Environment | Ausbau

Sessellift auf Eis gelegt

Der geplante Ausbau des Sessellifts Steger-Dellai auf der Seiser Alm wurde vorerst gestoppt. Die Umweltschutzmaßnahmen seien unzureichend.
Bergstation Steger-Dellai
Foto: Privat
  • Während die Nordhänge des Seiser Alm-Gebiets bereits gut mit modernen Liften erschlossen sind, sehen manche in den Südhängen – konkret im Gebiet Monte Piz – noch Nachholbedarf. Der geplante Ausbau des Sessellifts Steger-Dellai in der Gemeinde Kastelruth sorgt für Kontroversen. Ideallifte GmbH beabsichtigt den derzeitigen Doppelsessellift, Baujahr 1994, durch einen Achter-Sessellift zur ersetzen. Die Beförderungskapazität soll dabei mehr als vervierfacht werden: Von 600 auf 2.600 Personen pro Stunde. Um der erhöhten Kapazität gerecht werden zu können, werden Stationsgebäude und Sessellager neupositioniert und vergrößert, auch die Seilbahntrasse soll verlegt werden. Die neue Trasse hätte nur noch zehn Stütze, aktuell sind es zwölf. (Genauere Ausführung in Infobox).

    Das Projekt zur Errichtung der neuen Aufstiegsanlage wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mit sich bringen. Sie bewertet die wesentlichen Auswirkungen eines Projekts auf die Umwelt. Das ist einem auf den 25. Juni datierten Dokument des Amts für Umweltprüfungen zu entnehmen, unterzeichnet vom Amtsdirektor Thomas Senoner. Die Frist zur Einreichung einer Stellungnahme ist inzwischen abgelaufen.

  • Der Sessellift Steger-Dellai in Richtung Berg: Gebaut im Jahre 1994 Foto: Privat
  • AVS versus Umwelt-Vorstudie

    Der Alpenverein Südtirol (AVS) hat in einer ausführlichen Stellungnahme deutliche Kritik am Projekt geäußert. Er sieht die touristische Erschließung der Seiser Alm bereits als abgeschlossen an und warnt vor einem weiteren Ausverkauf der alpinen Naturräume. Insbesondere kritisiert der AVS die Umweltvorstudie, ausgearbeitet von dott. agr. Peter Stuflesser, die der Projektplanung zugrunde liegt: Sie sei unzureichend und lasse zentrale Fragen unbeantwortet. So seien Erhebungen zur Flora erst im September 2024 durchgeführt worden – ein Zeitpunkt, zu dem viele geschützte Frühblüher nicht mehr sichtbar sind. Geschützte Arten wie Primeln, Orchideen und Enziane seien demnach nicht berücksichtigt worden.
    Zudem weist der AVS auf mögliche Feuchtgebiete und Niedermoore in der Nähe der geplanten Trasse hin, deren ökologische Bedeutung nicht ausreichend untersucht worden sei. Auch das Landschaftsbild werde durch das Projekt beeinträchtigt: Der Alpenverein kritisiert die Darstellung in der Umweltvorstudie, wonach es sich bei der neuen Seilbahn lediglich um einen Austausch der alten Anlage handle. In Wahrheit sei ein deutlicher Ausbau vorgesehen: Die geplanten Stationsgebäude sind größer und vor allem die Bergstation, die in eine gut einsehbare Berg-Mähwiese gebaut werden soll, werde sich optisch deutlich stärker im Landschaftsbild abzeichnen. Die neue Talstation soll beispielsweise über eine unterirdische Garage und ein Magazin verfügen. Aufgrund der geänderten Trassenführung müssten außerdem etwa 40 Bäume gefällt werden.

