Erste Frau als Geheimdienst-Chefin
Für Frühaufsteher, die zeitig am Morgen am Tiberufer in der Nähe des Foro Italico joggen oder spazieren, war Elisabetta Belloni in ihrem dunkelroten Trainingsanzug stets eine gewohnte Erscheinung. Seit Jahren legt sie den einstündigen Weg von ihrer Wohnung ins Aussenministerium zu Fuss zurück – eine durchaus unrömische Gewohnheit. Sie habe etliche Wochen benötigt, um sich an ihrem Arbeitsplatz zurechtzufinden, gesteht Belloni lächelnd.
Das ist durchaus begreiflich. Denn der Palazzo della Farnesina ist mit seinen 9 Stockwerken, 1300 Räumen und 120.000 Qadratmetern ein Labyrinth, in dem verirrte Besucher zum Alltag gehören. Der nach Papst Paul III aus der Adelsfamilie der Farnese benannte Protzbau sollte ursprünglich als Palazzo del Littorio Sitz des Partito Nazionale fascista werden, wurde dann aber bereits 1940 zum Aussenministerium bestimmt.
Elisabetta Belloni wurde 1985 zur ersten Berufsdiplomatin Italiens ernannt. Ihre anfänglichen Arbeitsplätze waren Wien und Bratislava. Als Generalsekretärin des römischen Aussenministeriums leitete sie von 2004 bis 2008 erfolgreich den Krisenstab der Farnesina, wo sie gleich zum Auftakt vor eine eine grosse Herausforderung gestellt war: die Rückführung Hunderter Italiener aus den vom Tsunami verwüsteten Ländern Südostasiens. Anschläge auf italienische Soldaten in Krisenländern wie Afghanistan oder Irak oder Entführungen und Geiselnahme italienischer Entwicklungshelfer in Afrika gehörten für sie zum Alltag. Es bleibt Bellonis Verdienst, gute Beziehungen zum bis dahin vernachlässigten schwarzen Kontinent aufgebaut und die diplomatischen Drähte und die Entwicklungszusammenarbeit verstärkt zu haben. Zwischendurch verliess sie das Aussenministerium, als Premier Gentiloni sie zu seiner Kabinettschefin in den Chigi-Palast holte.
Den Einbruch in die Männerdomänen übte Belloni schon früh: Sie war eines der wenigen Mädchen, die das römische Jesuitenkolleg Liceo Massimo besuchten, in dem auch Mario Draghi sein Abitur absolvierte.
Ex-Premier Giuseppe Conte und die Fünf-Sterne-Bewegung reagierten sichtlich verärgert auf die Absetzung des Generals der Finanzwache Gennaro Vecchione als Chef des DIS (Dipartimento delle informazioni per la sicurezza), wo etliche Militärs über die erstmalige Ernennung einer Frau zur Geheimdienst-Chefin die Nase rümpfen. Am heutigen Freitag scheidet Elisabetta Belloni nach fünf Jahren aus ihrem Amt der Generalsekretärin des Aussenministerium und beendet ihre 36-jährige Laufbahn. Man kann sicher sein, dass sie auch am neuen Arbeitsplatz ihren Grundsätzen als loyale Staatsdienerin treu bleiben wird: "Farlo con lealtà, con indipendenza, al di là di ogni logica di appartenenza, avendo come stella polare la difesa dei valori istituzionali, in primo luogo la Costituzione."