William Shakespeare, Warwickshire
Foto: Mike Bird/Pexels
Politics | Fritto Misto

Tommy – ein Sommernachtstraum

Die ganze Welt ist eine Bühne, meinte Shakespeare. Dabei kannte er die SVP gar nicht.
Es nahen die Sommerferien und mit ihnen, unerbittlich, das Sommerloch. Berichte über verstauchte Touristenknöchel und verirrte Kühe – es ist der Stoff, aus dem das Gähnen ist. Doch einer scheint es sich heuer zur Aufgabe gemacht zu haben, es nicht soweit kommen zu lassen, dass uns gar zu langweilig wird: Tommy W. alias der „geniale Provokateur“ (Neue Südtiroler Tageszeitung) alias, etwas plumper, die „heiße Tommy-Kartoffel“ (stol.it) fährt alle Geschütze auf und zündet ein mediales Feuerwerk nach dem anderen, sodass man mit dem Popcorn-Holen gar nicht mehr nachkommt. Wobei, Popcorn geht eigentlich gar nicht, denn geboten wird hier kein Schmierentheater, kein banaler Kinospaß, nein: Tommy W. bringt ganz große Kunst auf die Bühne, ja, ich halte es nicht für vermessen, hier von einer des Shakespeare würdigen Vorstellung zu sprechen. Allein, ob es eine Tragödie oder eine Komödie ist, das lässt sich an dieser Stelle noch nicht sagen, was das Ganze ja nur noch fesselnder macht.
 
SVP oder nicht SVP, das ist hier die Frage
 
Der Hauptdarsteller jedenfalls brilliert gleich in mehrfacher Hinsicht: mit seiner Präsenz (auf allen Kanälen), seinem Einfallsreichtum (das kleine Edelweiß!), seiner Wandlungsfähigkeit (vom Täter zum Opfer), seiner Kühnheit (beleidigt den LH, aber spricht von einer „absoluten Respektlosigkeit“, weil sein Anliegen nicht stante pede im Parteiausschuss besprochen wurde), seinem Durchhaltevermögen (wer hätte nicht längst die Bühne verlassen?). Zweifellos, wir haben es hier mit einem ganz großen Mimen mit absolutem Diven-Potential zu tun, und wenn es schlussendlich nicht für ein Mandat reicht, dann sollte ihm, auch für seinen Dienst an unserem Bedürfnis nach Zerstreuung, vom Theaterverband der Goldene Trenker oder sowas in der Art verliehen werden.
 
 
Anders sieht es leider mit seinen Mitspielern aus, denen man bislang nur himmelschreienden Dilettantismus vorwerfen kann. Verständlich, angesichts des hochprofessionellen Charakterdarstellers voll Verve und Grandezza wirken ihre hölzernen Einsätze wie jene von verhuschten Provinzbühnlern. Der Landesrat für Kultur hat von letzterer bedauerlich wenig im Blut, wenn er, anstatt der heißen Kartoffel ausführlich mit leidenschaftlichen Metaphern zu kontern, den trockenen Bürokraten gibt („Ich kann in diesem Zusammenhang lediglich auf das Parteistatut verweisen bla bla) und auch jedes Gespür für Tempo missen lässt: Anstatt peu a peu Spannung aufzubauen, die mindestens bis in den dritten Akt gehalten wird, erteilt er dem Helden sofort eine Absage. Kein Wunder, dass letzterer vergrämt ist, wenn er derart in seinem Spiel beschnitten wird. Auch auf den zweiten Nebendarsteller, Arno K., sollte man nicht wetten: Bislang haben ihn entweder Lampenfieber oder mangelnde Spielfreude davon abgehalten, die Bühne, die Tommy W. mit unvergleichlicher Präsenz besetzt, überhaupt erst zu betreten. Sollte er sich wider Erwarten doch dazu durchringen, ist fraglich, ob er mehr Feuer als sein Obmann aufbringen kann, oder dem nach Poesie dürstenden Publikum doch nur unwillig ein paar Brocken Beamtendeutsch hinwerfen wird.
 
Heiße Kartoffeln/patate calde
Heiße Kartoffel: Ist Tommy für die SVP schlichtweg „too hot to handle“ und man wartet darauf, dass er ausdampft?  | Foto: foodiesfeed.com
 
Mehr Hoffnung kann man da schon darauf setzen, dass noch einige Akteure auf den Spielplan treten werden, die direkt des Barden Feder entsprungen sein könnten: Die drei Landtags-Hexer mit landwirtschaftlichem Hintergrund etwa, die den Helden zum Putsch anstacheln („Heil dir, Widmann, dir künft’gem Landeshauptmann!“), oder eine Landesrätin bzw. ein ehemaliger Busunternehmer in der Rolle der durchtriebenen Lady Macbeth, die dem Ehrgeiz unseres Helden ordentlich einheizt („Bist du zu feige, derselbe Mann zu sein in Tat und Mut, der du in Wünschen bist?“). Rai Südtirol könnte im Abendprogramm einen einstündigen Monolog des Mimen vorsehen, in welchem er, ein Edelweiß in der Hand, „SVP oder nicht SVP, das ist hier die Frage“ melodramatisch erörtert.
 
„Eine heiße Kartoffel war’s wie kein zweiter!“
 
Am Ende, wenn alles bereits verloren scheint, könnte das vermeintliche Gift aus „Romeo und Julia“ zum Einsatz kommen: Der Held scheint mausetot, was dann doch des LHs Herz erweichen und ihn zwei, drei Worte der Anerkennung („Eine heiße Kartoffel war’s wie kein zweiter!“) sprechen lässt, worauf der Held wieder zu Leben erwacht und kontert: „Einer List‘ verdank ich’s, dass nun auf eben jene du mich setzen sollst!“ Ende gut, alles gut! Oder wird er doch Landeshauptmann, nur um dann wie Richard III. dem rasenden Wahnsinn zu verfallen?
Die Möglichkeiten sind unendlich, Shakespeare docet, nun hängt es von den Darstellern ab, ob sie ein Meisterwerk der Unterhaltung abliefern oder vorzeitig den Vorhang fallen lassen wollen. Der Sommer hat gerade erst begonnen, wir hoffen auf ersteres.
 
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Dietmar Nußbaumer Wed, 06/14/2023 - 19:43

Die Literatur lebt von Mord, Intrigen und Leidenschaft - die Medien auch. Und, vielleicht auch ungewollt, sind sie Teil der Werbetrommel. Nichts ist schlechter für einen Politiker als nicht in den Medien präsent zu sein (Silvio B. hat es ja prächtig verstanden und vorexerziert).

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Stereo Typ Tue, 06/20/2023 - 11:57

So spannend ist das Ganze nicht. Politischer Machtkampf. LH und Obmann tun gut daran, dem Schauspiel nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken.

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Josef Fulterer Tue, 07/11/2023 - 06:05

Seit der Thommy außer den übertriebenen Vergütungen für sein Sessel-wärmen, an die ÖFFENTLICHEN-GELDER nicht mehr heran kommt, ist er zum Zahn-losen Tiger verkommen.

Tue, 07/11/2023 - 06:05 Permalink