  • Wildbach im unteren Drittel der Steger-Dellai-Piste: Potentiell vom Ausbau bedrohtes Feuchtgebiet? Foto: Privat
  • Projektbeschreibung: Aufstiegsanlage Steger-Dellai

    • Geplante neue 8er-Sesselliftanlage als Ersatz der bestehenden 2er-Anlage.
    • Länge: 995,5 m, Höhenunterschied: 1775 m – 1952 m, Seilbahntrasse mit zehn Stützen, statt wie bisher zwölf
    • Beförderungskapazität: Erhöhung auf 2.600 Personen die Stunde von 600 Personen die Stunde 
    • Verschiebung der Seilbahntrasse, Verlegung der Tal- und Bergstation
    • Größere Stationsgebäude
    • Erneuerung einer Straßenunterführung
    • Pistenanpassungen
  • Da weder architektonische Details noch die Farbgestaltung offengelegt wurden, könne auch nicht beurteilt werden, ob die Gefahr von Vogelanprall, etwa bei Glasfassaden, bestehe. Die neue Seilbahntrasse durchquere Lebensräume geschützter Arten. Gerade bei Nebel, schlechter Sicht oder beim Wechsel zwischen verschiedenen Habitaten könnten die Seile zu tödlichen Hindernissen für Vögel werden. Trotz der vergrößerten Anlage werde das Kollisionsrisiko in der Umweltvorstudie als unverändert dargestellt. Der AVS fordere deshalb, das Risiko neu zu bewerten und gegebenenfalls geeignete Kennzeichnungen der Seile vorzusehen. 

    Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die geplante Verwertung von rund 11.000 Kubikmetern (Beim Bau der Talstation werden rund 40.520 Kubikmeter Material bewegt) überschüssigem Aushubmaterial auf der Piste Monte Piz. Diese Aufschüttung soll sich über eine Fläche von fast 20.000 Quadratmetern erstrecken, jedoch fehlen sowohl eine genaue Abgrenzung des möglicherweise betroffenen Moorgebiets als auch Höhenprofile oder Angaben zur Geländeform. Somit bleibt unklar, wie stark der Eingriff ausfallen wird und welche Auswirkungen er auf das Ökosystem haben könnte.

    Was die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen betrifft, so hält der AVS die geplanten 80.000 Euro für unzureichend und zu wenig konkretisiert. Es fehle an einer verbindlichen Grundverfügbarkeit für die Flächen und an klaren Vorgaben zur Umsetzung. Als Ergänzung schlägt der Alpenverein unter anderem eine genaue Erhebung der vermuteten Moorflächen sowie deren Wiedervernässung vor, um deren ökologischen Wert langfristig zu sichern. Auch die geplanten Biotoppflegemaßnahmen in Höhe von 10.000 Euro seien unzureichend beschrieben – weder Ort noch Inhalt der Maßnahmen seien nachvollziehbar. Gleiches gelte für die geplante Renaturierung eines verrohrten Gerinnes bei der Talstation, zu der bisher keine Details zur Länge oder Ausführung bekannt seien. Aus Sicht des AVS wäre ein detaillierter Kostenvoranschlag notwendig, um die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsmaßnahmen überhaupt bewerten zu können.

  • Die Unterführung im Sessellift-Verlauf: Auch hier soll ausgebaut und verbreitert werden Foto: Privat
  • Das Amt für Umweltprüfungen hat die Stellungnahme des AVS in seiner Entscheidung vom 25. Juni 2025 weitgehend bestätigt. In der Beurteilung wurde deutlich, dass das Vorhaben potenziell erhebliche Umweltauswirkungen mit sich bringt. Für bestimmte Bauphasen, insbesondere Abriss- und Montagearbeiten, sei der Einsatz von Helikoptern vorgesehen.

    Neben den umfangreichen Eingriffen durch Bauarbeiten und Materialtransporte wird vor allem die massive Kapazitätserhöhung des Liftes kritisch gesehen. Diese könnte nicht nur zu einer Übernutzung der bestehenden Pisten führen, sondern auch weitere Eingriffe wie eine Pistenverbreiterung notwendig machen – mit entsprechenden Folgen für Natur und Landschaft.

    Die Behörde kommt daher zu dem Schluss, dass das Projekt einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden muss. Diese soll eine vertiefte Analyse der ökologischen Auswirkungen ermöglichen und auch alternative Lösungen, einschließlich einer Nullvariante, prüfen.
    Damit ist der Lift-Ausbau auf der Seiser Alm vorerst gestoppt – zumindest bis das UVP-Verfahren abgeschlossen ist.