Economy | Verbraucherzentrale

"Cari signori, non scherziamo più"

Die Südtiroler Verbraucherzentrale lässt in ihrem Kampf für die Rechte von Südtirols Anlegern nicht locker. Und kündigt nicht nur der Sparkasse weiteres Ungemach an.
cernigli_andreaus.jpg
Foto: Foto: Salto.bz

Man hätte die Angelegenheit auch per Pressemitteilung erledigen können. Bis  Mitte Oktober müssen alle Anleger, die bei der Kapitalerhöhung im Jahr 2012 Aktien der Südtiroler Sparkasse gekauft haben, mit einem eingeschriebenen Brief die fünfjährige Verjährungsfrist unterbrechen, um einen möglichen Schadenersatzanspruch gegenüber der Bank oder auch der Börsenaufsichtsbehörde Consob nicht zu verlieren. Doch die Südtiroler Verbraucherzentrale und vor allem ihr illustrer Anwalt Massimo Cerniglia nutzen die comunicazione di servizio, um Sparkassen-Aktionären auf einer Pressekonferenz einen Motivationsschub für die Fristenverlängerung zu liefern. Der römische Professor und Rechtsanwalt, der geschädigte Sparer in großen nationalen Skandalen wie Cirio, Parmalat oder im Fall argentinischer Anleihen vertreten hat, ordnete die Odyssee von gut 11.000 Aktionären, deren Papiere heute nicht einmal mehr 50 Prozent des Wertes von 2012 betragen, dafür auch in einen größeren Zusammenhang ein. Und legte ein Zitat des französischen Philosophen Aron Raymon – „Millionen von Menschen, die das Recht auf ihre Rechte verloren haben“ vom Beginn des vergangenen Jahrhunderts, auf die „große Ungerechtigkeit“ um, die Sparern in ganz Italien im 21. Jahrhundert mit Aktien nicht-quotierter Banken widerfahren ist. „Hier geht es nicht nur um Südtiroler Banken wie die Sparkasse und die Volksbank, sondern um eine in ganz Italien bestehende Situation, die wir sie sonst nirgends in Europa finden“, verwies Cerniglia unter anderem auf das jüngste staatliche Rettungsdekret für die beiden Banken Veneto Banca e Banca Popolare di Vicenza, mit denen Sparer sogar jeglicher Anspruch auf Schadenersatz genommen worden sei.

Die Methoden, mit denen Lokalbanken Sparer für solch illiquide Finanzprodukte gewonnen hätten, würden einander dabei in den meisten Fällen ähneln. Der Südtiroler Sparkasse werfen die Verbraucherschützer und ihr Anwalt bekanntlich eine unterlassene Informationspflicht, sowie „anomale“ Verkaufspraktiken vor. So sei im Verkaufsprospekt die Herabstufung des Sparkasse-Ratings um zwei Stufen – von Ba1 auf Baa2- genauso verschwiegen worden wie die hohe Verschuldung ihrer Tochter Raetia SGR, die zu dem Zeitpunkt bereits in der Bilanz der Sparkasse thematisiert worden war. Durch die gängige Lehrmeinung sowie ein Kassationsgerichtsurteil vom August 2016 bestätigt sieht Massimo Cerniglia aber auch die Unrechtmäßigkeit des Verkaufs an rund 80 Prozent der Aktionäre, deren Risikoprofil vor dem Kauf im Rahmen einer bankinternen Finanzberatung als niedrig oder mittel-niedrig eingestuft worden war. Gemäß den Vorschriften für Finanzdienstleistungen sind Vermittler verpflichtet, aufgrund des Risikoprofils ihrer Kunden die Angemessenheit eines Finanzprodukts individuell zu bewerten. „Die Sparkasse hat all jenen Sparern mit niedrigem oder niedrig mittlerem Risikoprofil die Empfehlung gegeben, den Kauf der Aktien zu meiden – um sie ihnen dann aber dennoch mit dem Zusatz „Auftrag direkt vom Kunden erteilt“ zu verkaufen“, so der Anwalt. Eine Vorgehensweise, die für ihn offensichtlich widerrechtlich und nicht korrekt ist.

„Hier geht es nicht nur um Südtiroler Banken wie die Sparkasse und die Volksbank, sondern um eine in ganz Italien bestehende Situation, die wir sie sonst nirgends in Europa finden."

Entsprechend dürfte auf das Gerichtsverfahren zum Dolomiti-Fonds bereits im Herbst ein weiteres Verfahren von rund 100 Aktionären folgen, die laut Ansicht der Verbraucherschützer durch die beiden Kapitalerhöhungen im Jahr 2102 und im Jahr 2008  durch Verschulden der Bank zu Schaden gekommen sind und bereit sind, vor Gericht zu ziehen. Darüber hinaus wollen die Verbraucherzentrale und ihr Anwalt im Laufe des Sommers entscheiden, ob sie darüber hinaus eine class action, also eine Sammel- oder Gruppenklage anstreben, der sich dann auch andere Sparer anschließen könnten.  Seine erste Wahl sind solche Gerichtsverfahren keineswegs, unterstrich Massimo Cerniglia: „Wie ich in anderen solchen Fälle erlebt habe, fahren beide Seiten besser, wenn man sich gemeinsam an einen Tisch setzt, und Fall für Fall versucht die Sache im Einverständnis zu bereinigen“, erklärt er. Doch obwohl die neue Führung der Sparkasse hinsichtlich ihrer  Mangement-Qualitäten seinen Respekt genieße, zeige sie in diesem Fall weiterhin keinerlei Verhandlungsbereitschaft. „Was die bankinternen Schäden anbelangt, die das alte Management hinterlassen hat, hat die Bank aufgeräumt – warum bereinigt man dann nicht auch den Schaden, den man seinen Aktionären hinterlassen hat“, fragt der Anwalt.

"Wir sind resilient"

Weil Südtirols Banken bislang als unantastbar galten, ist eine der Antworten, die sich Cerniglia selbst gab. Ein Status, der im restlichen Italien schon lange zusammengebrochen sei – nun habe sich der Wind auch in Südtirol gedreht. Auch deshalb legt der Anwalt selbst all jenen Sparkassen-Aktionären einen Unterbrechung der Verjährungsfrist nahe, die keine Klage anstreben. „Es ist einfach ein Zeichen, ein ziviler Akt, mit dem wir sagen: „Cari signori, non scherziamo più“ , so Cerniglia. Und zwar nicht nur, was die Sparkasse anbelangt. „Heute ist es die Sparkasse, morgen die Volksbank und auch was Raiffeisen anbelangt, glauben wir, dass die Aufhebung der Strafe wegen Kartellbildung durch das Verwaltungsgericht nicht halten wird“, meint der Anwalt. Seine Botschaft an Süditrols Bankenwelt. „Wir sind resilient, wie man heute so gerne sagt – und wir werden Schritt für Schritt vorgehen.“