Economy | Klimaplan

Weniger Methan mit Genetik

Nutztierwissenschaftler Matthias Gauly mahnt beim Klimaschutz in der Landwirtschaft realistisch zu bleiben. Hoffnung setzt er hier in die Südtiroler Rinderzucht.
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Foto: Seehauserfoto
„Bis 2030 zehn Prozent der Treibhausgase in der Landwirtschaft einzusparen, ist ein realistischeres Vorhaben als die im ersten Teil des Planes angekündigten Reduktionsziele“, erklärt Matthias Gauly, Professor für Nutztierwissenschaften an der Freien Universität Bozen. Als im Herbst vergangenen Jahres der erste Teil des Südtiroler Klimaplanes vorgestellt wurde, war noch von minus 50 Prozent bei Lachgas und von minus 30 Prozent bei Methan die Rede. Die Grünen kritisieren, dass die Landesregierung beim zweiten Teil des Klimaplans nicht nur in diesem Handlungsfeld ihre Ziele nach unten korrigiert hat.
 
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Methan und Lachgas sind im Landwirtschaftssektor die wichtigsten Treibhausgase. Wird auch das ausgestoßene Kohlenstoffdioxid (CO2) betrachtet, ist dieser Wirtschaftssektor laut dem zweiten Teil des Klimaplans für 17 Prozent der in der Provinz ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich. Beim Methanausstoß alleine verursacht die Landwirtschaft durch die Haltung von Wiederkäuern jedoch 76 Prozent der Emissionen. Bei Lachgas liegt der Sektor vor allem durch die Ausbringung von Mineraldünger im Obst- und Weinbau bei 71 Prozent.
Nach Schätzungen sind circa 20 Prozent der Variation der Emissionsmenge genetisch bedingt.
Gauly hält die neuen Ziele im Bereich der Tierhaltung nach wie vor für ambitioniert, aber realistisch. Ob sie in diesem Bereich auch einen positiven Effekt auf das Weltklima hätten, bezweifelt er allerdings: „Um etwa den Methanausstoß um 30 Prozent zu senken, müsste die Stückzahl an Rindern in Südtirol etwa um diese Zahl verkleinert werden. Dadurch verringert sich aber auch das Produktangebot. Bei gleichbleibender Nachfrage würde diese dann von Anderen befriedigt. Global gesehen sind solche Verschiebungen der Erzeugung ein Nullsummenspiel oder sogar nachteilig für das Klima. Veränderungen auf der Angebotsseite müssen mit Änderungen unseres Konsumverhaltens einhergehen. Nur so macht es Sinn.“
 

Lösungsansätze

 
Wesentlich sinnvoller als die reine Verminderung der Tierzahlen seien daher momentan andere Bemühungen, die zu Reduktionen auf Betriebsebene führen. Dazu gehören zum Beispiel neben Fütterungsmaßnahmen auch züchterische Aktivitäten. International werde das bei den wichtigen Rinderrassen wie dem Holsteinrind bereits praktiziert. „Der Methanausstoß pro Kuh variiert auch unter gleichen Umweltbedingungen beträchtlich. Das heißt, obwohl zum Beispiel Grauviehkühe in einem Stall stehen, alle das gleiche Futter fressen und gleich viel Milch erzeugen, produzieren sie verschieden viel Methan. Nach Schätzungen sind circa 20 Prozent der Variation der Emissionsmenge genetisch bedingt. Das ist beachtlich und liegt im Bereich der Milchmenge. Es ist also durch Zucht zu beeinflussen.“ Hier seien nun die Zuchtverbände gefragt, um auch bei selteneren Rassen, wie etwa dem Grauvieh, den Methanausstoß auf diesem Weg zu reduzieren.
Insgesamt vermisst Gauly im Südtiroler Klimaplan die Verbindlichkeit der gesetzten Ziele: „Es steht nirgends, was passiert, wenn in einem Wirtschaftssektor die Klimaziele der Provinz nicht erreicht werden. Gerade in der Landwirtschaft gäbe es die Möglichkeit, über die Vergabe von Beiträgen ökologische Kriterien, wie den verringerten Methanausstoß oder die Förderung der Biodiversität, noch stärker zu unterstützen, als es in Teilen schon geschieht. Es macht viel Sinn, wenn die Förderungen stark mit den wichtigen Zielen des Klimaplanes abgestimmt werden.“
 
Matthias Gauly
Matthias Gauly: „Es geht vor allem darum, solche tierische Produkte auf den Markt zu bringen und zu konsumieren, die unter hohen Tierwohl- und Umweltstandards hergestellt worden sind.“ (Foto: Uni Bozen)
 
