Wir müssen reden!
Allein: Es hilft nichts. Es ist vielmehr, als würden wir eine löchrige, zerschlissene Lieblingsdecke, die einstmals schön war und gut wärmte, immer wieder aufs Neue stopfen und flicken, und während wir hier einen Riss schließen, reißen wir nebenan einen neuen auf. Die Decke wird nie wieder wärmen, und über kurz oder lang wird sie zwischen unseren Fingern zerbröseln. Shoshana Zuboff bringt es folgendermaßen auf den Punkt (brandeins, 5/2013): „Ich denke, dass Innovationen nicht reichen, denn sie sollen nur ein überlebtes System reparieren. Was wir brauchen, sind Mutationen. Das ständige Gerede von den innovativsten Firmen oder Geschäftsideen ist eigentlich ein Indiz für den Niedergang des Systems.“
Eine Mutation in diesem Sinne und die schon seit längerem in der Luft liegt, ist: das Bedingungslose Grundeinkommen. Ja, ich weiß, so mancheR knipst sich jetzt ein zynisches Lächeln ins Gesicht und winkt ab – hör mir bloß auf mit diesem sozialen Schmarrn, Träumer, wer soll denn dann noch arbeiten, Faulpelze, die Wirtschaft geht zugrunde, Sozialschmarotzer allesamt undsoweiterundsofort. Aber: So einfach ist das nicht. Das Bedingunglose Grundeinkommen hat mächtige Unterstützer aus der „traditionellen“ Wirtschaft, darunter - um nur die prominentesten zu nennen - Jean Claude Juncker („Mr. Euro“, ja genau!) und den deutschen Erfolgs-Unternehmer Götz Werner (DM Drogeriemarkt). Ich kenne übrigens einen ziemlich erfolgreichen Kastelruther Unternehmer, einen der eher hartgesottenen, der begeistert ist von dieser Idee und sich intensiv mit ihr beschäftigt, und das will was heißen ;-) Ich persönlich finde ja, sie hat das Potential, unsere Welt nicht nur zu verändern, sondern sie geradezu umzukrempeln und würde "BGE" gern einordnen auf einer Ebene mit der Zähmung des Feuers, mit dem Buchdruck, der Aufklärung usw.
Wer das bezahlen soll? Ach, wir wissen doch alle längst: Wenn etwas gewollt ist, dann ist es machbar. Zudem ist es ja aktuell schon so, dass nur etwas mehr als vierzig Prozent der Bevölkerung 100 Prozent der Einkommen erwirtschaften – die übrigen 60 Prozent leben von sogenannten Transferleistungen, ihrer Familie oder ihrem Vermögen. Aber, und das finde ich persönlich über alle anderen Schwachstellen hinaus sehr, wirklich sehr unglücklich am aktuellen Sozialsystem: Jene Personen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, weil’s halt nicht bei allen so richtig und immer rund läuft im Leben, die werden zu Bittstellern degradiert, und in Abhängigkeit gehalten. Wobei ja übrigens sowieso jedeR ArbeitnehmerIn in Abhängigkeit gehalten wird, was aber nur den wenigsten bewusst ist, weil wir’s halt so gewohnt sind. Dabei, ich habe das schon einmal gesagt, keine, wirklich keine Abhängigkeit ist gut für einen Menschen, nicht für sein Selbstwertgefühl, nicht für sein kreatives Potential, nicht für seine persönliche Entfaltung. Mangel und Abhängigkeit – und sei die eine „positive“ Abhängigkeit, z. B. vom großzügigen Ehemann oder vom großzügigen Sozialsystem – generiert selten oder überhaupt gar nie Positives in einem Menschen. Aus meiner Sicht liegt also im „bedingungslos“ das wahrhaft Große, das enorme Potential der Idee des Grundeinkommens, des bedingungslosen: Eine freiEre Menschheit.
Ja, wir sollten reden, auch oder besonders über das Bedingungslose Grundeinkommen, wenn wir nicht wollen, dass uns unsere fadenscheinige Decke, die früher einmal recht ordentlich gewärmt hat, zwischen den Fingern zerfällt, weil nichts mehr da ist, was sie zusammenhalten könnte. Einen Anfang in unserem kleinen Südtirol hat ja übrigens schon längst Sepp Kusstatscher gesetzt, die Südtiroler „graue Eminenz“ in Sachen BGE, und der sich immer gern zur Verfügung stellt, wenn es darum geht, die Idee dahinter zu erklären und unter die Leute zu bringen. Wer mag, kann sich derweil hier mit der Jahrhundert- oder gar: Jahrtausend-Idee infizieren:
Frag'ihn
doch :-) Aber ich glaube, mich vage zu erinnern, dass er in seinem Unternehmen sehr menschenwürdige wenn nicht BGE-ähnliche Bedingungen bietet. Aber ich werde das jetzt mal recherchieren, hast mich neugierig gemacht. Ich sag' ja: Wir müssen reden, um weiterzukommen :-)