Society | Modellprojekt

Ohne Ruh muht nicht die Kuh

In einem Modellprojekt an der Universität Brixen untersucht Prof. Dr. Dr. Monika Fikus, wie Bewegung draußen und Kontakt zur Natur in den Alltag integriert werden kann.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Soziale Landwirtschaft
Foto: CC0

Wer schon einmal den Baum vor seinem Haus grüner hat werden sehen, weil der Müll getrennt heruntergebracht wurde, der schreie hier! Müll zu trennen und die Heizung nicht voll aufzudrehen gehören zu den einfachsten Handlungen, um die Umwelt zu schonen. Um den Effekt persönlicher Handlung auf die Natur zu beobachten, ist die Wirkungskette allerdings zu lang. Auch Kinder und Jugendliche wissen über diese abstrakten Zusammenhänge in der Regel zwar gut Bescheid. Jenseits des Naturschutzes resultiert die rein kognitive Aufklärung über Umwelt und Natur für junge Menschen häufig in der Angst davor, draußen in der Natur etwas kaputt zu machen. Oder in physischen und psychischen Beschwerden aufgrund von mangelndem Kontakt zu Natur, genannt Naturdefizitsyndrom.

 

Zugang zur Natur ist vor allem in Städten schwierig, maximale Bewegungsfreiheit ein rares Privileg. In Südtirol lebt die Mehrheit zwar nicht in großen Städten, doch Spielplätze oder begrünte Parks können die Natur nicht ersetzen. Prof. Dr. Dr. Monika Fikus erforscht an der Universität Brixen, wie die Natur mit dem Alltag verknüpft werden kann und Menschen aus sich heraus in Bewegung kommen. In einem Modellprojekt sollen Schulklassen Tage auf dem Bauernhof verbringen, anstatt in den Freizeitpark zu fahren um Kinder und Jugendliche frühzeitig mit der Natur vertraut zu machen. Im Rahmen der sozialen Landwirtschaft sind solche Projekttage regelmäßig möglich. Die Ende Januar beschlossene Gesetzesinitiative zur sozialen Landwirtschaft schafft abgesicherte Rahmenbedingungen, damit landwirtschaftliche Betriebe Betreuungs- und Bildungsangebote sowie Arbeitsmöglichkeiten für Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe anbieten können.

 

Auf Höfen können die Schulklassen die Natur anfassen, hören, sehen, riechen, schmecken und direkt vor Ort etwa über Bienen lernen und an der Kartoffelpflanze ziehen, die daheim aufgetischt wird. Oder beobachten, dass sich die gefleckte Kuh beim gemächlichen Wiederkäuen durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Es sind die klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und die Langsamkeit von Prozessen, die den Kontakt mit der Natur unschätzbar wertvoll machen insbesondere für junge und ältere Menschen. Entspannung und Abenteuer draußen schaffen Vertrautheit mit und Verständnis für die Natur. Außerdem hat Bewegung draußen positive Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Anders als die meisten (pädagogischen) Räume, in denen sich Menschen aufhalten, bietet die Natur Freiraum zum eigenständigen Erkunden, denn die Natur ist nicht vorbereitet, betont Fikus. Sie hat im Laufe ihrer Forschung herausgefunden, dass sich die Kommunikation und die Dauer von Spielen von Kindern und Jugendlichen ändert, wenn sie in der Natur und ohne Anleitung oder Betreuung spielen.

 

Die positiven Auswirkungen von Bewegung draußen können im Rahmen der sozialen Landwirtschaft auch für ältere Menschen leichter zugänglich gemacht werden. Ältere Menschen können etwa in der Tierversorgung, auf dem Feld, in kleinere Arbeiten auf dem Hof eingebunden werden. Das Gefühl, gebraucht zu werden und in Einklang mit der Langsamkeit von Naturprozessen zu arbeiten kann älteren Menschen gut tun. Treffen Schulklassen am Hof auf ältere Menschen, kann zudem die intergenerationale Segregation etwas aufgelöst werden.

 

Derzeit befasst sich die Arbeitsgruppe um Fikus mit der Implementierung ihres Modellprojekts. Schulen und Höfe müssen zusammengebracht werden, sodass der „besondere Erfahrungsraum, um etwas hervorzubringen, wie Fikus die Natur umschreibt, für möglichst viele junge Menschen nicht nur schützens-, sondern zugleich schätzenswert wird.