Auch der Grüne Landtagsabgeordnete Hanspeter Staffler argumentiert in diese Richtung: Als die Landesregierung Anfang des Jahres die EU-Gelder der zweiten Fördersäule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU beschlossen hatte, kritisierte er die fehlenden Anreize für mehr Klima- und Biodiversitätsschutz. Dabei ging es um Gelder in Höhe von rund 324 Millionen Euro für den Zeitraum von 2023 bis 2029. Auf EU-Ebene betrachtet sind die Gelder der GAP rund ein Drittel des gesamten Budgets der Europäischen Union. Laut Staffler haben nur 20 Prozent der an Südtirol zugewiesenen EU-Gelder, die für die zweite Fördersäule bestimmt sind, einen positiven Effekt auf Klima- und Biodiversitätsschutz.
Letztendlich sind die Subventionen in der Landwirtschaft derzeit für Viele mehr Fluch als Segen.
Inwieweit dieser Prozentsatz den Tatsachen entspricht, will Gauly nicht beurteilen. Das hänge nicht zuletzt davon ab, ob es in den nächsten Jahren Änderungen in den Südtiroler Vergaberichtlinien für die Landwirtschaft gibt oder nicht. „Es kam und kommt durchaus vor, dass die Richtlinien angepasst werden.“ Dennoch seien so gewichtige Förderinstrumente wie der GAP-Topf auf EU-Ebene durchaus kritisch zu betrachten.
„Letztendlich sind die Subventionen in der Landwirtschaft derzeit für Viele mehr Fluch als Segen. Wir haben in Europa keine ehrlichen Lebensmittelpreise und häufig kommt nur ein kleiner Teil der Subventionen beim Landwirt direkt an“, so Gauly. Bei den EU-Flächenprämien, wichtiger Teil der ersten Säule der GAP, gehe der Großteil der Gelder häufig an den Grundeigentümer. „Das sind häufig in Europa keine Landwirte, sondern teilweise Investoren, die einer anderen Beschäftigung nachgehen und sich vom Erwerb landwirtschaftlicher Flächen gute Renditen versprechen“, erklärt er. Das sei in der kleinstrukturierten Landwirtschaft Südtirols dank der Politik der letzten Jahrzehnte weitestgehend nicht der Fall.
Deswegen aber die kleinbäuerlichen Betriebe im Land als Allheilmittel zu sehen, liegt dem Nutztierwissenschaftler fern. „Nur weil es kleine Betriebe sind, heißt das nicht, dass sie automatisch alles richtig machen beziehungsweise machen können“, sagt Gauly. Beispielsweise stehen Landwirte mit einer niedrigen Stückzahl an Kühen vor der Herausforderung, dass sie niemals mehrere gleich alte Kälber gemeinsam in einer Gruppe aufziehen können, was tierwohlfreundlich wäre. Dies könne ein Betrieb mit 100 Kühen einfacher umsetzen. „Es gibt also durchaus Vorteile, die durch die Betriebsgröße bedingt sind.“
 
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Milchproduktion: Der Verkauf biologischer Heumilch würde laut Gauly sowohl die Erträge der Betriebe erhöhen als auch dem Klima- und Umweltschutz zuträglich sein. (Foto: Seehauserfoto)
 
Auch der hohe Import an Kraftfutter der Südtiroler Milchbetriebe sei nicht unproblematisch. „Ein Ziel könnte es sein, den Anteil biologisch erzeugter Heumilch zu erhöhen. Dadurch ergäben sich nicht nur günstige Nährstoffbilanzen auf Betriebsebene, sondern für die Betriebe rentiert sich auch der höhere ausbezahlte Preis im Vergleich zur konventionellen Milch. Voraussetzung ist allerdings, dass es gelingt die Produkte in steigender Menge am Markt zu platzieren. Keine leichte Aufgabe!“ Außerdem plädiert der Nutztierwissenschaftler dafür, dass die Vermarktung regionaler Erzeugnisse im Gastgewerbe und die Sensibilisierung für Klimaschutz in der Bevölkerung verstärkt wird. „Das ist auch im Klimaplan so vorgesehen und wird hoffentlich konsequent verfolgt. Denn ohne nachhaltige Änderungen im Konsumverhalten werden wir wenig erreichen können.“
 
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Einkauf: Sind Konsument*innen bereit, für nachhaltigere Lebensmittel mehr Geld auszugeben? (Foto: Tima Miroshnichenko / Pexels)
 
