Ein Jahr nach der Tragödie
Am 14.08.2018 ist in Genua die Morandi-Brücke eingestürzt. 250 Meter der vierspurigen Straße kollabierten und Autos stürzten 45 Meter in die Tiefe. 43 Menschen kamen ums Leben, 3.500 verloren ihr Zuhause, da unter der Brücke Wohnhäuser standen, in die bis heute niemand wieder einziehen durfte. Rettungskräfte suchten mehrere Tage lang in den Ruinen nach Überlebenden. Die Menschen, die an diesem Tag die Brücke überqueren wollten, waren auf dem Weg zur Arbeit, in den Urlaub und auf Verwandtenbesuch gewesen. Ein Jahr nach der Katastrophe wurde heute in Genua eine Zeremonie abgehalten, um den Opfern zu gedenken.
Angehörige der Opfer, der Bürgermeister von Genua Marco Bucci, zahlreiche Minister, Vizepremiers Matteo Salvini und Luigi di Maio sowie Staatspräsident Sergio Mattarella waren heute bei der Trauerfeier anwesend. Ebenso auch Giovanni Castellucci, Geschäftsführer des Infrastrukturbetreibers Atlantia und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Autobahnen in Italien, gegen den wegen des Einsturzes ermittelt wird.
Um 11.36 Uhr, genaue Uhrzeit des Einsturzes, wurde in Genua eine Schweigeminute abgehalten, die von Kirchenglocken und Schiffssirenen beendet wurde. Davor war ein Gottesdienst begangen worden, in dem auch die Namen der Todesopfer verlesen wurden.
Am ersten Jahrestag der Tragödie ist noch vieles ungeklärt. Denn wer für den Einsturz in die Verantwortung genommen werden kann, ist trotz Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach wie vor unklar. Die Autobahnen in Italien sind seit Jahren nicht mehr in staatlicher Hand. Zahlreiche Diskussionen entbrennen darüber, wieviel die privaten Autobahnbetreiber in die Kontrolle und Instandhaltung investiert hatten.
Staatsanwalt Francesco Cozzi hat 71 Personen und zwei Gesellschaften in das Ermittlungsregister aufgenommen, darunter auch Manager und Techniker von Autostrade per l’Italia (ASPI) und SPEA aus der Benetton-Gruppe, die für die Instandhaltung der Brücke zuständig waren. Ebenfalls befinden sich im Register auch Führungskräfte und Funktionäre des Ministeriums für Infrastruktur, die die privaten Betreiber kontrollieren.
Die Wut und Enttäuschung der Angehörigen der Opfer ist groß. Bisher konnte weder ein Verantwortlicher festgemacht werden, noch habe es bisher konkrete Aktionen der Regierung gegeben, um sichere Verhältnisse in der Zukunft zu garantieren. Dementsprechend hatten auch mehrere Angehörige im Vorhinein angekündigt, nicht an der Trauerfeier teilzunehmen.
Die Regierung versprach zwar nach dem Einsturz die Kontrolle aller Brücken und Tunnels in Italien, dennoch haben diese Begutachtungen bisher noch nicht stattgefunden. Marco Bucci betonte heute gegenüber der Presse, dass diese Aufgabe der landesweiten Autorität obliege. Er selbst wolle seine Aufmerksamkeit vor allem dem Wiederaufbau der Brücke in Genua schenken.
Er spüre die schwere Last des Unglücks und des letzten Jahres auf den Schultern, sagte er im Interview mit dem Corriere della Sera. Bucci sagte auch, wie wichtig es sei, den Opfern zu gedenken: „Und wir wollen uns an sie erinnern, indem wir hart arbeiten, so wie wir es das letzte Jahr getan haben. Vielleicht hätten wir noch mehr für die Angehörigen tun können, aber unsere Türen für sie stehen immer offen.“
Mit dem Neubau der Brücke hat man begonnen. Auch wenn die Arbeiten noch an ihrem Anfang stehen, versprach der italienische Verkehrsminister Danilo Toninelli die Fertigstellung bis Weihnachten dieses Jahres, sie solle dann im Frühling eingeweiht werden. Weil die Morandi-Brücke in Teilen asbestverseucht war, kam es zu Verzögerungen beim Abriss. Im Juni wurden dann die Reste der Brücke gesprengt. Toninelli vertraue den am Neubau beteiligten Firmen, auch weil der Vertrag Strafen für die Nicht-Einhaltung des vorgesehenen Zeitplans vorsehe: "Mit dem Vertrag haben sie Klauseln unterschrieben, die einen Zeitplan vorschreiben. Wenn jemand so hohe Strafen riskiert, dann weiß er, dass er die Zeiten einhalten kann.", so der Verkehrsminister.
Entworfen hat die neue Brücke der Genueser Architekt Renzo Piano. Geplant sei eine einfache Stahlkonstruktion, unter deren Oberfläche mit Solarpanels Energie erzeugt werden könnte. Die Wartung werde mit Hilfe von Robotern ausgeführt. Die Brücke solle einen Neunanfang symbolisieren und mindestens 1000 Jahre halten, so Piano.
Der Komissionspräsident der EU-Politik der Kammer, Sergio Battelli, schrieb heute Morgen auf Facebook über die Bemühungen der Politik nach dem Unglück: „Genua, ein Jahr später. Verändert, verwundet, größer. Es sind 365 Tage seit diesem verdammten 14. August vergangen, der die Morandi-Brücke und 43 Leben mit sich genommen hat und ein ganzes Viertel zerstört hat." Und weiter: „Trotz des politischen Chaos der letzten Tage haben wir sofort gehandelt, um den Familien von Personen, die ihr Leben oder die Normalität verloren haben, Gerechtigkeit zu geben. Die Ausrufung des Ausnahmezustandes, die Haushaltsmittel, die Ernennung des Kommissars, die Unterkünfte und jetzt der Wiederaufbau.“ Die Kontrollen der italienischen Tunnels und Brücken wurde nicht erwähnt.