Society | Unterstützung

Jung und wohnungslos

Die Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt will ein Chancenhaus eröffnen. Es ist die Antwort auf ein stärker werdendes Phänomen – das der jungen Erwachsenen ohne Wohnraum.
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Foto: Andrew Neel on Unsplash
Sie schlafen auf den Sofas von Verwandten und Freund*innen oder unter der Brücke. Oft werden Alkohol oder Drogen ihre täglichen Begleiter. Wohnungslose Jugendliche und junge Erwachsene kommen teilweise aus prekären Situationen, mitunter ist ihr ehemaliges Zuhause noch als Wohnsitz eingetragen.
Wir brauchen jetzt eine Lösung. Es geht um Menschen, die auf der Straße leben.
„Sie können nicht als Obdachlose klassifiziert werden, da sich ihre Wohnungslosigkeit noch nicht verfestigt hat“, erklärt Reinhard Bauer, Gemeinderat und Fraktionssprecher der SVP Meran. „Im Jahr 2021 befanden sich über 40 junge Erwachsene im Burggrafenamt in einer solchen Situation.“ Laut dem Meraner Jugenddienst-Leiter Oliver Schrott hat sich dieses Phänomen in den letzten Jahren verstärkt.
Um diese Menschen zu unterstützen, soll nun ein übergemeindliches Chancenhaus im Burggrafenamt eröffnet werden. „Im Dialog mit den Stakeholdern in unserer Arbeitsgruppe kam heraus, dass das Burggrafenamt etwa mit dem Obdachlosenhaus, dem Haus Archè der Caritas und dem Tageszentrum Plus bereits sehr viel für obdachlose Menschen tut. Allerdings gibt es für junge wohnungslose Erwachsene noch keine passende Struktur“, erklärt Bauer.
Schließlich helfe es wenig, wenn junge Menschen in Strukturen auf Langzeitobdachlose und alltäglichen Alkoholkonsum treffen. „Das würde eine schlechte Synergie ergeben“, so der SVP-Fraktionssprecher von Meran. Mit dem Chancenhaus soll ein progressives Konzept umgesetzt werden, das die Wohnungslosigkeit nicht weiter verfestigt, sondern Menschen in ein geregeltes Leben mit Arbeitsplatz begleitet. Das von den Grünen bereits seit Langem angedachte Haus der Solidarität wie in Brixen würde im Burggrafenamt nicht die richtige Antwort auf die derzeitige Situation sein.
 

Wohnen und Arbeit

 
„Das Konzept des Chancenhauses basiert auf zwei Säulen: Die erste Säule ist die Bereitstellung eines Wohnraums als sicheren Rückzugsort. Hier ähnelt das Konzept Housing First. Die zweite Säule betrifft die Reintegration in die Arbeitswelt. Mit jedem Bewohner und jeder Bewohnerin soll ein individuelles Projekt mit einer Zielsetzung und einem Zeitplan erarbeitet werden“, so Bauer.
Dabei soll nicht vorausgesetzt werden, dass die Bewohner*innen von einem Tag auf den anderen acht Stunden pro Tag arbeiten gehen. „Wir können nicht gleich die Forderung stellen, dass du nur etwas wert bist, wenn du Vollzeit arbeiten kannst und deine Leistung erbringst. Da brechen auch gesunde Menschen oft zusammen.“
 
 
Für die Arbeitssuche soll mit verschiedenen Stakeholdern, wie den Verbänden der Berufsgruppen, sowie mit einzelnen Betrieben zusammengearbeitet werden. „Hier haben wir bereits interessante Gespräche geführt, wie das umgesetzt werden kann. Etwa kann eine Person auch nur zwei oder drei Stunden am Tag arbeiten. Es geht darum, dass sie wieder lernen, Verantwortungsbewusstsein zu übernehmen.“
Außerdem hätten rund die Hälfte der wohnungslosen, jungen Erwachsenen einen Migrationshintergrund und fehlende Sprachkenntnisse. Auch Bildungsabschlüsse sind nicht immer vorhanden. „Einige pensionierte Lehrkräfte haben sich schon bereiterklärt, im Chancenhaus Sprachunterricht zu geben. Der Bildungsabschluss kann hingegen berufsbegleitend nachgeholt werden“, so Bauer.
 

Nächste Schritte

 
Der Entwurf des Konzeptes für das Chancenhaus soll voraussichtlich über eine Ausschreibung von einer Trägerorganisation übernommen und angepasst werden. Es wurde von Bauer und Sozialstadtrat Stefan Frötscher vor Kurzem Soziallandesrätin Waltraud Deeg und Vermögenslandeslandesrat Massimo Bessone vorgestellt. Gegenstand des Treffens war die Suche und Gestaltung einer geeigneten Einrichtung im Meraner Raum.
Im Gespräch war unter anderem das ehemalige Hotel St. Valentin und das ehemalige Schülerheim Maria Ward am Meraner Sandplatz. Eine zeitnahe Lösung würde sich bei letztgenannter Immobilie anbieten, die teilweise im Eigentum des Landes ist. Ein Teil des Gebäudes ist derzeit als Kältenotstandsunterkunft für Obdachlose im Gespräch. Nach Beendigung des Kältenotstandes könnte der bereits eingerichtete Teil des Gebäudes für das Projekt nutzbar gestaltet werden.
 

Sozialarbeit notwendig

 
Das Vorhaben sei grundsätzlich begrüßenswert, so Soziallandesrätin Deeg: „Südtirol braucht mehr innovative Wohnmodelle, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen nicht nur ein menschenwürdiges Wohnen ermöglichen, sondern auch eine professionelle Sozialarbeit beinhalten. Denn Wohnen beziehungsweise die Schaffung von Wohnraum alleine reicht nicht aus, es braucht eine gute Begleitung zurück ins Leben, zurück in die Gesellschaft.“
„Eine langfristige Lösung für Obdachlose ist notwendig, damit diese Menschen eine Zukunftsperspektive haben. Die Einrichtung Maria Ward kann derzeit aus brandschutztechnischen Gründen nur höchstens 25 Personen beherbergen. Wir werden nun technisch überprüfen, wie der derzeit eingerichtete Teil der Einrichtung aufgrund der Konzeptidee umgestaltet werden kann“, so Landesrat Massimo Bessone. Bauer betont indessen die Dringlichkeit: „Wir brauchen jetzt eine Lösung. Es geht um Menschen, die auf der Straße leben.“