder wirtschaften kann, wie er möchte. Uns war nur wichtig einen einstweiligen Stopp zu verfügen, solange wir nicht wissen, welche Auswirkungen es durch den Pestizideinsatz gibt.
Doch die Ergebnisse liegen bis heute nicht vor...
Zumindest offiziell nicht. Doch in der Zwischenzeit wurden Anlagen aufgestellt, die zum Teil nur 1000 Quadratmeter groß sind, wo also von Beginn an klar ist, dass eine Abdrift unmöglich fernzuhalten ist. Das heißt also, entweder wir schädigen die biologische und konventionelle Viehwirtschaft und hindern sie am Wachsen oder einigen uns darauf, dass in Mals nur eine pestizidfreie Anbauweise möglich ist.
Danke an Günther Wallnöfer!
Danke an Günther Wallnöfer!
Er setzt sich nicht nur für Bäuerinnen und Bauern ein, sondern für die gesamte Bevölkerung! Danke, dass es solch schöne Menschen gibt
Schade das es soweit kommen
Schade das es soweit kommen muss, aber am Ende werden nur Klagen und saftige Schadensersatzforderungen was bringen. Wenn die einen auf ihr Recht beharren Gift zu spritzen, sollen die anderen auf das Recht beharren keinen Gift vom Nachbarn auf den eigenen Grund zu finden.
Wie viele Biobauern gibt es
Wie viele Biobauern gibt es denn nun in MALS?
Klar muss ein Biobauer Werbung für seine Überzeugung machen, doch hier einfach zu behaupten der Mensch kauft nur billige oder teure Lebensmittel ein, ist einfach nur schwach und falsch. Ich für meinen Teil bin entschiedener Gegner des Biowahns, da es sich meist um überteuerte Produkte handelt und man der Aufschrift Bio oft nicht vertrauen kann (und das liegt nicht wie von Herr Wallnöfer behauptet an den benachbarten konventionellen Anbaugebieten, sondern am Betrug!). Trotzdem kaufe ich nicht die billigsten Lebensmittel, sondern versuche zum Beispiel so weit möglich regionale Produkte zu kaufen - das bedeutet Gott sei dank nicht Bio - oder versuche einem Mittelweg zu finden! Auch das Gemüse aus meinem Garten ist nicht Bio, auch das Gemüse aus dem Garten meiner Oma ist nicht Bio...trotzdem ist es gesund und wohlschmeckend und die Anbauweise schadet niemanden!! Also hören Sie auf alle NICHTBIOVERRÜCKTEN als Verbrecher darzustellen!
Und als Tipp: Wenn Sie Herr Wallnöfer Qualitätsware zu einem vernünftigen Preis wollen, sollten Sie diese vielleicht nicht bei ALDI und LIDL suchen, genau wegen dieser Diskonter sind wir nämlich in dieser Misere, dass kein Durchschnittsmensch mehr weiß wie viel was von welcher Qualität kosten darf!
Aber BRAVO Salto.bz! Macht weiter mit eurer ach so sachlichen Reportage, hetzt weiter in eine Richtung! Eure steigenden Leserzahlen danken es euch...
In reply to Wie viele Biobauern gibt es by NichtBio UndAu…
"die Anbauweise schadet
"die Anbauweise schadet niemanden"
Genau hier liegt das Problem, es schadet durch der Abdrift doch jemanden. Ich selbst konsumiere auch nicht nur Bio und in mein Garten produziere ich auch nicht biologisch, nur gehe ich damit keinen auf den Keks oder nicht schlimmer ich schade keinem. Jeder, egal ob Biobauer oder nicht, hat er aber das gute Recht, dass andere ihr Zeug nicht auf seinen Grund und Boden verlieren. Das hat nichts mit Verrückten zu tun, sondern einfach mit Respekt des Eigentums anderer.
