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Sind Sie für das TTIP, Herr Dorfmann?

TTIP: Vier Buchstaben, die zu einem der Top-Themen im EU-Wahlkampf geworden sind. Was sagt SVP-Parlamentarier und Spitzenkandidat Herbert Dorfmann zum geplanten Freihandels- und Investitionsschutzabkommen mit den USA?

Herr Dorfmann, das geplante Freihandelsabkommen mit den USA sorgt im EU-Wahlkampf für Polarisierung.  Auf welcher Seite stehen Sie, auf jener der Befürworter oder den Gegner?
Herbert Dorfmann: Auf diese Frage kann ich derzeit keine Antwort geben, denn die Inhalte des Abkommens sind schließlich noch nicht ausgehandelt. In bin auf jeden Fall kein so glühender Verfechter des TTIP, wie es teilweise dargestellt wurde. Ich glaube zwar, dass Europa und die USA durchaus gewinnen könnten, wenn durch die Abschaffung von Zöllen ein Präferenzraum gegenüber der weltweiten Konkurrenz geschaffen würde, wenn der Zutritt zum Arbeitsmarkt erleichtert oder in einigen Bereichen gemeinsame Standards geschafft werden. Doch auch für mich gibt es einige No-Goes, von denen ich meine Zustimmung letztendlich abhängig machen werde.

Was wäre das zum Beispiel?
Wenn darin beispielsweise weitgehende Bestimmung im Bereich Klonen enthalten wäre. Es gibt auch einige andere, weniger diskutierte knifflige Punkte wie die völlig andere Konzeption, die Amerikaner bei geografischen Ursprungsbezeichnungen haben – indem sie zulassen, dass dort etwa Chianti einfach als Weinmarke registriert werden kann. Generell hat das Europäische Parlament aber bereits vor einem Jahr in einer Resolution klare Rahmenbedingungen für das TTIP vorgegeben. Darin wurde insbesondere für die heiklen Fragen im Lebensmittelbereich wie das Hormonfleisch festgehalten, dass wir keine Aufweichung der europäischen Standards akzeptieren werden. Auch der Bereich Kultur wurde in Folge der Resolution von den Verhandlungen ausgeschlossen – damit die Amerikaner nicht morgen sagen können, wir müssen die Kulturförderungen zurückfahren, damit sie ihre Hollywood-Filme verkaufen können.

Das heißt, das Parlament ist beim TTIP gar nicht so zahnlos wie immer behauptet wird?
Keineswegs. Wir müssen den Vertrag schließlich ratifizieren, und wenn das nicht passiert, kann er nicht in Kraft treten. Da das Abkommen mit den USA vor allem bei der Linken im Parlament sehr ideologisch gesehen wird, werden die Verhandler gut daran tun, Bedenken und Vorgaben aus dem Parlament zu akzeptieren.

Wer kritische Infos zum geplante Freihandelsabkommen sucht: einen guten Überblick gibt das Portal Know TTIP 

Einer der großen Kritikpunkte ist, dass die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Ist es nicht zu spät, als Parlament dann am Ende mit einem fertigen Dokument konfrontiert zu werden?
Das stimmt so auch nicht. Denn das Verhandlungsteam informiert uns über die verschiedenen Kommissionen regelmäßig über die Verhandlungsfortschritte. Ich sitze zum Beispiel im Landwirtschafts- und Wirtschaftsausschuss und dort gab es bereits bisher rund zehn Sitzungen mit den Verhandlern.

Das Parlament hat bereits vor Ostern eine Entscheidung zu einer der am heftigsten kritisierten Punkte des Abkommens getroffen: dem Investitionsschutz für Großkonzerne. Sie stimmen dafür – warum?

Bei dieser Abstimmung ging es nicht um das Abkommen mit den USA, sondern generell um den Schutz von Investitionen. Und zwar nicht nur von Großkonzerne, sondern auch von europäischen KMU, die im Zuge der Globalisierung weltweit investieren. Der Investitionsschutz wird zwar heftig kritisiert. Doch wir müssen auch verhindern, dass unsere Unternehmen viel Geld investieren, wie beispielsweise eine ENI in Lybien, und dann die Rahmenbedingungen von einen Tag auf den anderen komplett verändert werden.

Dennoch hat die Abstimmung zumindest laut Medienberichten auch Auswirkungen auf den geplanten Investitionsschutz im Rahmen des TTIP.  Dort warnen Kritiker vor der Einrichtung von Schiedsgerichten , vor denen Investoren europäische Staaten dann fernab der nationalen Gerichtsbarkeit auf Schadenersatz klagen können – etwas wenn diese schärfere Umwelt- und Sozialgesetze zum Schutz ihrer Bürger einführen.
Ich betone noch einmal: Wir haben im Parlament darüber abgestimmt, wie die EU den Investitionsschutz generell handhaben will, wobei es nur um die Überarbeitung einer bestehenden Verordnung ging. Ich finde es schon ein wenig mutwillig, von dieser Abstimmung nun einen Kurzschluss auf das Abkommen mit den USA zu ziehen.

Brennpunkt Investitionsschutz: Bereits heute schon verklagen Konzerne immer häufiger auch reiche Staaten, wenn ihnen deren Politik nicht passt, zeigt die Süddeutsche Zeitung anhand konkreter Beispiele.

Braucht es Ihrer Meinung nach einen Investitionsschutz in einem Abkommen zwischen den USA und der EU?
Nein, den braucht es nicht. Hier geht es schließlich um zwei  funktionierende Demokratien. Ein Problem bei diesem Abkommen ist, dass damit auch viel Panikmache betrieben wird. Zum Beispiel bei der Geschichte mit den gentechnisch veränderten Produkten. Wir haben eine EU-Verordnung, die festlegt, welche Pflanzen in Europa angebaut werden dürfen, das ist bisher nur eine einzige Sorte, und welche importiert werden dürfen. Und dieses europäische Recht kann gar nicht durch ein bilaterales Handelsabkommen außer Kraft gesetzt werden.

Dafür bekommen wir dann eben die in Chlor gebadeten Hühner der Amerikaner serviert?
Auch hier muss man die volle Wahrheit sagen: Denn es stimmt, dass die Amerikaner Hühner nach dem Schlachten in Chlor baden, um das Salmonellen-Problem in den Griff zu bekommen. In Europa besteht dagegen die Vorschrift, Salmonellen bereits im Stall vorzubeugen. Und wie macht man das? Mit einem viel zu großen Antibiotika-Einsatz. Sprich: Wir wollen zwar keine amerikanischen Chlor-Hühnchen, aber die Amerikaner wollen auch unser Antibiotika-Huhn nicht.