Gauly sieht trotzdem Grund zur Hoffnung: Die Reduktion unseres Konsums an tierischen Erzeugnissen wirke sich nicht nur positiv auf die Ökosysteme des Planeten aus, sondern werde auch von Ernährungswissenschaftler*innen so empfohlen. Weniger fördere also sogar die menschliche Gesundheit. „Es geht vor allem darum, solche tierische Produkte auf den Markt zu bringen und zu konsumieren, die unter hohen Tierwohl- und Umweltstandards hergestellt worden sind.“ Diesen Wandel könne jeder und jede Einzelne mitgestalten, ob im eigenen Betrieb oder beim Lebensmitteleinkauf.
Eine letzte Anregung hat der etablierte Wissenschaftler noch: „Es gibt in den Südtiroler Forschungseinrichtungen wie unserer Universität oder der Eurac leider in einigen Bereichen noch zu wenig oder keine Experten*innen (z.B. in der Umwelt- und Ressourcenökonomie), die den Klimaplan künftig wissenschaftlich begleiten können und damit dazu beitragen, dessen Ziele zu erreichen. Ein Punkt, der auch im Klimaplan erwähnt wird. Auch hier gilt es die Entwicklung unserer Einrichtungen mit den Plänen des Klimaplans noch besser abzustimmen.“
An der Erarbeitung des Südtiroler Klimaplans waren unter der wissenschaftlichen Koordination von Gottfried Tappeiner, Volkswirt an der Universität Innsbruck, zahlreiche Expert*innen beteiligt, unter anderem von der Eurac, der Uni Bozen und des ASTAT.
 
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Massimo Mollica Mon, 08/14/2023 - 09:25

Il cambiamento dei nostri consumi quotidiani è fondamentale ma credo di difficile realizzazione. Nessuno oggi vuole rinunciare a qualcosa. Io credo che la scienza ci venga in aiuto e in questo caso specifico con la carne coltivata e il latte sintetico. Così facendo si eliminano gli allevamenti intensivi e si lasciano in vita piccole realtà montanare, anche a solo a scopo culturale/turistico.

Mon, 08/14/2023 - 09:25 Permalink
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Peter Gasser Thu, 08/17/2023 - 07:24

In reply to by Massimo Mollica

Zitat: „... che la scienza ci venga in aiuto e in questo caso specifico con la carne coltivata e il latte sintetico“ x einige Gedankensplitter dazu:

Die Kuh soll auf natürlicher Weide und mit Gras und Heu von den Wiesen in tierwohlgerechter Gruppenhaltung artgerecht ernährt werden, der Mensch aber mit „carne coltivata e latte sintetico“, hoch ver- und bearbeitet mit unzähligen künstlichen Zusatzstoffen und aus Fabriken stammend, abgespeist (im zweifachen Sinne des Wortes) werden (am besten schnell und stehend in einer kurzen Pause)?
Ist das nicht in sich widersprüchlich - und wird *dem Menschen* nicht gerecht?
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- die Diskussion in der Landwirtschaft ist wichtig, aber die großen Posten bleiben Energie, Heizung, Warmwasser, Verkehr, Mobilität;

- auch das Bewusstsein, dass der Import von Lebensmitteln in der Regel wohl klimaschädlicher ist als die Produktion vor Ort;

- und, als zusätzlicher Gedankensplitter: synthetische Milch aus einer Fabrik in Mailand trinken, damit ich dann beruhigt eine Banane essen kann, welche mit schädlichstem Schweröl angetrieben über den Ozean kommt? Ist es da nicht ökologischer, auf die Banane zu verzichten und heimische Kuhmilch zu trinken (kein Schiff, keine Fabrik)?

Die Sache ist sehr komplex.
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Vielleicht hilft der Klimadiskussion auch, dass die demographische Entwicklung z.B. in China in den nächsten Jahrzehnten von einer Abnahme der Einwohner um mehr als 30% ausgeht.

Thu, 08/17/2023 - 07:24 Permalink
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Josef Fulterer Tue, 08/15/2023 - 22:20

In reply to by Dietmar Nußbaumer

Statt mit den Flächen-Prämien die landwirtschaftliche-Flächen zusammen-raffenden Spekulanten zu belohnen, die maximale Leistungen ohne Rücksicht auf den Ausstoß von CO2, Methan und Lachgas, aus den Böden + den Nutz-Tieren heraus-pressen,
s o l l t e n die Flächen-Prämien den bäuerlichen Familien zugewendet werden, die mit den Tieren + Böden + Gebäuden vernünftig umgehen + nicht mit Unmengen von heran gekarrtem Grundfutter Höchst-Leistungen ansstreben, die den Ausstoß der Klima-Gase un-verantwortlich in die Höhe treiben.

Tue, 08/15/2023 - 22:20 Permalink
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Johannes Engl Wed, 08/16/2023 - 22:19

Ein sehr ausgewogener, wissenschaftlich fundierter Artikel mit guten Vorschlägen und starken Forderungen an Politik und Konsumierende.

Wed, 08/16/2023 - 22:19 Permalink