Es gibt keinen Anspruch auf
Es gibt keinen Anspruch auf den Betrieb von Landwirtschaft nach bestimmten selbstgewählten Standards, z.B. "Bio".
Das muss mal vorangestellt werden, damit man versteht dass hier nicht etwa irgendein Unrecht geschieht, sehr wohl aber so getan wird.
Und dass man ein Pestizidverbot rein rechtlich nicht auf Gemeindeebene etablieren kann war doch wohl allgemein bekannt. Es geht hier um ein Missverständnis was lokale Demokratie soll oder kann.
Für den Rest schliesse ich mich Herrn oder Frau Auchgesund an, nicht ohne das hier mal gefallene Zitat von Scholarus Kofler sinngemäss hinauszuposaunen:
"Die ganze Natur ist Chemie."
In reply to Es gibt keinen Anspruch auf by Alfonse Zanardi
Also es geschieht kein
Also es geschieht kein Unrecht wenn ein Bauer nach Bio-Richtlinien anbaut und ihm das sein Nachbar nicht möglich macht?
Also diese Argumentation möchte ich verstehen!
"Die ganze Natur ist Chemie" Ja es laufen Milliarden von chemischen Prozessen in der Natur ab, aber das hat gar nichts mit der Chemie zu tun die im konventionell/integrierten Anbau verwendet wird.
Die Natur produziert keine Chemie wie Glyphosat, Captan etc. !!!!
In reply to Es gibt keinen Anspruch auf by Alfonse Zanardi
Ich versuche es mit einem
Ich versuche es mit einem bewusst überzogenen Beispiel:
Wenn z.B. ein Unternehmer den Standard aufsetzt dass in seinem Unternehmen alle weisse Turnschuhe zu tragen haben und es betritt ein Postbote das Gelände der schwarze Turnschuhe trägt, dann bricht das zwar seinen "Standard" ist aber kein "Schaden" der einklagbar wäre.
Hier konkret:
Die Futtermittel über die der "schöne" Bauer so klagt sind natürlich nach dem Gesetz voll für die Verfütterung zugelassen, nicht jedoch nach seinem "Bio"-Standard. Dieser hat aber nicht Gesetzesrang sondern ist ein von Privaten festgelegter, rein freiwilliger Standard. Es wird hier also ein privater Standard gebrochen, nicht aber das Gesetz, deswegen auch kein einklagbarer Schaden.
In reply to Ich versuche es mit einem by Alfonse Zanardi
Das Futtermittel des Bauers
Das Futtermittel des Bauers ist eben nicht vom Gesetz zugelassen, nationale sowie internationale (Eu) Richtlinien verbieten ihm die Verwendung des kontaminierten Futtermittels.
Ja er hat selbst entschieden nach welchen Richtlinien er produziert, was ihm gesetzlich aber zusteht.
Also du plädierst gegen die Entscheidungsfreiheit der Bauern, die ihnen das Gesetz zuschreibt.
In reply to Das Futtermittel des Bauers by DervomBerge Tratzer
Ich hab es so verstanden dass
Ich hab es so verstanden dass er das Futter unter BIO-Kriterien nicht verwenden darf.
Wenn es anders ist, ist die Frage ob er einen Anspruch darauf hat, dass seine Grünfläche nicht von der legalen Verwendung von Herbiziden kontaminiert wird.
In reply to Ich hab es so verstanden dass by Alfonse Zanardi
Die Verwendung von Pestiziden
Die Verwendung von Pestiziden ist legal, solange die auf dem eigenen Grund bleiben. Dem Nachbar darf man nich hineinspritzen. Da stimmen auch alle Bauern zu.
Alfons du hast recht, durch betreten einer Firma mit weißen Turnschuhen entsteht kein quantifizierbarer Schaden, aber bei der "Herabstufung" einer landwirtschaftlichen Produktion jedoch schon. Daher sollte der Verursacher dem Geschädigten eine Ausgleichszahlung erstatten.