Politics | Ensembleschutz

Erpresserisches Land

Kaltern sagt ja zur Streichung des letzten Ensembleschutzes an der Mendel. Das löst Wut aus bei der Kalterer Dorfliste und Resignation. Landesrat Mussner ist erleichtert.

Werner Palla, Südtiroler Volksanwalt im Ruhestand und in Kaltern wohnhaft, kann über „das Land“ nur den Kopf schütteln. „Ich bin einfaches Mitglied im Kalterer Gemeinderat. Zu sagen, wir sperren euch die Straße zu wenn die Gemeinde nicht entscheidet, das kann doch nicht sein.“

Seit einigen Jahren wird die enge Mendelpass-Straße mit ihren 17 Kehren aufwendig verbreitert, um mehr Verkehr zu ertragen. Die Diskussion um die Aufhebung bzw. Streichung des letzten Ensembles an der Kurvenstraße begann vor vier Jahren. Seit Mitte März 2013 ist es beschlossene Sache: mit 11 zu 5 Stimmen, haben sich die Kalterer bei der Gemeinderatssitzung breit treten lassen. Und „den letzten ursprünglichsten und schönsten Teil der Straße“ dem Land überlassen. „Wir sind sozusagen erpresst worden. Der Mussner hat geschrieben: der Beschluss im Gemeinderat ist zu fassen, sonst machen sie nicht weiter“, so Palla.

Sicher aber nicht nachhaltig

Der Landesrat selbst ist froh über den Schritt der Kalterer: „Für die Sicherheit ist das Projekt im Tumortal unabdingbar. Jetzt können wir endlich an der Durchführung weiter planen.“ Dass der Abschnitt „Roccett“ an der Mendelstraße sanierungsbedürftig ist, darüber sind sich alle Beteiligten einig. Umweltschützer, Heimatpfleger und Oppositionsparteien halten aber dagegen, dass der einzige noch erhaltene historische Straßenabschnitt „landschaftlich zerstört wird.“ „Für uns ist die geplante Betongalerie ein negativer Eingriff in die Landschaft. Wir kritisieren die Aktion des Landes sehr stark“, bedauert Irene Hell von der Kalterer Dorfliste.

Resignation und Wut

15 Millionen Euro sind für die Sanierung im felsigen Tumortal vorgesehen, „die Bagger werden wohl bald kommen“, bedauert Irene Hell von der Kalterer Dorfliste resigniert. „Wir hatten gehofft, dass ein sensibleres Projekt gewählt wird. Aber jetzt wo der Gemeinderat abgestimmt hat, wird man nicht mehr viel tun können.“ Die Bagger erklimmen die Mendel vorerst nicht, „dieses Jahr wird mit den Arbeiten sicher noch nicht begonnen“, sagt Mussner. „Ob das dieses Jahr oder nächstes ist, darum geht es nicht“, beschwert sich Hell. „Es geht um die Sache, und die Vorgangsweise. Und die ist ein Frevel.“

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Sybille Tezzele Sun, 04/14/2013 - 10:48

Genau das ist es, wie es im letzten Satz anklingt: Die Vorgangsweise ist das Schlimmste. Wäre diese eine andere, könnte man so manche Entscheidung, auch wenn man mit ihr nicht einverstanden ist, doch besser verdauen. Aber man könnte die Entscheidung schlussendlich annehmen, weil der Weg, der dahin geführt hat, transparent und nachvollziehbar wäre, weil man mit der eigenen Position - auch wenn sie sich im Nachhinein als Position einer Minderheit herausstellte - eine wirkliche Chance im Diskussions- und Entscheidungsprozess (wo es dann um "wirkliche" Argumente ginge) gehabt hätte.
Das ist es vor allem, woran die Demokratie in unserem Land zu leiden hat. Und dieses Gefühl der Chancenlosigkeit, das macht müde, wütend und pessimistisch. Meine volle Solidarität.
Und: lasst uns weitermachen auf dem Weg, die Dinge zu ändern, dieses hier ist ein Beispiel für Mechanismen, wie sie nicht mehr vorkommen dürfen/sollen.

Sun, 04/14/2013 - 10:48 Permalink