Politics | Energie&Umwelt

"Balance zwischen Schützen und Nützen"

Die Landesregierung verabschiedet Gewässerschutz-Kriterien für Stromerzeugung wie geplant. UPDATE: Energieverband nicht einverstanden mit Entscheidung.

UPDATE

Einige Stunden nach Richard Theiner wendet sich auch der Südtiroler Energieverband (SEV) an die Medien. “Der SEV ist mit dem heute beschlossenen Kriterienkatalog der Südtiroler Landesregierung nicht einverstanden”, eröffnet Geschäftsführer Rudi Rienzner die schriftliche Stellungnahme. Er bemängelt, dass wesentliche Empfehlungen der Expertenrunde Energie bei der Ausarbeitung des Gewässerschutzplans nicht berücksichtig worden seien. Bestimmte Kriterien würden weiterhin zahlreiche Südtiroler Gewässer automatisch als Standorte für neue Kraftwerke ausschließen. “Leider”, kommentiert Rienzner die Entscheidung der Landesregierung. Der SEV könne mit dieser “keinesfalls einverstanden sein”. Selbstverständlich unterstütze der SEV den Schutz der Umwelt und der heimischen Gewäsesr, so Rienzner. Doch man wünscht sich ein flexibleres und weniger bürokratisches Vorgehen zugunsten einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Produktion von hydroelektrischer Energie. Am Ende scheint es die Landesregierung und Landesrat Richard Theiner also niemandem wirklich Recht gemacht zu haben.


Die Appelle kamen von mehreren Seiten. Noch einen Tag bevor die Landesregierung über den Gewässerschutzplan, sprich die Kriterien für jene Fließgewässer, welche noch für die Stromerzeugung genutzt werden können, befand, hatten die drei Grünen Landtagsabgeordneten eine eindringliche Aufforderung an Kompatscher & Co. gerichtet: Macht nicht den Stromerzeugern, sondern der Umwelt ein Geschenk. Konkret forderten sie einen Stopp für die Vergabe neuer Stromkonzessionen und die Erarbeitung eines Gewässerschutzplans, der größere Rechtssicherheit garantieren würde. Neben den Grünen hatten auch der Dachverband für Natur und Umweltschutz, der Heimatpflegeverband sowie der Fischereiverband vor einer “Verwässerung” der Kriterien und der Einflussnahme durch die Strom-Lobby gewarnt.

Denn ursprünglich sah der Gewässerschutzplan der Landesregierung viel strengere Bestimmungen vor. So sollte nur mehr ein Bruchteil, nämlich 34 der insgesamt 420 für die hydroelektrische Nutzung geeigneten Fließgewässer, künftig für die Stromerzeugung genutzt werden dürfen. Die Proteste aus der Energiewirtschaft ließen nicht lange auf sich warten. “Aus wirtschaftlicher Sicht ist dieses Vorhaben eine Fehlplanung”, ließ etwa Karl Pichler von der Eisackwerk GmbH noch Anfang Juni verlauten. Es folgten eine Reihe von Treffen und Energietischen. Schließlich lenkte die Politik ein und überarbeitete den Gewässerschutzplan.

Umwelt- und Energielandesrat Richard Theiner (rechts) mit Landeshauptmann Arno Kompatscher. Foto: LPA/ohn


Kompromiss für Kriterien

An dieser zweiten Version hat man schließlich auch festgehalten. Und das, obwohl so mancher Stromerzeuger sich ob der “vorauseilenden Regulierungswut” nach wie vor wenig erfreut zeigte. Und auch der Appell von Grünen und Umweltschützern sowie Fischereiverband verhallte ungehört. Denn am Dienstag Vormittag verabschiedete die Landesregierung schließlich die Kriterien für den Gewässerschutz wie geplant. So wird es in Zukunft anstatt der zwei Schutzkategorien “vollständig unter Schutz gestellte Gewässer” und “weiterhin nutzbare Gewässer” deren vier geben. Die 420 Gewässer wurden nun folgendermaßen klassifiziert:

213 Gewässer sind als besonders sensible Gewässer eingestuft worden und damit von einer neuen hydroelektrischen Nutzung ausgeschlossen;
74 Gewässer sind als sensibel eingestuft worden, nachdem diese einen sehr gutem ökologischen Zustand aufweisen; neue Ableitungen für die hydroelektrische Nutzung sind nur zulässig, wenn der sehr gute ökologische Zustand erhalten werden kann;
109 Gewässer wurden als potentiell sensibel eingestuft. Eine zusätzliche energetische Nutzung dieser Gewässer ist nur möglich, wenn durch das neue E-Werk eine Verbesserung des gewässerökologischen Zustandes gegeben ist und der gute ökologische Zustand beibehalten werden kann;
24 Gewässer wurden als gering sensibel eingestuft und sind für eine neue hydroelektrische Nutzung vermutlich geeignet. Diese ist im umwelttechnischen Genehmigungsverfahren zu bestätigen.

Genau diese vierstufige Einteilung war von den Gegnern des überarbeiteten Gewässerschutzplans kritisiert worden. Dadurch würde eine viel größere Anzahl an Fließgewässern unter Umständen für die Stromproduktion zugänglich. Andreas Riedl vom Dachverband für Natur und Umweltschutz warnte davor, dass diese “schwammigeren Kriterien” viel mehr bürokratische Schlupflöcher für eventuelle Rekurse böten.


Auf der Suche nach Gleichgewicht

Im Anschluss an die Sitzung der Landesregierung trat Umwelt- und Energielandesrat Richard Theiner vor die Presse. In seinen Augen habe man sich aber keinesfalls für ein entweder-oder zwischen wirtschaftlichen und Umweltschutzinteressen entschieden. Sondern für ein sowohl-als-auch: “Mit den heute verabschiedeten Kriterien für den Gewässerschutz ist es gelungen, eine Balance zwischen Schützen und Nützen zu finden”, erklärte der Landesrat. Er sei sich sehr wohl bewusst, dass die Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle und auch als interessante Investition in den vergangenen Jahren bereits stark ausgebaut worden sei. Was schließlich auch dazu geführt habe, dass die Gewässer stark beansprucht worden seien. Theiner wies auf das Dilemma hin, das es bei der Erstellung der Gewässerschutzkriterien zu bewältigen galt: “Auf der einen Seite steht die Forderung nach erneuerbaren Energiequellen im Sinne des Klimaschutzes, auf der anderen Seite stehen die Notwendigkeiten des Gewässerschutzes.” Doch unterm Strich zeigte er sich zufrieden: “Wir haben uns für einen ausgewogenen Schutz der Gewässer mit Qualitätszielen ausgesprochen. Potential für die Nutzung der Wasserkraft ist aber auch in Zukunft noch vorhanden.”


Die genaue Liste aller Kriterien für den Gewässerschutz kann hier nachgelesen werden.